Vergangene Woche fand in Paris bereits zum siebten Mal die Technologiekonferenz Le Web statt. Die Veranstaltung wird hierzulande unterschätzt. Über die Gründe kann man nur spekulieren. Entweder traut man den Franzosen im Internet nicht viel zu – was falsch wäre, da es sich um eine wahrhaft internationale Veranstaltung handelt. Vielleicht ist auch die Auswahl der – fast ausschließlich französischen – Medienpartner daran schuld, dass wenig darüber berichtet wird.
Möglicherweise haben potenziell Interessierte aber vieles von dem, was die durchaus hochkarätigen Sprecher dort präsentieren, aber auch schon einmal anderswo gehört oder gelesen. Oder – und dazu müsste man die Münchner Messe mit ihrem Versuchsballon Discuss&Discover einmal befragen – ist das Interesse an Web-Gurus in Deutschland einfach etwas gedämpfter.
Daher soll hier auch gar nicht lang und breit Bekanntes wiederholt werden. Auf alle Fälle neu sind bei Le Web jedes Jahr die Firmen, die Anerkennungspreise als Start-ups erhalten. Diesmal wurden vier Preise vergeben: Einer für Viralität, einer für Originalität, einer für besonders innovative Technologie und ein Publikumspreis. Die Sieger kommen 2010 aus der Schweiz, Israel und Frankreich.
Deutscher Beitrag: Greenpocket
Greenpocket und CES aus Deutschland kamen zwar in die engere Auswahl, erhielten aber letzendlich keinen Preis. Phonedeck ist eine Anwendung für Smartphone-Power-Nutzer. Sie hilft Anrufe auf dem richtigen Weg entgegenzunehmen und zu tätigen. Außerdem sorgt sie selbständig dafür, dass Adressbücher dann, wenn das Smartphone mit dem PC verbunden ist, aktualisiert werden. Dazu sucht sie in Outlook, Facebook, Google Mail und LinkedIn nach Veränderungen.
Greenpocket entwickelt Software zur Interpretation und Visualisierung der Verbrauchsdaten von Smart-Meter-Lösungen. Bereits ein gutes halbes Dutzend Energieversorger ganz unterschiedlicher Größe zählen zu den Kunden. Diese können mit Greenpocket für ihre Kunden auf unterschiedlichen mobilen Geräten die Vorteile von Smart Metering sichtbar machen. Die Lösung ist interessant und ein Blick auf die Firmenwebsite lohnt sich – sie hat aber sicher nicht die Kraft, unser Verständnis vom Web, wie wir es heute kennen, revolutionär zu verändern.
Ob die vier ausgezeichneten Firmen das schaffen, steht ebenfalls noch in den Sternen. Deren Ansätze sind es jedoch allemal wert, hier kurz vorgestellt zu werden. Besucher und Jury hatten letzendlich unter 16 Vorschlägen zu wählen, eingereicht worden waren ursprünglich über 400.
Die Twitter-Zeitung
Den Preis für die viralste Lösung erhielt Paper.li der Schweizer Firma Small Rivers. Der kostenlose Dienst richtet sich an Twitter-Nutzer. Für sie stellt er aus den eigenen Tweets sowie der von Personen, denen man folgt, täglich einmal individuell eine „Zeitung“ zusammen. Durch die Integration von Fotos und Videos sieht die personalisierte Seite recht ansprechend und lebhaft aus. Wer will, kann die öffentlich zugängliche Seite automatisiert per Tweet bewerben. Das Ganze läuft manchmal noch etwas holprig, die Schweizer lassen sich dadurch aber keineswegs bremsen: Sie arbeiten bereits daran, das Konzept auch für Facebook-Nutzer anzubieten.
Pac Man für Autofahrer
Den Technologiepreis hat sich das israelische Unternehmen Waze gesichert. Es handelt sich dabei um eine soziale Navigationssoftware für GPS-fähige Smartphones, die Nutzern den für sie jeweils besten Reiseweg vorschlägt. Grundlage dafür sind ausschließlich die Reiseinformationen anderer Nutzer. Um Netzwerkmitglieder dazu zu bringen, sich auf Wege zu begeben, über die keine Informationen vorliegen, locken auf der Karte kleine Kuchen.
Wichtig für das Pac-Man-Spiel für Autofahrer ist es sicherlich, schnell eine ausreichend große Menge an Nutzern zu gewinnen, um auf dieser Grundlage halbwegs verlässliche Informationen zu liefern. Investoren glauben, dass das möglich ist. Sie haben kürzlich immerhin 25 Millionen Dollar aufgebracht, um die Firma bei ihrer Expansion zu unterstützen.
Promidinner für Nicht-Promis
Den Preis für den originellsten Ansatz hat – wie könnte es in Frankreich anders sein – ein Portal bekommen, dass sich mit dem Essen beschäftigt. Es heißt Super Marmite (zu Deutsch etwa „Super-Kochtopf“) und ist eine Version des „Perfekten Promidinners“ für Nicht-Prominente: Super Marmite will Amateurköche und Liebhaber einer „vielfältigen, gesunden, mit Liebe zubereiteten Küche“ zusammenbringen.
Dazu veröffentlichen die Amateurköche die von ihnen geplanten Gerichte samt Termin und Preis. Über eine Karte nach dem Prinzip von Google Maps lassen sich diese heraussuchen und bestellen. Das Projekt wurde im Mai dieses Jahres gestartet und wird von der Microsoft-Gründerinitiative BizSpark in Frankreich unterstützt.
Die Site ist bislang nur in französischer Sprache verfügbar. Das Geschäftsmodell erschließt sich zumindest nicht auf den ersten Blick – wahrscheinlich will sich Super Marmite über Werbung finanzieren, möglicherweise nicht nur auf dem Portal, sondern auch im Zuge der Weiterverwendung der Daten seiner Mitglieder.
Jeder sein eigener Autovermieter
Den Publikumspreis bekam Deways. Dabei handelt es sich um ein Car-Sharing-Portal, über das Privatleute ihr Auto gegen Entgelt anderen zur Nutzung überlassen können. Die Zahlung wird über Deways abgewickelt. Die Site ist derzeit in französicher und englischer Sprache verfügbar. Die Preise liegen bei rund vier Euro pro Tag. Das klingt gut, aber es ist schwer, für kleinere Städte ein mietbares Auto zu finden, derzeit scheinen in Europa nur 76 Wagen in der Datenbank zu sein. Auch hier gilt also: Die Idee ist zwar gut, aber wenn das Prinzip nicht schnell viele Anhänger findet, wird es schwierig sein, das Projekt langfristig profitabel zu betreiben.
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