ZDNet: Was sagen Sie zu der aktuellen Ankündigung der neuen Adwords-Markenrichtlinie von Google?
Martin Bahr: Die Reaktion von Google ist mehr als verständlich. Bislang wurde der Suchmaschinen-Riese in Europa, nicht zuletzt in Deutschland, mit dem Markenrecht relativ stark gegängelt. Im März dieses Jahres hat der Europäische Gerichtshof dem Konzern aus Mountain View dann ganz enorm den Rücken gestärkt und entschieden, dass sein Geschäftsmodell „Adwords“ nicht per se fremde Marken verletzt.
Der Klage der Markeninhaber von „Louis Vuitton“, „Bourse des Vols“ und „Eurochallenges“, die Google in der Mitverantwortlichkeit für fremde Markenverletzung sahen, haben die Europa-Richter eine klare Absage erteilt. Das Geschäftsmodell „AdWords“ sei rechtmäßig. Google müsse aber einzelne Anzeigen löschen, wenn es von Rechtsverletzungen Kenntnis erlange. Angesichts dieser Rechtsentwicklung war die Veränderung der Adwords-Markenrichtlinie nur eine Frage der Zeit. Und Google wird sich sicherlich über die zusätzlichen Einnahmen freuen.
ZDNet: Was ist wirklich neu an den geplanten Veränderungen?
Martin Bahr: Wenn am 14. September der Hebel umgelegt wird, dann ist – jedenfalls nach den Google-Bestimmungen – praktisch alles erlaubt und nichts mehr verboten. Jeder Unternehmer kann dann jedes Keyword benutzen.
Bislang konnte der Markeninhaber einem solchen Handeln Einhalt gebieten, indem er sein Kennzeichen exklusiv bei Google anmeldete und alle Mitbewerber von der Verwendung ausschloss. Dies ist zukünftig nicht mehr der Fall. Google verzichtet auf eine Sperrung im Vorwege. Es reagiert nur noch auf einzelne Beschwerden – und entscheidet dann von Einzelfall zu Einzelfall, ob eine Rechtsverletzung vorliegt und die Anzeige zu löschen ist. Und die ersten offiziellen Äußerungen von Google-Deutschland-Chef Stefan Tweraser deuten darauf hin, dass Google sehr zurückhaltend sein wird, löschungswürdige Markenverstöße anzunehmen.
ZDNet: Soweit die vermutlichen Pläne von Google. Darf aus rechtlicher Sicht somit künftig jeder jeden Begriff buchen?
Martin Bahr: Die Antwort ist ein klares „Nein“. Aus Sicht von Google ist die Änderung der Markenrichtlinie vollkommen legitim und nicht zu beanstanden. Der Werbeinserent sollte sich aber nicht täuschen. Nur weil Google diese Option freigibt, heißt das noch lange nicht, dass sie auch stets legal ist.
Die bisherige Rechtsprechung ist in Bezug darauf sehr schwammig und noch stark in der Entwicklung. Es gibt erste Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs, wonach Keywords nur dann eine Markenverletzung sind, wenn dem Betrachter nicht klar wird, dass die beworbenen Waren und Dienstleistungen nicht vom Markeninhaber, sondern von einem Dritten stammen. Das Stichwort ist hier „Zuordnungsverwirrung“.
Dieser Begriff bleibt aber relativ nebulös, da die Europa-Richter nur sehr abstrakte Ausführungen gemacht haben. Nun obliegt es den nationalen Gerichten, das Ganze mit Leben zu füllen und klare, inhaltliche Kriterien aufzustellen.
ZDNet: Wie sollen sich Werbetreibende nach dem 14. September verhalten?
Martin Bahr: Die neue AdWords-Markenrichtlinie bietet für risikobereite Unternehmer ein neues, enormes Werbepotenzial. Da die Grenzen des rechtlich Erlaubten neu gesteckt werden, kann vieles ausprobiert und getestet werden, ohne dass sofort eine offensichtliche Markenverletzung vorliegt. Das damit verbundene finanzielle Risiko sollte aber jedem klar sein. Der vorsichtige Unternehmer dagegen sollte sich Zurückhaltung auferlegen und bis auf weiteres in Sachen Adwords nichts an seiner Werbestrategie ändern.
ZDNet: Wie sehen Sie die weitere Entwicklung?
Martin Bahr: Es wird zwei große Bereiche geben, die zukünftig rechtlich spannend sein werden. Erstens: Wann liegt diese ominöse „Zuordnungsverwirrung“ denn nun vor? Es spricht vieles dafür, dass diese Frage die Gerichte noch viele Jahre beschäftigten wird. Zumal derzeit der Reset-Knopf gedrückt wurde und wir wieder bei den untersten Gerichten, den Landgerichten, anfangen. Es steht zwar noch eine BGH-Entscheidung aus, aber auch diese wird ganz sicher nicht der Weisheit letzter Schluss sein.
Zweitens: die Mitverantwortlichkeit von Google. Der EuGH hat zwar klare Vorgaben pro Google gemacht. Was aber gilt, wenn ein geschützter Begriff immer und immer wieder von unterschiedlichen Werbeinserenten rechtsverletzend benutzt wird? Kann Google sich dann immer noch auf den Standpunkt zurückziehen, dass es in jedem Einzelfall erst ab Kenntnis reagiert? Es sind also trotz der Entscheidung der EU-Richter noch einige Fragen offen, die genügend Zündstoff für weitere gerichtliche Auseinandersetzungen bieten.
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