Amazon muss Kundendaten nicht an Steuerfahnder herausgeben

Ein Bezirksgericht im amerikanischen Bundesstaat Washington hat jetzt festgestellt, dass Onlinehändler Amazon nicht verpflichtet ist, die Daten von 50 Millionen Online-Einkäufen an die Steuerbehörden von North Carolina weiterzugeben. Die Steuerbeamten hatten detaillierte Informationen wie die Namen und Adressen der in North Carolina ansässigen Kunden sowie eine Liste ihrer Einkäufe zwischen 2003 und 2010 verlangt. Laut Gericht verstößt das gegen den ersten Zusatzartikel (First Amendment) der amerikanischen Verfassung, in dem die Menschen- und Bürgerrechte festgehalten sind.

Die Entscheidung kam im Schnellverfahren ohne eigentlichen Prozess zustande. Ein solches Schnellverfahren ist nach amerikanischem Recht möglich, wenn die Fakten des Falls und die Rechte der Streitparteien offensichtlich sind und nicht erst in einem Prozess geklärt werden müssen.

Die Anfrage der Steuerfahnder sei zu weitreichend gewesen. Sie hätten „keinen legitimen Bedarf“ an Informationen über die literarischen, musikalischen oder cineastischen Vorlieben so vieler amerikanischer Staatsbürger, schrieb die Richterin. „Trotzdem wollte North Carolina nicht auf detaillierte Informationen über die Einkäufe der Amazon-Kunden verzichten. Man hat vielmehr die Identitäten der Kunden und wohl auch detaillierte Aufzeichnungen ihrer Einkäufe verlangt, zu denen auch die expliziten Inhalte gehörten.“

Amazon hatte den Finanzbeamten anonymisierte Informationen darüber angeboten, welche Waren an welche Postleitzahlen geschickt wurden. Das war jedoch nicht genug. Der Bundesstaat North Carolina hatte mit einer Klage gedroht, falls der Onlinehändler nicht die Namen und Adressen preisgebe, die zu den einzelnen Bestellungen gehörten. Dabei ging es den Behörden darum, von den Amazon-Kunden Gebrauchssteuern zu kassieren, die diese möglicherweise nicht gezahlt hatten.

Da Amazon keine Büros oder Lager in North Carolina hat, ist das Unternehmen nicht verpflichtet, die üblichen 5,57 Prozent Mehrwertsteuer auf die Lieferungen zu kassieren. Das örtliche Finanzamt hatte die Bürger aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die sogenannte Gebrauchssteuer auch auf alle Waren gezahlt werden müsse, die per Post „gekauft oder empfangen“ wurden. Der ganze Rechtsstreit war aus einer routinemäßigen Überprüfung der Mehrwert- und Gebrauchssteuerabrechnung bei Amazon durch das Finanzamt von North Carolina entstanden.

Die Richterin ließ die Möglichkeit für die Beamten offen, eine neue, weniger detaillierte Anfrage an den Online-Händler zu schicken. Allerdings müsse man zuvor die bisher gesammelten Daten vernichten: „Das durch dieses Feststellungverfahren festgelegte Recht verbietet nicht, eine erneute Anfrage zu schicken, bei der es lediglich um Namen und Adressen von Amazon-Kunden und allgemeine Produktinformationen geht – immer angenommen, dass der Staat alle Detailinformationen löscht, die er gegenwärtig besitzt.“

Die Bürgerrechtsbewegung American Civil Liberties Union (ACLU) hatte in dem Rechtsstreit interveniert und auf eine noch weitreichendere Entscheidung gegen die Steuerbehörde plädiert. Das Gericht solle Amazon verbieten, ohne vorherige Strafandrohung Daten über die Einkäufe weiterzugeben. Das lehnte das Washingtoner Gericht aber ab.

Amazon hatte seine Klage im April eingereicht, nachdem die Verhandlungen mit den Steuerbeamten an einen toten Punkt geraten waren. Keine der beiden Parteien war bislang für eine Stellungnahme erreichbar.

Zur Zeit denken mehrere amerikanische Staaten über neue Wege nach, Steuern von Onlinehändlern einzutreiben. Amazon wartet noch in einer ähnlichen Klage gegen den Staat New York auf eine Entscheidung. Der Bundesstaat Kalifornien will Online-Händler dazu verpflichten, die Gesamtsumme aller Einkäufe ihrer Bürger an die Behörden zu melden.

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ZDNet.de Redaktion

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