Microsofts unendliche Geburtswehen bei Windows-7-Tablets

Die New York Times will von Personen, die mit Microsofts Plänen vertraut sind, erfahren haben, dass Steve Ballmer auf der Consumer Electronics Show (CES) Anfang Januar eine Reihe von Tablets von Partnern vorstellen will. Das klingt ganz danach, als ob man in Redmond für die Messe 2011 das Konzept vom Januar 2010 nochmal aus der Schublade (oder dem Sharepoint Server) gezogen hat – nur dass diesmal laut Informant der New York Times Samsung und Dell statt Archos, Hewlett-Packard und Pegatron mit auf der Bühne sein werden.

Im Januar dieses Jahres hatte Ballmer in seiner Ansprache ebenfalls einige Modelle von Partnern vorgestellt. Der Schwerpunkt lag dabei auf einem Prototyp des später als HP Slate 500 verkauften Geräts. Allerdings machte das bis zur Markteinführung im Herbst nochmal eine erhebliche Wandlung durch, sowohl was Design und Ausstattung als auch die Kundenzielgruppe anbelangt.

Drei Wochen nach dem Verkaufsstart war HPs viel diskutiertes Windows-7-Tablet Slate ausverkauft. Als Erfolgsmeldung muss man das nicht werten: Angeblich hat HP 9000 Bestellungen erhalten, aber nur 5000 Stück produziert. Apple hat dagegen binnen vier Wochen vom iPad eine Million Stück verkauft. Hätte HP alle Bestellungen erfüllen können, wäre das dennoch weniger als ein Prozent der iPad-Verkäufe gewesen. Echte iPad-Killer sehen anders aus.

Interessant ist, welche Wirkung das iPad auf das Management in Redmond gehabt hat. Anfangs wurde es als verkrüppelter PC verspottet. Angesichts des Erfolgs wurde dann in Aussicht gestellt, dass Microsoft und seine Partner quasi jederzeit zahllose iPad-Wettbewerbsprodukte auf den Markt werfen könnten. Später wurde das Wörtchen „jederzeit“ relativiert: Auf der Computex im Juni schwärmten Microsoft-Vertreter von den im Herbst auf den Markt kommenden Geräten. Während der Microsoft-Partnerkonferenz im Juli versprach Ballmer Windows-7-Tablets noch „rechtzeitig für das Weihnachtsgeschäft“.

Nachdem Intel die Roadmap für seine Prozessorfamilie Oak Trail vorgestellt und anschließend präzisiert hatte, wies Ballmer mehrfach darauf hin, dass Oak Trail eine der Schlüsselkomponenten der Windows-Tablets ist. Kennt man den Intel-Zeitplan, kann man sich also an fünf Fingern abzählen, dass sie nicht vor dem zweiten Quartal 2011 auf den Markt kommen. Oder aber vielleicht auch erst „rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft“ – dann eben im nächsten Jahr.

Damit würde Microsoft Apple um fast zwei Jahre hinterherhinken. Es wird schwer, diesen Vorsprung aufzuholen. Zumal bis Mitte kommenden Jahrs auch die Experimente der Hersteller mit Android-Tablets weiter fortgeschritten sein werden. In diesem Herbst haben Lenovo und LG ihre angekündigten Android-Tablets noch einmal verschoben. Grund könnte sein, dass Google selbst den Tatendrang der Hardwarehersteller gebremst hat: Android sei noch nicht reif. Mit den Tablets aus Asien wird jedoch im Frühjahr 2011 gerechnet. Bis dahin ist aller Voraussicht nach auch RIMs Playbook verfügbar.

Ein Teil der Microsoft-Probleme sind hausgemacht. Sie lassen sich zum großen Teil daran festmachen, das Ballmer hartnäckig an Windows 7 als Betriebssystem festhält. Apples iOS reagiert auf die Eingaben des Anwenders blitzschnell, kann auf den stromsparenden ARM-CPUs eingesetzt werden, was lange Akkulaufzeiten ermöglicht, und ist einfach zu bedienen. Außerdem sind die bereitstehenden Anwendungen konsequent auf Fingerbedienung ausgelegt.

Windows 7 reagiert dagegen deutlich langsamer, benötigt schnellere x86-CPUs mit höherem Stromverbrauch und bringt als ein über Jahre gewachsenes System eine relativ komplexe Bedienung mit sich. Trotz Multitouch-Unterstützung und Verbesserungen bei der Fingerbedienung können weder das System noch die Anwendungen dafür verleugnen, dass sie für die Maus optimiert sind. Vorschlägen, das Windows Phone 7 für Tablets zu optimieren, erteilte der Microsoft-CEO eine Absage. Dabei böte es eine wesentlich bessere Ausgangsposition als Windows 7, um Apple ernsthaft Konkurrenz zu machen.

Angesichts dieser Lage ist es kein Wunder, dass sich die Finanzanalysten um Microsoft Sorgen machen. Aus ihrer Sicht kam der Konzern 2010 aufgrund des Interesses an Windows 7 gerade noch einmal mit einem blauen Auge davon. Nächstes Jahr werde das schwieriger: Desto mehr sich die Kauflust von Firmen und Konsumenten auf mobile Geräte verlagert, desto schwieriger wird es für Redmond. Und von Cloud Computing mit seinem komplett anderen, für Microsoft ungewohntem und schwer zu handhabendem Ertragsmodell, wurde noch gar nicht gesprochen …

ZDNet.de Redaktion

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