„Man soll keine Dummheit zweimal begehen, die Auswahl ist schließlich groß genug“, hat der französische Philosoph und Schriftsteller Jean-Paul Sartre erkannt. Offenbar hat diese Erkenntnis es aber noch nicht über den großen Teich geschafft, denn mit seinen tapsigen Gehversuchen bei Bing Maps Streetside scheint Microsoft genau die Fehler zu wiederholen, die der Erzrivale Google bei Streetview gemacht hat.
Möglicherweise ist Microsoft aber einfach nur etwas traditioneller als Google und hält sich lieber an Sartres Landsmann Voltaire, der zweihundert Jahre früher spekuliert hat: „Je öfter eine Dummheit wiederholt wird, desto mehr bekommt sie den Anschein der Klugheit.“
Spaß beiseite: Die wahren Bewegründe dürften völlig andere sein. Wie schon seit Längerem bekannt, muss Microsoft sich ordentlich ins Zeug legen, um den Vorsprung von Google bei allem, was mit dem Internet zu tun hat aufzuholen. Damit sind in Redmond gewiss einige Dutzend kluge Köpfe beschäftigt. Streetside ist bestimmt keines der Projekte, das sie mit Vorrang bearbeiten. Schließlich handelt es sich dabei eher um eine Fleißaufgabe mit dem Ziel, den Vorsprung Googles nicht allzu groß werden zu lassen.
Dazu dienen die ab 9. Mai von Microsoft geplanten Kamerafahrten. Die Bilderfassung für die Panorama-Ansichten beginnt zunächst in Nürnberg, Fürth, Erlangen und Augsburg, danach stehen bundesweit rund 50 weitere Städte und Regionen auf dem Fahrplan der Streetside-Fahrzeuge.
Streetside hilft Microsoft weder, sich zu differenzieren, noch um Google in einem Bereich zu übertrumpfen: Es ist Pflicht statt Kür. Nur schade für den Konzern, dass in Deutschland wieder einmal die strengsten Punktrichter sitzen.
Severin Löffler, Senior Director Legal and Corporate Affairs bei Microsoft, versicherte bei der Bekanntgabe der geplanten Kamerafahrten: „Wir haben uns mit den Befahrungen und der Markteinführung in Deutschland bewusst Zeit genommen, um vorher intensiv mit Branchenverbänden, politischen Vertretern und Datenschützern zu sprechen.“ Wirft man in den vergangenen Tagen aber einen Blick in die Presse, dann stellt man fest, dass offensichtlich nicht die richtigen mit am Besprechungstisch saßen.
Beispielsweise hätte man eine gewisse Frau Aigner einladen können. Ein Blick in die Medien hätte gezeigt, dass sich die Dame für den Verbraucherschutz in Deutschland zuständig fühlt und sich in diesem Zusammenhang auch schon wiederholt abfällig über Googles Dienst geäußert hat. Aigners Kritik am geplanten Microsoft-Pendant blieb natürlich nicht aus.
Microsoft bleibt hinter von Google gesetzten Standard zurück
„Ich finde es sehr bedauerlich und schwer nachvollziehbar, dass Microsoft deutlich hinter dem Standard zurückbleibt, den Google in Deutschland gesetzt hat“, watschte Aigner Microsoft in der Passauer Neuen Presse ab. Die Ministerin kritisierte, dass Bürger nach jetzigem Stand keine Möglichkeit haben, schon vor der Veröffentlichung von Fotos durch Microsoft Widerspruch einzulegen.
„In der Praxis bedeutet das für den neuen Kartendienst Streetside: Die Bürger müssen erst ihr Haus im Internet identifizieren und es anschließend unkenntlich machen lassen.“ Im Gegensatz dazu habe Google für Street View mit der Möglichkeit des Vorab-Widerspruchs „eine gute Regelung“ gefunden. Und das aus dem Munde von Googles selbsternanntem „worst nightmare„!
Aber es geht noch weiter: „Ich würde von Microsoft erwarten, dass der Kartendienst Streetside ähnlich bürgerfreundlich gestaltet wird“, so Aigner. Bürger müssten umfassend informiert werden, wann und wo Kamerafahrten stattfinden. Die Ministerin erwartet zudem, „dass Microsoft sich an seine Zusagen hält, schnell Transparenz schafft und die nötigen Informationen für die Bürger leicht zugänglich veröffentlicht“. Demnach war Aigner offenbar doch zu Gesprächen eingeladen – daher der Hinweis auf die Zusagen – fühlt sich aber nun über den Tisch gezogen.
Bayerns Innenminister Hermann droht mit Verbot
Offenbar nicht eingeladen war Bayerns Innenminister Joachim Hermann. „Es ist nicht hinnehmbar, dass es gegen die Aufnahmen kein vorheriges Widerspruchsrecht gibt. Das ist mit einem wirksamen Datenschutz unvereinbar“, teilte er nun in einer Pressemitteilung mit. Beim Start des Geodatendienstes von ‚Google Street View‘ habe es das gegeben. Es sei nicht einzusehen, weshalb für den in jeder Hinsicht vergleichbaren Dienst von Microsoft etwas anderes gelten sollte.
„Eine nachträgliche Löschung schützt das Persönlichkeitsrecht von Mietern und Eigentümern nicht. Das Internet vergisst nicht. Auf Daten, die auch nur wenige Stunden im Internet sind, hat jedermann weltweit Zugriff.“ Und da weiß der Minister ausnahmsweise einmal aus eigener Erfahrung, von was er spricht. Sollte Microsoft sich weigern, Vorabwidersprüche zuzulassen, bleibe dem Landesamt keine andere Möglichkeit, als Microsoft den Start des Dienstes ohne vorherige Widerspruchsmöglichkeit der Bürgerinnen und Bürger zu untersagen.
Damit ist die zweite Runde im großen Geodatenpalaver eröffnet. Wenn Microsoft Pech und die Politiker Glück haben, dauert es den ganzen Sommer an – so wie im vergangenen Jahr die Streetview-Debatte. Damit bekommt dann auch wirklich jeder, der zu Nordafrika, Fukushima, Bio-Sprit oder der Euro-Krise nichts Vernünftiges sagen kann nochmal Gelegenheit, aufgeregt in eine Kamera beziehungsweise ein Mikrofon zu sprechen oder sich empört vor dem eigenen Haus fotografieren zu lassen, um damit gegen den Dienst Position zu beziehen.
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