Als vor 25 Jahren Microsoft Windows 1.0 präsentiert hat, hat sicher kaum jemand geahnt, welche Bedeutung dieses Ereignis für das daran anschließende Vierteljahrhundert haben würde. Andere Nachrichten schienen damals wichtiger. Etwa das Gipfeltreffen von Gorbatschow und Reagan in Genf, das eine gemeinsamen Erklärung hervorbrachte, in der es heißt, „dass ein Atomkrieg nicht gewonnen werden kann und niemals ausgefochten werden darf“.
Große Hoffnungen ruhten auch auf Europas erstem Wellenkraftwerk in Norwegen, einer jungen Band namens A-ha aus dem skandinavischen Land, die sich mit dem Lied „Take on me“ die ersten Sporen verdiente, sowie Werder Bremen, das eine prima Saison spielte und dessen Spieler Manfred Burgsmüller im November ein auch heute noch sehenswertes Tor des Monats erzielte.
Was blieb davon?
Das Wellenkraftwerk hielt einem Sturm im Jahr 1988 nicht stand und versank im Atlantik. Werder Bremen hielt am letzten Spieltag der Saison den Angriffen des VfB Stuttgart nicht stand und musste sich wegen der schlechteren Tordifferenz hinter dem FC Bayern, der zeitgleich Mönchengladbach mit sechs zu null abfertige, mit dem zweiten Platz zufrieden geben. A-ha hielt noch am längsten durch und besuchte seine inzwischen etwas reiferen Fans dieses Jahr im Zuge einer Abschiedstournee.
Windows dagegen hat bisher allen Stürmen standgehalten und in Redmond denkt man noch lange nicht an eine Abschiedstournee. Bei allem Respekt vor dem von Bill Gates mit Windows erreichtem muss aber dennoch die Frage erlaubt sein: Wie lange noch?
Derzeit in seiner siebten Hauptversion, ist Windows weltweit auf 9 von 10 PCs installiert, wird auf 70 Prozent der Server genutzt, und Gates ist nicht nur der reichste Amerikaner, sondern war bis vor kurzem auch der reichste Mann der Welt. Microsoft ist vor allem dank Windows die größte Softwarefirma der Welt und hat sein Produktportfolio angefangen von Mäusen, Tastaturen und Spielkonsolen, über Mobiltelefone bis zu Standardsoftware und Datenbanken für Unternehmen ausgeweitet.
Risse in der Windows-Welt
Aber nach 25 Jahren gibt es auch einige Risse in der Windows-Welt – einige selbstverschuldete, einige das Ergebnis des über lange Jahre wahrscheinlich zu großen Erfolgs. Viele Jahre schien Microsoft unverletzlich und vor allem unbesiegbar. Das hat sich geändert. Wettbewerber wie Apple, die einst lediglich ein kleines, kurzes Blinken auf dem Radar hervorriefen, erfreuen sich inzwischen eines enormen Zuspruches. Die Zahl an verkauften Rechnern, auf denen kein Windows läuft, nimmt rasant zu: Laut IDC steigerte Apple seine Computerverkaufszahlen im dritten Quartal 2010 achtmal so schnell wie seine PC-Mitbewerber.
Außerdem gibt es starke Anzeichen dafür, dass neue Formfaktoren wie das iPad die Verbraucher immer häufiger darüber nachdenken lassen, ob sie sich etwas traditionelleres wie ein Notebook überhaupt noch anschaffen sollen. Und dann ist da noch das Damoklesschwert namens Chrome OS, etwas, das Bill Gates in einem Interview mit CNET im vergangenen Jahr zwar mit Linux gleichsetzte, dass aber – wenn es wie geplant demnächst auf den Markt kommt – weitaus gravierendere Auswirkungen auf den Verkauf von Windows PC haben könnte.
Noch fällt Microsoft nicht „der Himmel auf den Kopf“. Aber das Jahr des 25sten Windows-Jubiläums könnte sich rückblickend als einer der wichtigen Wendepunkte in der Firmengeschichte erweisen. In einer Phase, in der die Führung – auch die geistige – des Konzerns endgültig von Bill Gates auf Steve Ballmer übergeht, muss Microsoft seine Schnitzer vor allem im mobile Markt wieder ausbügeln und bald eine schlüssige Strategie vorlegen, wie es Kunden an sich binden will, die langsam aber sicher zu immer mehr Anwendungen in der Cloud hin abwandern.
Windows als Plattform hat aber auch mit anderen Schwierigkeiten zu kämpfen – trotz oder gerade wegen der immer noch dominierenden Position. Kunden 25 Jahre lang immer wieder zu neuen Ufern mitzunehmen ist natürlich nicht einfach gewesen. Für Generationen von alter und veralteter Software muss es irgendeinen Upgrade-Pfad geben. Dadurch muss ein Unternehmen, desto größer es wird, desto mehr Ballast mit sich herumschleppen. Und die Enttäuschung über Vista kommt als Extrageweicht noch dazu.
Microsoft hat die Deutungshoheit darüber verloren, was ein PC ist
Noch schwerer wiegt aber, dass Microsoft die Deutungshoheit darüber verloren hat, was genau ein Personal Computer ist. Ist es immer noch ein Desktop oder ein Notebook auf Grundlage von Intels allgegenwärtiger x86Achitektur mit Windows als Betriebssystem? Oder doch etwas anderes? Ist der wahre „persönliche Computer“ heute ein Smartphone? Oder doch eher so etwas wie das iPad? Oder sind alle der genannten „persönliche Computer“? Läuft ein PC mit einem x86-Prozessor oder der immer populärer werdenden ARM-Architektur? Und kann es Microsoft überhaupt noch schaffen, diese immer heterogener werdende Welt zu kontrollieren?
Ein radikaler Wechsel bei Windows dürfte sehr schwer sein – wahrscheinlich zu schwer. Es handelt sich schließlich um ein Produkt, dass immer noch in einer Art und Weise genutzt wird, die durch den Formfaktor vorgegeben wird. Microsofts Neuanfang mit Windows Phone 7 ist sicher ein Zeichen, dass sich die Firma nicht davor fürchtet auch grundlegende Veränderungen vorzunehmen. Die große Frage ist, wie sich vergleichbares bei einem Monster-System wie Windows umsetzen last – wo eine der wichtigsten Stärken immer noch die große Zahl an Anwendungen ist, etwas, das man nicht leichten Herzens über Bord wirft.
Das führt zu einem anderen Problem. Indem Entwickler Anwendungen zunehmend in die Cloud bringen, wird die Frage, welches Betriebssystem verwendet wird, immer unwichtiger. Immerhin Microsoft entwickelt sich auf der anderen Seite auch gut: Der Lizenzvertrieb für Server-Software läuft gut und auch die Plattform Windows Azure wird gut angenommen – aber das ist trotzdem nur die halbe Miete. Werden sich Entwickler nach wie vor um eine Plattform wie Windows bemühen, oder doch eher auf das Web konzentrieren, so dass ihr Produkt oder Dienst von jeder Plattform genutzt werden kann? Die Frage wird sich in den nächsten Jahren entscheiden. Sicher ist, das bei einem Rückblick auf die möglichen nächsten 25 Jahre von Windows die Veränderungen weitaus erheblicher sein werden – wenn sich dann außer Informatikhistorikern überhaupt noch jemand daran erinnert.
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