Kabel Deutschland investiert in „Steinzeit-Fernsehen“

Kabel Deutschland wird ein neues Glasfaser-Backbone-Netz aufbauen, das alle regionalen Netzknoten des Fernsehkabelnetzes miteinander verbindet. Als hauptsächlichen Nutzungszweck nennt das Unternehmen die Verbreitung von analogen Fernsehprogrammen.

Terrestrisch werden bereits keine analogen Programme mehr ausgestrahlt. Der Satellitenbetreiber SES Astra wird nach dem 30. April 2012 nur noch digitale TV- und Hörfunkprogramme anbieten.

Analoge Fernsehprogramme gelten als veraltet. Sie verbrauchen eine fünf- bis zehnmal höhere Bandbreite als digitale SDTV-Programme. Die etwa 30 analogen Programme im Netz von Kabel Deutschland belegen eine Bandbreite von 1,5 GBit/s, die für schnellere Internetanbindungen und mehr HDTV-Programme genutzt werden könnten.

Kritiker halten es für unverantwortlich, jetzt noch einmal Investitionen für die Verbreitung von Analog-TV zu tätigen. Sie sind jedoch notwendig, da die Kabelkopfstationen bisher analoge TV-Programme über Satellit empfangen und weiterverbreiten. Da diese Möglichkeit ab dem 1. Mai 2012 entfällt, muss eine neue Lösung geschaffen werden, wenn die Verbreitung über diesen Zeitpunkt hinaus aufrecht erhalten werden soll.

Derzeit bietet Kabel Deutschland in vielen Städten Internetzugänge mit 100 MBit/s an. Die technische Realisierung erfolgt mit Vierkanal-EuroDOCSIS-3.0-Modems. So lassen sich theoretisch sogar 200 MBit/s erreichen. Allerdings müssen sich diese Bandbreite alle Teilnehmer in einem Cluster von einigen Straßenzügen bis hin zu ganzen Stadtvierteln teilen.

Sobald mehr als zwei Nutzer in einem Cluster, die auf denselben Kanälen surfen, die volle Geschwindigkeit ausnutzen, sind 100 MBit/s nicht mehr erreichbar. Die Abschaltung der analogen TV-Programme brächte sieben zusätzliche Bündel aus vier Kanälen, was die Situation deutlich entspannen würde. Die sogenannte „Bis-zu-Geschwindigkeit“ ließe sich nicht nur gelegentlich erzielen.

Allerdings bestehen die Kabelanbieter auf eine Verbreitung des analogen Fernsehens auch über den 30. April 2012 hinaus. Das hat vor allem zwei Gründe: Zum einen ist es technisch nicht vertretbar, einzelne Haushalte in einem Mehrfamilienhaus analog an- oder abzuschalten. Daher ist es zulässig, die Kosten für einen Kabelanschluss auf Mieter und Besitzer einer Eigentumswohnung umzulegen, auch wenn diese kein Kabelfernsehen wünschen. Dieses Privileg hätte bei einer rein digitalen Verbreitung keine Grundlage mehr.

Zum anderen verlangen die Kabelnetzbetreiber für digitales Fernsehen einen Aufpreis. Auch wer private sogenannte Free-TV-Programme wie Sat.1 und RTL digital empfangen möchte, muss zusätzlich zahlen. Lediglich die öffentlich-rechtlichen Programme können mit DVB-C-Receivern ohne eine Smartcard gesehen werden. Sollte die analoge Verbreitung entfallen, müssten die Anbieter die Free-TV-Programme zu einem günstigeren Preis anbieten, um eine angemessene Grundversorgung unter Einbeziehung der Privatsender zu gewährleisten.

ZDNet.de Redaktion

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