Im Sommer vergangenen Jahres hat Verbraucherschutzministerin Aigner ihr Facebook-Profil medienwirksam gelöscht. Grund war weniger der Misserfolg des Angebots, sondern vielmehr die Absicht, ein Zeichen zu setzen: Schließlich hatte sich die Ministerin bereits einige Wochen zuvor mit einem offenen Brief, in dem sie mehr Datenschutz forderte, an Mark Zuckerberg gewandt. Das Löschen des Profils sollte offiziell ein Zeichen dafür sein, dass die Ministerin mit dem zögerlichen Eingehen des US-Unternehmens auf Datenschutzfragen nicht zufrieden war. Tatsächlich war es aber wahrscheinlich eine PR-Aktion, um angesichts der verhaltenen Reaktionen des Unternehmens die Glaubwürdigkeit der Ministerin zu festigen.
Aigners Kollegen aus anderen Parteien wollten dem Beispiel nicht folgen: Angela Merkel, Karl-Theodor zu Guttenberg und Claudia Roth pflegen ihr Profil nach wie vor mit mehr oder weniger Elan. Aber wie sieht es bei Politikern insgesamt aus? Fehlt ihnen wirklich, wie von den Bürgern vermutet, die notwendige Internetkompetenz? Oder anders gefragt: Sind sie eher Facebook-Muffel oder Facebook-Fans?
Dieser Frage ist Linette Heimrich vom Fachgebiet Public Relations&Technikkommunikation der TU Ilmenau nachgegangen. Sie hat in ihrer Abschlußarbeit die offiziellen Facebook-Seiten der Mitglieder des Deutschen Bundestags sowie der Abgeordneten des Bayerischen, des Schleswig-Holsteinischen und des Thüringer Landtags untersucht.
Wähleransprache via Facebook ist die Ausnahme
Unterm Strich ist die Wähleransprache über soziale Netzwerke demnach bisher die Ausnahme. Nur ein kleiner Teil der Politiker kommuniziert aktiv via Facebook. Die es tun, setzen eher auf klassische Informationsvermittlung anstatt auf Dialog.
Von den 622 Mitgliedern des Bundestags hat immerhin fast jeder vierte ein eigenes Facebook-Profil. Landtagsmitglieder nutzen das soziale Netzwerk seltener. Aigners Landsleute aus dem Bayerischen Landtag (21 Parlamentarier beziehungsweise 11 Prozent) sind noch am aktivsten. Es folgen Thüringer (7 Abgeordnete, 8 Prozent) und Schleswig-Holsteinische Politiker (6 Abgeordnete, 6 Prozent).
Aus den Landtagen sind vor allem Mitglieder der Grünen und der FDP in Facebook aktiv. Nur gut ein Drittel der Bundes- und Landtagsmitglieder mit Facebook-Profil kommuniziert aktuell und mehrmals pro Woche mit seinen „Freunden“. Auch diesbezüglich sind grüne und liberale Politiker am aktivsten.
Ein gutes Drittel der Abgeordneten hat das Netzwerk nach einer kurzen Probephase – meist im „Superwahljahr“ 2009 – wieder verlassen. Die letzte Aktualisierung dieser Seiten liegt im Schnitt 250 Tage zurück. Jede zehnte der untersuchten Politiker-Seiten enthielt gar keine Meldungen.
Nach der Wahl ist nicht direkt vor der Wahl
Zu einem ähnlichen Ergebnis kam vor ein paar Monaten eine Untersuchung der Twitternutzung durch deutsche Politiker des Onlineportals Wahl.de im Auftrag von p&k, einem Fachmagazin für politische Kommunikation. Besonderes Augenmerk lag dabei darauf, wie beständig die Volksvertreter das Medium nutzen. Dazu wurden die Aktivitäten in der Woche vor der Bundestagswahl 2009 mit denen in derselben Septemberwoche ein Jahr später verglichen. Das Ergebnis: Direkt vor der Wahl twitterten die Kandidaten wesentlich häufiger als danach. Die langfristige Nutzung des Mediums schafften nur wenige, die aber dafür dann oft besonders intensiv.
Den Dialog, das eigentliche Ziel eines sozialen Netzwerks, schaffen die Politiker also in beiden Fällen nur selten. Die meisten lassen bei Facebook immerhin Texte, Fotos, Videos und Verlinkungen von Besuchern zu. Eine Antwort erhalten die Nutzer von ihren gewählten Vertretern aber kaum: Nur jeder fünfte Politiker reagiert auf Beiträge von Besuchern – oder lässt darauf reagieren, denn die Authentizität der Beiträge ist keineswegs immer sicher und nur schwer zu überprüfen.
Fazit
Dementsprechend ernüchternd fällt auch das Fazit von Heimrich aus. Während sich in den USA soziale Netzwerke als Bestandteil der Kommunikationsstrategie vieler Politiker etabliert hätten, befinde sich die politische Facebook-Nutzung in Deutschland noch in den Anfängen. Parlamentarier orientierten sich hierzulande noch zu wenig an den neuen Leitwerten des Social Web, dessen Kommunikation vor allem durch die Interaktion und Beteiligung der Nutzer geprägt ist. Eine Erfolgsstrategie für den Einsatz von Facebook in der politischen Public Relations fehle den Abgeordneten bis dato noch.
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