Amazon, Apple, Google, Ebay, vielleicht noch Dell, Hewlett-Packard, IBM, Microsoft, Oracle, Symantec – bei dem einen oder anderen noch Cisco – wären wohl die spontanen Antworten, wenn man nach den wichtigen und erfolgreichen IT-Firmen fragt. Möglicherweise fällt manchem auch noch Samsung ein – oder, wenn er schon an sein Handy denkt – Nokia. Arbeitet er im Büro, könnte auch SAP vorkommen. Fazit der imaginären Miniumfrage: US-Firmen dominieren die IT-Welt.
Aber: Das stimmt so gar nicht, sagt jetzt die Unternehmensberatung Roland Berger nach einem Vergleich der Geschäftserfolge europäischer und nichteuropäischer Anbieter auf dem Markt in Europa – zumindest nicht im B2B-Geschäft. Bei der Entwicklung von Umsatz und EBITDA schneiden europäische Firmen im Zeitraum von 1998 bis 2007 deutlich besser ab als ihre US-amerikanischen Wettbewerber. Auch im Vergleich zu den japanischen Firmen stehen sie gut da: Deren Umsatzwachstum ist zwar größer, aber sie hinken beim EBITDA-Wachstum hinterher.
„Europäische IT-Anbieter betrachten sich oft noch selbst als zweitklassig im Markt und versuchen, ihre vermeintlich fortschrittlicheren Wettbewerber aus den USA oder Indien zu kopieren“, sagt Carsten Rossbach, Partner bei Roland Berger. „Dazu besteht aber kein Grund: Die europäischen Unternehmen sind viel besser als ihr Ruf.“ Das Geheimnis des Erfolges sei der vermeintliche Nachteil: Das gute Abschneiden der europäischen Unternehmen beruhe vor allem auf der spezifisch europäischen Art der Unternehmensführung.
Die spezifisch europäische Unternehmens-DNA
„Wir führen den Erfolg der europäischen IT-Anbieter auf die spezifisch europäische ‚Unternehmens-DNA‘ zurück“, sagt Markus Puttlitz, Projektmanager bei Roland Berger. Europäische Anbieter hätten außerdem oft eine ausgeprägte technische Expertise im Verkauf, was Vertrauen schaffe. „US-amerikanische Anbieter sind beispielsweise eher abschlussorientiert, die Europäer wirtschaften dagegen eher technik- und beziehungsorientiert. Ihr Kernziel ist es, eine durch Vertrauen und Zuverlässigkeit geprägte langfristige Kundenbeziehung aufzubauen. Dabei machen sie eher konservative Versprechungen, die sie dann lieber übererfüllen.“
Anbieter nichteuropäischen Ursprungs würden dagegen oft mit aggressiven Versprechungen werben. „Natürlich bietet auch die Unternehmens-DNA nichteuropäischer Anbieter Vorteile: Sie sind häufig führend bei Geschwindigkeit und Innovation, deutlich flexibler und eher bereit, auf Markttrends zu reagieren“, sagt Julia Daecke, Projektmanagerin bei Roland Berger. „Europäer nutzen ihre insgesamt langfristigere Strategie einschließlich Mitarbeiterbindung und -entwicklung als Vorteil. Die CEOs sehen sich eher als Themenführer, nicht als Verkäufer wie in amerikanischen Firmen. Sie verfolgen die Strategie des Ausbaus von Kernkompetenzen und konzentrieren sich zum Beispiel auf Bestandsmärkte und -kunden.“
Europäer sollen ihr Licht nicht unter den Scheffel stellen
Unterm Strich empfehlen die Unternehmensberater europäischen IT-Anbietern, ihre spezifisch europäischen Stärken weiter auszubauen und gleichzeitig von den Stärken der außereuropäischen Wettbewerber zu lernen. „Bestimmte Charakteristika der nichteuropäischen Unternehmens-DNA etwa ‚Verkäufer‘ als Top-Manager, der Pragmatismus bei der Entwicklung von Lösungen, die innovative Denkweise sowie die hohe Flexibilität, haben Vorbildcharakter auch für europäische IT-Provider“, so Markus Puttlitz.
Vor diesem Hintergrund muss die Frage erlaubt sein, ob die jüngst beobachtete Internationalisierung in der höchsten Ebene europäischer IT-Firmen durch das Anwerben von US-Managern der richtige Weg ist. Bei SAP steht Bill McDermott mit dem Dänen Jim Hageman Snabe immerhin ein Europäer zur Seite. Und dem Ex-Microsoft-Mann Stephen Elop kann aufgrund seiner erst kurzen Zeit bei den Finnen wohl kaum Verantwortung für die Schwierigkeiten des Unternehmens angelastet werden. Offen ist auch, ob und wie Jane Gilson als COO bei Microsoft Deutschland kulturelle Veränderungen bringen wird.
Es wäre aber doch zu überlegen, ob US-Manager nur die von Roland Berger angemahnte frische internationale Brise in die Firmen bringen. Oder sind sie doch so tief in ihrer Unternehmenskultur verhaftet, dass sie gar nicht anders können, als das bekannte Rezept Firmen vorzusetzen, denen es weder schmeckt noch bekommt?
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