Experten der Europäischen Union (EU) haben vor einer zu großen Abhängigkeit von US-amerikanischer Web-Infrastruktur und -Diensten gewarnt. „Es ist eine potenzielle Bedrohung für die Sicherheit im Internet, das so viele Webdienste von den Vereinigten Staaten aus kontrolliert werden“, erklärte Thomas McDonogh, Mitglied des European Economic and Social Committee (EESC) auf einer Fachtagung.

Das EESC soll Arbeitgebern, Gewerkschaften und Interessengruppen eine Stimme in der EU geben. Im Dezember hatte das Komitee ein Positionspapier über den Schutz wichtiger staatlicher Infrastrukturen veröffentlicht. Darin wird empfohlen, dass die EU sich systematisch um den Schutz und die Ausfallsicherheit wichtiger Infrastrukturbereiche kümmern solle. Das sei die vorderste Linie der Cyber-Verteidigung.

Gegenüber ZDNet sagte McDonogh, dass ein Großteil der Web-Infrastruktur sowie viele webbasierte Angebote im Finanzsektor und Cloud-Dienste von amerikanischen Behörden oder Privatanbietern kontrolliert würden. „Zur Zeit sind wir Freunde der USA, aber das kann in zehn Jahren anders sein“, so McDonogh.

Seine Ansicht wird nicht von allen Experten geteilt. Martin Koyabe von BT sagt, dass das Internet zwar aus amerikanischen Systemen entstanden sei, Verwaltung und Kontrolle seien jetzt aber eine Sache der Zusammenarbeit zwischen den Ländern. „Auf technischer Ebene wird viel zusammengearbeitet“, erklärte er.

Früher hatte die US-Regierung zum Beispiel die Kontrolle über die Internet-Behörde ICANN, bis sie im September vergangenen Jahres unabhängig wurde. Die EU hatte sich stets für eine unabhängige ICANN eingesetzt, die unter anderem die Zuweisung von Domain-Namen und IP-Adressen kontrolliert.

John Crain von der ICANN, die ihren offiziellen Sitz in Kalifornien hat, bestritt, dass das Internet von der US-Regierung beeinflusst sei. Es sei ein Fehler, in nationalen Grenzen zu denken. „Das Internet ist so dezentralisiert, dass keine einzelne Regierung die Kontrolle hat. Man hört vom ’nationalen Internet‘, aber die Sache funktioniert anders“, sagte er. Die meisten großen Anbieter von Cloud-Diensten und die meisten Kreditkartenunternehmen seien zwar amerikanisch, das bedeute aber nicht, dass sie unter der Kontrolle der US-Regierung stünden.

ZDNet.de Redaktion

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