Beim Thema Telefonieren über das Internet (VoIP) denkt man normalerweise zuerst an Skype. Der Client ist einfach aufzusetzen, technische Probleme sind selten, Skype-Nutzer telefonieren untereinander kostenlos und außerdem ist es sicher: Zum Abhören eines verschlüsselten Gespräch muss die sogenannte Quellen-TKÜ eingesetzt werden. Das ist nichts anderes, als ein Bundestrojaner mit der Beschränkung, ausschließlich Gespräche mitzuschneiden und andere Teile der Privatsphäre, etwa Dateien auf der Festplatte, in Ruhe zu lassen.
Nicht immer ist jedoch Skype die ideale Lösung. Gespräche ins öffentliche Telefonnetz sind relativ teuer. Zudem blockieren einige Mobilfunkanbieter die Skype-Nutzung – sei es technisch oder durch ihre AGB – obwohl sie sich damit in einer rechtlichen Grauzone bewegen.
Als Alternative bietet sich SIP-Telefonie an. SIP (Session Initiation Protocol) ist ein offener Standard, der in vielen Bereichen zum Einsatz kommt. Wer einen "Telefonanschluss" für Daheim bestellt, bekommt meist einen SIP-Anschluss – möglicherweise ohne es zu wissen. Der Grund liegt unter anderem darin, dass die Deutsche Telekom ihren Mitbewerbern Teilnehmeranschlussleitungen (TALs) "entbündelt" anbieten muss. Für einen DSL-only-Anschluss zahlt der Mitbewerber weniger als für einen kombinierten DSL-/Telefonanschluss.
Um Telefonie via SIP ins öffentliche Telefonnetz zu nutzen, ist es nicht unbedingt erforderlich, dass man sich bei einem SIP-Provider im Internet anmeldet. Wer einen geeigneten NAT-Router besitzt, etwa eine Fritzbox mit aktueller Firmware, kann sich über das Internet an den heimischen Telefonanschluss anmelden und unterwegs mit dem Smartphone oder dem Laptop Gespräche führen. Dabei kann man von einer Flatrate profitieren. Außerdem ist man so unterwegs über seine Festnetznummer erreichbar, was viele Anrufer zu schätzen wissen.
An kostenlosen Software-SIP-Telefonen mangelt es nicht. Sie sind für PCs und viele Smartphones verfügbar, etwa mit iOS und Android. Unter Windows Phone 7 ist es Entwicklern nicht möglich, SIP-Clients zu entwickeln, da Microsoft weder TCP- noch UDP-Sockets erlaubt.
Das SIP-Protokoll ist nicht unproblematisch, wenn NAT im Spiel ist. Da jedoch mittlerweile alle modernen NAT-Router nach dem Full-Cone-NAT-Prinzip arbeiten können, haben sich die meisten Probleme erledigt. Es bleibt die Kleinigkeit, dass die Verbindungskontrolle auf einem anderen Port läuft als die Gesprächsnutzlast, bestehend aus Audio und eventuell Video. Das führt dazu, dass ein NAT-Router die Portzuordnung auf dem Kontrollport beendet, weil eine gewisse Zeit nichts übertragen wurde.
Dieses Problem lösen moderne SIP-Telefone und -Programme, indem sie einen SIP-Ping (auch Keep-alive genannt) schicken. Dabei wird regelmäßig, meistens alle 30 Sekunden, der String "hello" übertragen. Für SIP hat das keine Bedeutung, am NAT-Router führt das dazu, dass die Portzuordnung zwischen privater und öffentlicher Adresse bestehen bleibt.
Anders als bei Skype haben Nutzer mit einem SIP-Client oft Schwierigkeiten, sich bei einem Provider oder an der heimischen Fritzbox anzumelden. Daran sind die Protokollentwickler nicht ganz unschuldig. So gibt es etwa zwei verschiedene Benutzernamen: Einen, den man zur Anmeldung benötigt, ein zweiter bestimmt die SIP-Adresse, unter der man telefoniert beziehungsweise erreichbar ist.
Zu allem Überfluss werden die Parameter, die man zur Anmeldung benötigt, nicht einheitlich benannt. Der zweite Benutzername wird oft auch als Telefonnummer bezeichnet, obwohl er alphanumerisch ist. Oft hilft nur ausprobieren, bis man eine Verbindung mit seinem Peer erreicht hat.
X-Lite
X-Lite gilt als Standard-Programm unter den SIP-Telefonen. Das hat den klaren Vorteil, dass man für viele VoIP-Provider und NAT-Router Anleitungen im Web findet, wie das Programm exakt zu konfigurieren ist.
Die aktuelle Version 4.0 ist für Windows und Mac OS verfügbar. Für Linux existiert eine ältere Version 2.0, die jedoch auf den meisten aktuellen Distributionen mangels Kompatibilität mit den Libraries nicht läuft.
