Wäre der Dioxin-Skandal durch IT vermeidbar gewesen?

Ende 2010 war für die deutschen Lebensmittelproduzenten die Welt noch in Ordnung: Nach Angaben des Deutschen Bauernverbandes wurden so viel Lebensmittel exportiert wie noch nie zuvor – insgesamt im Wert von 54 Milliarden Euro. Experten führten das vor allem darauf zurück, dass in Deutschland durch langjährigen, enormen Preisdruck, den die Discounter auf ihre mittelständischen Lieferanten ausgeübt haben, ein hoher Grad an Automatisierung und ein hervorragendes Qualitätsniveau erreicht wurde. Dadurch sei die deutsche Lebensmittelindustrie besonders wettbewerbsfähig geworden.

Dann kam der Dioxin-Skandal dazwischen: Der Futterfetthersteller Harles und Jentzsch hatte seinen Erzeugnissen industrielle, mit Dioxin belastete Fettsäure aus einer Biodieselanlage beigemischt. Zeitweise standen bis zu 4700 Kunden des schleswig-holsteinischen Unternehmens im Verdacht, dass bei ihnen – in erster Linie Hühner und Eier – durch die Futtermittel kontaminiert sein könnten.

Als Reaktion kündigte Ministerin Aigner neue Initiativen zur Futtermittelsicherheit an. Beispielsweise soll die Zulassungspflicht für Futtermittelbetriebe verschärft, die Produktionsströme technischen und für die Lebens- beziehungsweise Futtermittelproduktion verwendeten Stoffen strikter getrennt und das Dioxin-Monitoring erweitert werden. Der Bauernverband unterstützt diese Forderungen im Wesentlichen.

Und natürlich wurde, wie in solchen Fällen immer, die Forderung nach härteren Strafen für Übeltäter laut. Obwohl es möglicherwiese ausreichen würde, bestehende Gesetze konsequenter anzuwenden. Einen entsprchenden Vorstoß hat ein Arzt aus dem Münsterland gemacht: Seiner Ansicht nach reicht es nicht aus, dass gegen Harles und Jentzsch wegen Verstoß gegen das Lebensmittel- und Futtermittelrecht ermittelt wird. Er erstattete deshalb Anzeige wegen versuchter und vollendeter Körperverletzung, versuchtem und vollendetem Totschlag, Mord aus Habgier und versuchtem Mord – jeweils in einer unbekannten Zahl von Fällen. Es bleibt abzuwarten, ob das ein symbolischer Akt bleiben wird, oder ob er sich damit durchsetzt.

Im Zuge des Skandals stellen sich viele Verbraucher – wieder einmal – die Frage, ob die heute übliche industrielle Fertigung von Lebensmitteln ein Auslaufmodell ist, da sie letztendlich im Sinne der Gewinnmaximierung gar nicht anders kann, als ohne Rücksicht auf Natur und Verbraucher zu handeln. Diese Frage wird hier nicht beantwortet werden können und Politik und Gesellschaft sicher noch einige Jahre beschäftigen. Andere Konsumenten wundern sich jedoch, warum angesichts vorangegangener Lebensmittelskandale – von Glykol im Wein über BSE bis Gammelfleisch – noch Lücken im Kontrollsystem existieren, die zu immer neuen Skandalen führen. Ist nicht inzwischen durch massiven IT-Einsatz die Nachverfolgung selbst einzelner Eier und Schnitzel vom Bauernhof bis in das Kühlregal des Supermarktes möglich? Hat die Technologie versagt, ist sie noch nicht so weit oder wird sie nur unzureichend eingesetzt?

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ZDNet.de Redaktion

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