Das Bundesverfassungsgericht hat im März die Vorratsdatenspeicherung erst einmal gestoppt. Sie wird zwar nicht als grundsätzlich verfassungswidrig angesehen, allerdings ist die Umsetzung in Deutschland nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Im europäischen Parlament wird dagegen bereits fleißig an der nächsten Stufe gearbeitet. Mittels einer sogenannten „schriftlichen Erklärung“ (written declaration) fordern die EVP-Abgeordneten Tiziano Motti (Italien) und Anna Záborská (Slowakei) die Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung auf alle Suchmaschinenanfragen von Bürgern in Europa.
Im Klartext bedeutet das, dass jede Suchanfrage bei Google, Bing und Yahoo mit Datum, Uhrzeit und IP-Adresse gespeichert und mindestens sechs Monate aufbewahrt werden muss. Als Grund für diese Maßnahme wird wieder einmal die Bekämpfung von Kinderpornografie, Pädophilie und sexueller Belästigung genannt. Die schriftliche Erklärung 29 trägt die Überschrift „Schaffung eines europäischen Frühwarnsystems gegen Pädophilie und
sexuelle Belästigung“.
Wer glaubt, dass es sich dabei um die Mindermeinung zweier ultrakonservativer und technikfeindlicher Abgeordneten handelt, irrt in diesem Fall. Bereits 324 Abgeordnete (Stand: 20. Mai) haben die Erklärung unterschrieben. Falls bis zum 19. Juli mindestens 369 Abgeordnete unterschreiben, ist diese Erklärung die offizielle Meinung des EU-Parlaments zum Thema Erweiterung der Vorratsdatenspeicherung auf Suchmaschinenanfragen. Laut MdEP Christian Engström (Piratenpartei) ist die Annahme der Erklärung „gefährlich nahe“.
Eine schriftliche Erklärung kann jeder EU-Parlamentarier verfassen und zur Unterschrift durch andere Abgeordnete auslegen. Wenn innerhalb von drei Monaten nicht mehr als die Hälfte der Abgeordneten unterschreiben, hat sich das Anliegen erledigt. Kommen die Unterschriften hingegen zustande, ist der Inhalt der Erklärung automatisch offizielle Parlamentsmeinung.
Dann wird die Erklärung der EU-Kommission vorgelegt, die die Initiative ergreifen oder entscheiden kann, das Anliegen nicht weiter zu verfolgen. Dass die Kommission nichts tun wird, ist in diesem Fall aber mehr als unwahrscheinlich, denn zuständig ist die Kommissarin für Justiz, Freiheit und Sicherheit Cecilia „Censilia“ Malmström, die im März eine europaweite Zensurinfrastruktur für das Internet forderte – ebenfalls unter dem Vorwand der Bekämpfung der Kinderpornografie. Für sie wäre die Erklärung 29 eine Steilvorlage – dazu noch mit einem offiziellen Auftrag durch die Volksvertreter.
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