Dem kostenlosen X-Lite fehlen im Gegensatz zu den kostenpflichtigen Lösungen des Herstellers, Bria und eyeBeam, zahlreiche Features. So kann man sich maximal bei einem VoIP-Provider beziehungsweise einem Heimrouter anmelden.
Obwohl zwei Leitungen vorhanden sind, kann man keine Konferenz führen, sondern nur makeln. Auch sind keine verschlüsselten Gespräche mit SRTP oder TLS möglich. Die eingeblendete Werbung ist jedoch wenig aufdringlich. Wer sein X-Lite auf die Taskleiste verbannt, sieht gar keine Werbung.
Sipdroid
Sipdroid ist eine quelloffene Client-Software für Android-Handys. Sie ist als Telefonieprovider für die Standard-Telefon-Anwendung in Android realisiert. Normalerweise sieht man nichts weiter als einen kleinen grünen Punkt in der Statusleiste oben. Der zeigt an, dass eine Verbindung zu einem VoIP-Provider oder dem heimischen Telefonanschluss besteht.
Das Programm lässt sich so konfigurieren, dass es nur dann aktiv ist, wenn eine WLAN-Verbindung besteht. Calls über UMTS und HSPA sind technisch ebenfalls möglich, aber eventuell durch den Mobilfunkanbieter verboten. Ferner ist die Gesprächsqualität über HSPA oft nicht sehr gut, was auf hohe Latenz und Jitter im Mobilfunknetz zurückzuführen ist.
Wer ein schnelles Android-Smartphone ab etwa 500 MHz Taktfrequenz besitzt, hat in der Regel mit WLAN keine Probleme. Meldet man sich an seinem Heimrouter an, kann das Telefon wie ein DECT-Telefon am Festnetzanschluss genutzt werden – überall wo WLAN-Empfang besteht.
Wer in sein eigenes Mobilfunknetz besonders günstig oder kostenlos telefoniert, kann Regeln einrichten, dass solche Gespräche immer über die SIM-Karte und nicht über VoIP geführt werden. Zudem kann jeder Telefonnummer ein "+"-Zeichen angefügt werden, um über das Mobilnetz zu telefonieren. Wer sich kostenlos bei pbxes.org registriert, hat außerdem die Möglichkeit, Skype-Nutzer zu erreichen.
Das Programm unterstützt auch Video-Telefonie. Sinnvoll ist das in der Regel jedoch nur, wenn man eine zweite Kamera besitzt. Das Video zeigt, wie es funktioniert.
Fritz!App
Fritz!App ist eine Lösung speziell für die Nutzer einer Fritzbox. Mit anderen Homeroutern funktioniert das Programm nicht. Es basiert auf Sipdroid, ist aber einfacher zu konfigurieren. Zudem ist die App in der Lage, spezielle Features zu nutzen. Dazu gehört beispielsweise das Fritzbox-Telefonbuch. Außerdem kann man auf die Anruflisten zurückgreifen.
Allerdings funktioniert Fritz!App nicht von unterwegs. Es meldet sich nur an Fritzboxen an, die es im lokalen WLAN findet. Damit lässt sich das Smartphone nicht überall als DECT-Ersatz verwenden. Über UMTS und HSPA funktioniert das Programm ebenfalls nicht.
Die App ist für iOS und Android verfügbar. Sie kann in den jeweiligen AppStores heruntergeladen werden.
Die Software ist ideal für alle, die ihr Smartphone nur zu Hause als DECT-Ersatz nutzen wollen. Dafür hat man nahezu keinen Aufwand mit der Konfiguration. Das Programm findet die Fritzbox automatisch. Nach der Anmeldung kann man sofort lostelefonieren.
Fring
Fring ist eine App, die für sehr viele mobile Betriebssysteme verfügbar ist, unter anderem Android, iOS, Symbian und Windows Mobile. Bei letzterem ist jedoch festzustellen, dass wegen dem bescheidenen Threading-Modell von Windows Mobile keine gute Sprachqualität zu erzielen ist.
Fring dient nicht nur zur Audio- und Videotelefonie über SIP, sondern ist auch ein Chat-Programm. Dabei werden Dienste wie Windows Live, Google Talk, Yahoo, Facebook, AIM und last.fm unterstützt.
Allerdings muss man sich mit einem eigenen Fring-Account registrieren. Anschließend lässt sich SIP als Dienst über ein Webinterface hinzufügen. Danach kann man einen beliebigen SIP-Provider wählen.
Die Konfiguration ist etwas umständlich für jemanden, der einfach nur sein Smartphone für günstige VoIP-Gespräche oder als Ersatz für ein DECT-Telefon nutzen möchte. Allerdings hat es den Vorteil, dass es für viele Mobilfunkbetriebssysteme verfügbar ist. Auf der Downloadseite gibt es einen Wizard, der für zahlreiche Handy-Modelle die richtige Version von Fring findet.
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