Nach Mark Hurd: Hewlett-Packard muss sich neu erfinden

Der in einem peinlichen Skandal abservierte HP-Chef hat den Konzern aus buchhalterischer Sicht erfolgreich durch die Krise geführt. Er gefährdete dabei aber die Kultur und den langfristigen Erfolg des Unternehmens. Sein Nachfolger steht vor einer Herkulesaufgabe.


Unter Mark Hurd kam HP das Wort „invent“ abhanden – nicht nur im Logo (Bild: Hewlett-Packard)

Hewlett-Packard unter der Regie von Mark Hurd, war – von kleineren Ausnahmen abgesehen – schlank, beweglich und im operativen Geschäft effizient aufgestellt. Das Unternehmen hat mehrfach bewiesen, dass es Kosten senken und auch in scheinbar ausgereizten Bereichen die Gewinnmargen noch verbessern kann. Damit konnte es die Analysten immer wieder positiv überraschen.

Das dadurch kaschierte Problem: Mit Excel-Akrobatik und Erbsenzählen kann man solch einen Riesenkonzern zwar erfolgreich durch eine Krise bringen. Und auch ein paar Monate danach noch erfolgreiche Bilanzen vorlegen. Irgendwann kommt aber der Zeitpunkt, an dem die Möglichkeiten der Effizienzsteigerung ausgereizt sind.


Das neue HP-Logo (Bild: Hewlett-Packard).

Dann braucht es Strategien statt Taktik. Mittelfristig sind Vorstellungen davon gefragt, wie man ohne Übernahmen wachsen und ohne Sparfimmel die Bilanz verbessern kann.

So gesehen ist das ungeschickte Stolpern von Hurd über letztendlich lächerlich geringe, falsch gebuchte Spesenabrechnung für ein von ihm angehimmeltes B-Movie-Filmsternchen, für HP sogar ein Glücksfall. Und es wundert kaum, dass angesichts der zahlreichen Ungereimtheiten schon erste Verschwörungstheorien zum Sturz von Hurd durch missgünstige Co-Manager im Internet kursieren. Letzendlich sind die Details aber nebensächlich. Was zählt ist, dass HP einen neuen Chef braucht – und zwar einen komplett anderen, als es bisher hatte.

Problemzone Forschung- und Entwicklung

Denn in einem sind sich fast alle Marktbeobachter und Branchenexperten einig: Hurd beherrschte es meisterhaft, den Betrieb zu optimieren und die Effizienz zu steigern. Das, was HP eigentlich ausmacht und früher auch Teil des Firmenlogos war – das Wörtchen „invent“ – ging dem Konzern unter Hurd aber nicht nur im Logo verloren, sondern auch in der Firmenkultur.


Todd Bradley (Bild: Hewlett-Packard).

Eine gewagte Behauptung? Noch im Februar hat Hurd seine Ansicht zum Bereich Forschung und Entwicklung dargelegt. Kurz zusammengefasst: zuviel Overhead, uneffiziente Prozesse, zu hohe Kosten. Sein Lösungsansatz: Prozesse standardisieren. Ob das in einer Forschungs- und Entwicklungsabteilung wirklich funktioniert, darf bezweifelt werden: Innovation braucht auch kontrolliertes Versagen. Oder wie der Volksmund sagt: Nur aus Fehlern lernt man wirklich.

Kurzfristige Erfolge dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass Hurd mit seiner Sparpolitik auch bei Forschung und Entwicklung (siehe Grafiken unten) die langfristigen Erfolgsaussichten des Konzerns gefährdet hat.

Außerdem sahen Investoren HPs Festhalten am PC-Geschäft immer kritischer – dieses brauchte Hurd aber, um schnell gute Zahlen vorlegen zu können. Auch die fortgesetzten Bemühungen im Consumer-Markt wurden misstrauisch beäugt. Außerdem konnten oder wollten nicht alle institutionellen Anleger die Vorgehensweise bei der EDS-Integration sowie die fortgesetzten Neustrukturierungen gutheißen.


Ann Livermore (Bild: Hewlett-Packard).

Im Vergleich zum Erzrivalen IBM, der die PC-Sparte schon vor Jahren abgestoßen und sich eine Beratungsmannschaft einverleibt hatte, wirkten die Bemühungen bei HP halbherzig. Ein harter Schnitt wurde vermieden, Hurd wollte das eine bekommen, ohne das andere aufzugeben.

Potenzielle Nachfolger aus den eigenen Reihen

Wer könnte die Nachfolge von Mark Hurd antreten? Von den internen Kräften werden von den Wall-Stret-Analysten derzeit vor allem Ann Livermore und Todd Bradley als Kandidaten gehandelt.

Bradley kam 2005 zu HP und ist Vizepräsident der Personal Systems Group, zu der unter anderem PCs, Notebooks und andere mobile Geräte gehören. Da er bei Palm bereits einmal CEO war, weiß er, was in dieser Rolle von einem Manager erwartet wird. Livermore dagegen ist seit 1982 bei HP und wurde schon 1995 Vizepräsidentin. Sie steht derzeit der Enterprise Systems Group vor.

Aber auch externen Bewerbern dürfte kein Mangel herrschen, denn Potenzial hat HP reichlich. Das fängt bei der eigenen, ausnehmend breiten Produktpalette an und geht über einige auch in der restriktiven Ära Hurd angestoßene technologische Entwicklungen bis zur hervorragenden Verankerung in der Kundenbasis und bei den meisten Vertriebspartnern. Außerdem kamen mit 3Com und Palm zwei zwar schwer angeschlagene, aber dennoch als jahrelange Mitgestalter der IT-Branche etablierte Hersteller unter das HP-Dach. Die Aufgabe des neuen Chefs ist es, dieses Potenzial nicht wegzurationalisieren, sondern so zu nutzen, dass HP ein neues Gesicht erhält.


Der Rückgang der Ausgaben für Forschung und Entwicklung in der Ära Hurd in absoluten Zahlen (Grafik: BNET.com)


Der Anteil der Einnahmen, der von Hewlett-Packard in der Ära Hurd für Forschung und Entwicklung ausgegeben wurde, ging noch deutlicher zurück, als die absoluten Zahlen (Grafik: BNET.com)

ZDNet.de Redaktion

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