EU-Kommissarin Kroes: „Das Internet ist nicht von Natur aus neutral“


Neelie Kroes (Foto: EU-Kommission)

Die Europäische Kommission will eine öffentliche Anhörung zum Thema Netzneutralität noch in diesem Frühjahr. Das hat die EU-Kommissarin für Wettbewerb Neelie Kroes angekündigt. Auf einer Konferenz der französischen Regulierungsbehörde Arcep sagte Kroes, dass „das Internet nicht von Natur aus eine neutrale Plattform“ sei. Die europäischen Behörden müssten eine Entscheidung darüber fällen, ob Internet Service Provider (ISPs) bestimmte Arten von Internet-Traffic bevorzugen dürften.

Die Befürworter der Netzneutralität fordern, dass alle Traffic-Arten per Dekret gleich behandelt werden. So dürfe man zum Beispiel nicht Filesharing weniger Bandbreite geben oder höhere Gebühren dafür verlangen. Die Kommissarin stellte aber fest, dass viele der ISP, mit denen sie gesprochen habe, „sich eine Möglichkeit wünschen, von Inhaltsanbietern eine Gebühr für verstärkte Nutzung der Netzwerke zu fordern“. Sie wollten außerdem unterschiedliche Service-Level für ihre Kunden anbieten.

Bei den Gebühren für die verstärkte Netzbenutzung geht es zum Beispiel um Video-Übertragungen in hoher Qualität. So könnten ISPs zum Beispiel von der ARD Gebühren für die Übertragung der Tagesschau-Medien erheben.

Kommissarin Kroes erklärte, dass sie die Prinzipien der Netzneutralität unterstütze, welche die Federal Communications Commission (FCC) in Amerika vorgeschlagen habe. Sie stehe auch voll hinter den vier Grundsätzen des Verbraucherschutzes, die von der FCC 2005 aufgestellt wurden: Bürger sollen frei auf legale Inhalte zugreifen sowie ihre Anwendungen und Dienste frei wählen dürfen. Sie sollen unterschiedliche Zugangsgeräten benutzen dürfen und die Wahl zwischen verschiedenen, miteinander konkurrierenden Diensten haben.

Bei dem jüngsten Vorschlag der FCC, in dem die Gleichbehandlung verschiedener Traffic-Arten gefordert wird, ist Kroes aber vorsichtig: „Manche interpretieren den Grundsatz der Diskriminierungsfreiheit im Wesentlichen so: Telekommunikationsunternehmen sollen daran gehindert werden, Gebühren zu fordern oder Vereinbarungen mit Anbietern zu treffen, die Inhalte mit hohem Bandbreitenverbrauch über eine Breitbandverbindung schicken und einen gewissen Service-Level benötigen, damit ihre Übertragung funktioniert.“

„Diese Aussicht wirft eine Anzahl von sensiblen und komplexen Problemen auf. Die Probleme müssen sorgfältig untersucht werden, bevor die EU in irgendeiner Weise regulatorisch eingreift“, so Kroes. Andererseits unterstützt die Kommissarin einen anderen Vorschlag der FCC, nachdem die Provider ihre Richtlinien zum Traffic-Management offenlegen müssen.

Was immer auch bei der europäischen öffentlichen Anhörung herauskommt, Kroes versichert, dass die resultierenden Vorschriften Prinzipien wie die freie Rede, Investitionen in effiziente und offene Netzwerke, Wettbewerb und Unterstützung für Innovationen respektieren würden.

ZDNet.de Redaktion

Recent Posts

HubPhish: Phishing-Kampagne zielt auf europäische Unternehmen

Die Hintermänner haben es auf Zugangsdaten zu Microsoft Azure abgesehen. Die Kampagne ist bis mindestens…

54 Minuten ago

1. Januar 2025: Umstieg auf E-Rechnung im B2B-Geschäftsverkehr

Cloud-Plattform für elektronische Beschaffungsprozesse mit automatisierter Abwicklung elektronischer Rechnungen.

5 Stunden ago

Google schließt schwerwiegende Sicherheitslücken in Chrome 131

Mindestens eine Schwachstelle erlaubt eine Remotecodeausführung. Dem Entdecker zahlt Google eine besonders hohe Belohnung von…

6 Stunden ago

Erreichbarkeit im Weihnachtsurlaub weiterhin hoch

Nur rund die Hälfte schaltet während der Feiertage komplett vom Job ab. Die anderen sind…

23 Stunden ago

Hacker missbrauchen Google Calendar zum Angriff auf Postfächer

Security-Experten von Check Point sind einer neuen Angriffsart auf die Spur gekommen, die E-Mail-Schutzmaßnahmen umgehen…

2 Tagen ago

Bedrohungen in Europa: Schwachstellen in der Lieferkette dominieren

Hinter 84 Prozent der Zwischenfälle bei Herstellern stecken Schwachstellen in der Lieferkette. Auf dem Vormarsch…

2 Tagen ago