Abgewogen: Wie Grün und Informationstechnik zusammenpassen

An Zukunftsprognosen scheiden sich die Geister, gerade auch an solchen über die Zukunft der Informationstechnologie. Technik-Ikonen wie Ray Kurzweil sind trotz zahlreicher offensichtlicher, aktueller Probleme optimistisch. Sie vertrauen darauf, dass technologische Entwicklungen unser Leben schneller und gründlicher beeinflussen und damit zum Besseren verändern, als wir uns das heute vorstellen können.

Andere, etwa der in seinem Heimatland ungemein bekannte australische Mikrobiologe Frank Fenner, sind dagegen äußerst pessimistisch: Der Mensch und mit ihm zahlreiche Tierarten könnten seiner Meinung nach in 100 Jahren bereits ausgestorben sein. „Diese Situation ist nicht mehr aufzuhalten. Ich glaube, dass es zu spät ist. Ich vermeide es eigentlich, darüber zu sprechen. Immerhin versuchen die Menschen ja, etwas dagegen zu tun. Aber sie verschieben die ganze Entwicklung nur.“

Eine Gruppe, die die Entwicklung zwar kritisch sieht, sich aber nicht davon abhalten lassen will, etwas zu unternehmen, hat sich als „Greening IT“ zusammengefunden. Ziel ist es, die Chancen des nachhaltigen Einsatzes von Informationstechnik ins Licht zu rücken und das Wissen darüber zu verbreiten. Das virtuelle Team internationaler Experten hat dazu in einem nicht gewinnorientiert Projekt ein unter der Creative-Commons-Lizenz stehendes Buch herausgebracht. Es steht als PDF zum Download zur Verfügung.

Grüne IT oder grün durch IT?

Ausgangspunkt der Überlegungen: Es geht nicht in erster Linie darum, IT grün zu machen. Vielmehr ist es wichtig, die durch IT gebotenen Chancen zu nutzen, um die Gesellschaft ökologischer zu gestalten: Klug eingesetzt kann IT dazu beitragen, Ressourcen effizienter zu nutzen, Energie einzusparen und den Kohlendioxidausstoß zu verringern.

Für die Autoren hat IT, umweltpolitisch betrachtet, zwei Aspekte: „Der IT-Sektor erzeugt derzeit rund zwei Prozent der weltweiten Kohlendioxidemissionen. Er kann selbst grüner werden, indem auf Energieeffizienz geachtet und bessere Technologien eingesetzt werden. Wir nennen das Green IT. Doch IT kann auch massiv dazu beizutragen, die Emissionen aus anderen Industriesektoren zu reduzieren. Wir nennen diesen Prozess Greening IT, sagt Adrian Sobotta, Vorstand der Initiative sowie Herausgeber und Autor des gleichnamigen Kompendiums.

Seiner Ansicht nach können gerade IT-Lösungen zur schnellen Stabilisierung des Klimas beitragen. „Es gibt keine andere Branche, die wegen der durch sie möglichen Services so große Chancen zur Reduktion von Klimagasen bietet wie die Informationstechnik.“

Hauptproblem Kohlendioxidemissionen

Diese Ansicht teilt auch Connie Heedegaard, Europäische Kommissarin für Klimaschutz. Sie hat das Vorwort zu dem Buch geschrieben. „Alle Bereiche der Wirtschaft werden etwas beitragen müssen und es ist klar, dass Informations- und Kommunikationstechnik eine Schlüsselrolle spielen wird. IKT wird zunehmend als zentrales Werkzeug für den Übergang zu einer Gesellschaft mit geringem Kohlendioxidausstoß erkannt. Sie bietet ein signifikantes, bisher nicht genutztes Potenzial, um unsere Emissionen zu senken.“

Beispiele für solche Lösungen sind Smart Grids, Cloud Computing und Thin Clients. Smart Grids sollen die massive Einspeisung erneuerbarer Energien ins Stromnetz und einen intelligenteren Stromverbrauch sicherstellen. Cloud Computing soll geringeren Hard- und Softwarebedarf bei privaten und kommerziellen Anwendern bringen. Und Thin Clients sollen den Stromverbrauch der Endgeräte auf den Schreibtischen massiv verringern.

Green-IT ist kein Allheilmittel

Das Buch ist aber beileibe keine Sammlung von Aufsätzen technikbegeisterter Träumer. „Es gibt keine perfekte Lösung; auch Green-IT ist kein Allheilmittel“, räumt Herausgeber Sobotta ein. Seiner Ansicht nach stehen aber schon einige IT-Lösungen zum Einsatz bereit, die die Gesellschaft grüner machen können. „Genügend bewährte Ansätze und Praxisbeispiele zeigen, dass IT dabei ist, grün zu werden, und gleichzeitig neue Möglichkeiten für die Reduktion von Klimagasen bietet.“

„Mit Technologie können wir einiges erreichen. Letztlich liegt aber die einzige umfassende Lösung darin, dass die Menschen ihr Verhalten und ihre Konsummuster ändern„, so Sobotta weiter. Aber auch dabei könne IT helfen, etwa indem Verbraucher durch Smart-Grid-Anwendungen wie Smart Meter in Echtzeit erfahren, wie viel Strom sie wirklich verbrauchen und dadurch ihren eigenen Anteil erkennen.

Ein PDF-File der jeweils aktuellen Version steht kostenlos auf der Website zum Download bereit. Eine englischsprachige Printversion (ISBN 978-87-91936-02-9) mit 296 Seiten ist in Deutschland für rund 23 Euro erhältlich.

ZDNet.de Redaktion

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