Vor rund zehn Jahren hatte Sun mit Microsoft schon einmal über ähnliche Vorwürfe gestritten, wie sie jetzt Oracle gegen Google erhebt. Das war damals eine langwierige und in den Medien breit ausgetretene Affäre. Irgendwann ging es dem Management der beiden Firmen wahrscheinlich einfach um´s Prinzip und darum, das Gesicht zu wahren. Als sich herausstellte, dass sich die Waagschale zu Gunsten von Sun neigt, hat Microsoft dann doch nachgegeben und bezahlt.
Bei Oracle gegen Google ist die Lage ähnlich: Beide haben genug Geld und genug Anwälte, um sich jahrelang zu beharken. Ein wesentlicher Unterschied ist jedoch, dass Google eigentlich keine Zeit hat. Die Klage kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt – gerade als Android genug Schwung geholt hat, um den Markt aufzurollen. Eine langwierige Klage, die vielleicht weniger die Endanwender, aber sicherlich die Smartphone-Hersteller verunsichern wird, könnte den Höhenflug abrupt beenden. Davon profitieren würden Apple, wenn denn das nächste mobile Betriebssystem aus Redmond etwas taugt auch Microsoft und vielleicht sogar HP mit seinen Plänen für WebOS.
Google: Ein Hans-Guck-in-die-Luft
Wie konnte das passieren? Wurde Google von der Sun-Übernahem kalt erwischt? Oder hat es, wie bei so vielen seiner anderen Projekte, einfach losgelegt und die im Verteilungskampf der Konzerne immer wichtiger werdenden, rechtlichen und finanziellen Fragen so beiseite gewischt, wie die international völlig unterschiedlichen rechtlichen Regelungen bei seinen Angeboten im Bereich Suche, Anzeigen und Datenerfassung? Letzteres wäre zwar etwas amateurhaft, ist aber wahrscheinlich. Google kann derzeit vor Kraft kaum noch gehen, da stellt sich schnell auch eine gewisse Überheblichkeit ein.
Geht es Oracle wirklich nur darum, seine Patente gegen Google zu verteidigen? Oder ist die jetzt eingereichte Klage nur der Auftakt zu einer ganzen Reihe von Prozessen? In der Berichterstattung und in der Kommunikation durch Oracle wird die Übernahme von Sun heute meist als Versuch beschrieben, ein integriertes Portfolio aus Hard- und Software am Markt zu platzieren. Damit hat Oracle einen der ursprünglichen als wichtigsten angegebenen Beweggründe – Suns enormes Portfolio an Patenten und Rechten – elegant im Hintergrund verschwinden lassen.
IBM und SAP sollten nachdenklich werden
Die Betroffenen wurden dadurch in trügerischer Sicherheit gewiegt. Schließlich untermauert Java nicht nur Oracles eigene Unternehmenssoftware, sondern auch einen guten Teil der von IBM und ist inzwischen auch für den Oracle-Erzrivalen SAP äußerst wichtig. Zahlreiche Beobachter schätzen die Summe, um der es bei dem Streit zwischen Oracle und Google geht, als vergleichsweise gering ein. Auf keinen Fall ist sie so hoch, dass dadurch Googles Geschäftsmodell rund um Android gefährdet wird. Das Schlauste wäre es also für Google, einfach zu bezahlen und den Betrag als Lehrgeld abzuschreiben.
Für andere, von Java abhängige Firmen, wird das schwieriger sein. SAPs CTO Vishal Sakka hatte schon beim Kauf von Sun durch Oracle gefordert, dass die Kontrolle über Java in die Hände einer unabhängigen Organisation gelegt werden müsse. Er sah das als Voraussetzung für fairen Wettbewerb und hielt es im Sinne aller Kunden und der gesamten Branche für wichtig, die nur so von einer lebendigen und innovativen Developer-Community profitieren könne. Aber vielleicht sind Oracle die Wünsche und Forderungen des SAP-CTOs nicht nur völlig gleichgültig, sondern sogar Anlass, genau das Gegenteil zu tun?
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