„Fliegender Gerichtsstand“ gilt nicht bei Online-Verletzungen des Persönlichkeitsrechts

Bei dem Kläger handelte es sich um eine in Deutschland prominente Person. Diese ging gegen das Online-Portal 1&1 vor, auf dem ein persönlichkeitsrechtsverletzender Artikel erschienen war. Das Portal hatte den Artikel von einer großen deutschen Tageszeitung übernommen.

Es gab zwar eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, erstattet die Abmahnkosten jedoch nicht. Daraufhin ersuchte der Kläger gerichtliche Hilfe am Amtsgericht Charlottenburg. Er war der Auffassung, dass die Grundsätze des fliegenden Gerichtsstandes hier gelten würden und daher auch das Gericht im Berliner Bezirk zuständig sei. Er selbst lebte weit über 600 Kilometer entfernt.

Die Richter wiesen die Klage als unzulässig ab und erklärten sich für unzuständig (Aktenzeichen 226 C 130/10). Eine Zuständigkeit könne auch nach den Grundsätzen des sogenannten „fliegenden Gerichtsstandes“ nicht angenommen werden. Vielmehr sei das Gericht zuständig, in dem der Kläger seinen Wohnsitz habe.

Um Willkür einzuschränken, ist im deutschen Zivilprozessrecht der sogenannte Gerichtsstand vorgesehen. Allgemeiner Gerichtsstand einer natürlichen Person oder eines Unternehmens ist in der Regel das dem Wohnsitz nächstgelegene zuständige Gericht. Eine Ausnahme ist der sogenannte „fliegende Gerichtsstand“: Dabei ist das Gericht zuständig, in dessen Gerichtsbezirk eine unerlaubte Handlung begangen wurde.

Bei Internetdelikten reiche die bloße Abrufbarkeit der Webseite nicht aus, um eine Zuständigkeit des Gerichts zu begründen, so die Charlottenburger Richter. Denn ließe man die bloße Möglichkeit, rechtsverletzende Inhalte abzurufen allein gelten, würde dies zu einer uferlosen Ausweitung der Gerichtspflichtigkeit führen.

Der Wahlgerichtsstand des sogenannten fliegenden Gerichtsstandes könne danach bei Online-Persönlichkeitsrechtsverletzungen nur geltend gemacht werden, wenn die behauptete unerlaubte Handlung einen Ortsbezug zum Gerichtsbezirk des Verletzten aufwiese. Davon sei im vorliegenden Fall jedoch nicht auszugehen. Ein besonderer Bezug zu Berlin bestehe nicht. Der Kläger wohne vielmehr über 600 km entfernt.

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ZDNet.de Redaktion

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