Eine Woche nach der Veröffentlichung von fast 92.000 Dokumenten über den Krieg in Afghanistan wächst der Ärger vor allem in rechten Kreisen. Mittlerweile werden ziemlich unverhüllt Zensurmaßnahmen gefordert. Die amerikanische Regierung solle Wikileaks vom Netz nehmen.

Im Fernsehen auf Fox News Sunday erklärte Liz Cheney, Tochter von Ex-Vizepräsident Dick Cheney, dass Wikileaks-Mitgründer Julian Assange eindeutig „Blut an den Händen habe“. Wikileaks.org solle offline genommen werden.

„Ich würde mir wünschen, dass Präsident Obama die Regierung von Island bittet, die Website zu schließen“, sagte Cheney. „Ich würde mir auch wünschen, dass er sich dafür einsetzt, dass wir die Site selbst schließen, wenn Island es nicht tut.“ Wikileaks.org wird auf einem Server in Schweden gehostet.

Marc Thiessen, der einstige oberste Redenschreiber für George W. Bush und Mitglied des American Enterprise Institute (AEI), nannte Wikileaks in einer Kolumne für die Washington Post eine „kriminelle Vereinigung“. Weiter forderte er die US-Regierung auf, „geheimdienstliche und militärische Mittel einzusetzen, um Julian Assange vor Gericht zu bringen und seine Mafia-ähnliche Vereinigung aufzulösen.“

Philip Crowley, ein Sprecher des amerikanischen Außenministeriums, erklärte, dass die Taliban „die Dokumente bereits systematisch durchsuchten und Informanten identifizierten. Wir sorgen uns um das Wohlergehen der Afghanen.“ Auch Newsweek berichtet, dass die Taliban begonnen hätten, Afghanen zu bedrohen, die in den Dokumenten als Helfer der amerikanischen Truppen aufgelistet werden. Außenkorrespondentin Lara Logan von CBS News nannte die Veröffentlichung „ein Todesurteil für diese Menschen“.

Der Wikileaks-Gründer hat die Vorwürfe, mit der Veröffentlichung Menschenleben zu gefährden, bestritten. Für den deutschen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg sind die in den Dokumenten enthüllten Informationen „nicht gänzlich überraschend„. Auch die afghanische und die pakistanische Regierung spielten den Wert der Informationen herunter.

Laut Crowley ist das Außenministerium dabei, Kontakt zu Wikileaks aufzunehmen. Man habe aber noch keine Diskussionen mit den Mitgliedern der Gruppe geführt.

Verteidigungssekretär Robert Gates war vergangene Woche gefragt worden, ob die Ermittlungen im Fall Bradley Manning, einem Spezialist des militärischen Geheimdienstes und mutmaßliche Quelle der Afghanistan-Dokumente, „über die Quelle oder die Quellen innerhalb des Militärs hinausgehen sollten? Sollten auch die, welche die Informationen bekommen oder benutzt haben, eingeschlossen werden? Wikileaks, die Medien?“

Gates sagte, dass seiner Ansicht nach „die Ermittlungen so weit ausgedehnt werden sollten wie nötig. Einer der Gründe, warum wir den Direktor des FBI gebeten haben, uns darin zu unterstützen, war, dass die Ermittlungen tatsächlich so weit gehen können wie nötig.“

Vor ein paar Tagen hat Wikileaks eine fantasieanregende 1,4 GByte große Datei veröffentlicht, die den Namen „Insurance“ (Versicherung) trägt. Sie könnte als „Versicherung“ gegen Klagen oder sonstige Strafmaßnahmen gedacht sein. Noch ist sie nämlich verschlüsselt. Wikileaks muss also nur den Schlüssel oder das Passwort zu der Datei herausgeben, damit jeder, der die Datei heruntergeladen hat, die darin enthaltenen Informationen lesen kann.

ZDNet.de Redaktion

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