Prototyp im Test: HTC Evo 3D mit Stereo-Kamera und 3D-Display

Das neue Flaggschiff Sensation des taiwanischen Smartphone-Herstellers HTC ist seit kurzem im Handel erhältlich – und bekommt schon einen Bruder. Das Evo 3D könnte fast ein Zwilling sein, denn das Datenblatt liest sich in den Punkten Hard- und Software fast vollkommen identisch. Größter Unterschied: Beim Evo gibt es ein autostereoskopisches 3D-Display und eine Stereo-Kamera. Damit ist das Aufnehmen und Betrachten von Fotos und Videos mit Tiefeninformationen möglich – und zwar ohne Sehhilfe. Die eingesetzte 3D-Technik ist vielleicht nicht unbedingt zum Überleben nötig, aber durchaus beeindruckend. Das Evo 3D soll ab August in Deutschland erhältlich sein. Vodafone hat sich das Gerät für die ersten vier Wochen exklusiv gesichert. Die unverbindliche Preisempfehlung liegt bei 699 Euro. ZDNet hat den Prototypen getestet.

Design

Im Vergleich zum Sensation wirkt das Evo 3D eher wie das hässliche Entlein. Wie der funktionalere, aber nicht so hübsche Bruder. Es ist nicht besonders dünn, nicht geschwungen, nicht durchgestyled. Nicht aus Metall, sondern aus Kunststoff. Kurz und knapp, das vorliegende Stück Hightech wirkt optisch so, als wäre es gerade aus einem Ziegelstein herausgeschnitten worden. Dazu passt auch das Gewicht: Mit 171 Gramm überragt es die gesamte Konkurrenz. 3D wiegt wiegt nun einmal schwer. Auch das ist nicht neu, zeigte doch die Waage beim LG Optimus 3D bereits 168 Gramm – und damit nur minimal weniger.

Im Detail betrachtet ist das dominierende Element des Evo natürlich das große Touchscreen-Display auf der Vorderseite. Es misst 4,3 Zoll in der Diagonalen und ist damit genauso groß wie die Anzeigen der derzeitigen Vorzeige-Androiden Samsung Galaxy S2 und HTC Sensation – und um 0,8 Zoll größer als das iPhone-4-Display. Die Auflösung beträgt 960 mal 540 Pixel – offensichtlich kommt hier das gleiche Panel zum Einsatz wie beim Sensation. Das Galaxy S2 löst mit 800 mal 480 Pixeln ein gutes Stück weniger auf, das iPhone 4 setzt mit 960 mal 640 noch ein Stück drauf.

Unterhalb der Anzeige haben die vier Android-Buttons in Form von berührungsempfindlichen Sensorschaltflächen ihren Platz gefunden: Home, Menü, Zurück und Suchen. Die Tasten sind bündig im Glas eingelassen und setzen sich optisch durch einen Chromring von ihrem Umfeld ab. Die eigentliche Beschriftung ist weiß gehalten und bei Dunkelheit beleuchtet. Schade, dass hier nicht – wie beim HTC Incredible S – Mini-Displays zum Einsatz kommen, die die Icons beim Neigen des Smartphones ins Querformat mitdrehen.

An den Seiten und unten reicht des gegenüber Kratzern unempfindliche Touchscreen-Panel aus Echtglas fast bis zum Rand. Überm Display trägt das Evo 3D noch innerhalb der Glasfläche den silberfarbenen Herstellerschriftzug. Direkt darüber ist das Lautsprechergitter zu sehen – in der aktuellen Formensprache des Handy-Herstellers sitzt es in einer sehr breiten, ovalen Aussparung im Gehäuse. Links davon befindet sich der Helligkeitsregler, rechts sitzt die Frontkamera. Die mehrfarbige Status-LED, die über eingegangene Nachrichten, den Ladezustand oder einen leeren Akku informiert, hat ihren Platz unterhalb des Lautsprechergitters gefunden.

Wer auf den oberen Rand des Geräts blickt, bekommt das HTC-typische Layout zu sehen: Links sitzt die 3,5-Millimeter-Klinkenbuchse zum Anschluss von Standard-Kopfhörern sowie des mitgelieferten Headsets, rechts daneben befindet sich der Ein-Aus-Taster. Gar nicht mehr so typisch sind die Elemente auf der rechten Seite. Der oben angebrachte Wippschalter zur Regelung der Lautstärke sitzt ansonsten meist links. In der Praxis macht das kaum einen Unterschied. Die Taste ist sichtbar, aber leider nicht fühlbar beschriftet, die Druckpunkte sind nicht überragend, aber in Ordnung – es reicht auf jeden Fall aus, um während des Telefonats die Gesprächslautstärke zu ändern, ohne das Gerät vom Ohr nehmen zu müssen. Darunter folgen zwei Elemente aus silbern glänzendem Metall: Zunächst ein mechanischer Schiebeschalter, der den Kamera-Modus zwischen 2D- und 3D-Aufnahmen wechselt. Dann folgt der vergleichsweise große, zweistufige Auslöser der Kamera. Er ist griffig und gut zu fassen, beim Testgerät aber etwas locker montiert. Wenn man das Handy bewegt oder beim Gehen in der Hand hält, klappert es an dieser Stelle gerne mal. Nicht schlimm, aber es fällt auf.

Die Unterseite ist im Vergleich dazu schon fast langweilig. Im Spalt zwischen dem Akkudeckel aus Kunststoff und dem Rahmen aus schwarzem Metall gibt es eine winzige Aussparung, hinter der sich das Mikrofon versteckt. In der Mitte befindet sich eine weitere, größere Aussparung: Hier kann man mit dem Fingernagel unterhaken, um den Deckel der Rückseite abzuhebeln. Auf der linken Seite des Evo 3D liegt die obligatorische Micro-USB-Buchse zum Aufladen des Akkus sowie zur Übertragung von Daten.

Der Akkudeckel liegt in den Punkten Design und Konstruktion zwischen dem Samsung Galaxy S 2 und dem HTC Sensation. Wie beim Sensation wird er nicht nur im Rücken verankert, sondern umfasst die komplette Rückseite inklusive Rahmen. Allerdings ist er nicht aus Metall gefertigt und mit einem mechanischen Verriegelungssystem versehen – sondern wird, wie beim Samsung, beim Abheben leicht verbogen. Dabei lösen sich die Haken der Halterung von der Oberschale. Das wirkt längst nicht so wertig wie beim Sensation, spart aber Gewicht und Geld – und diese beiden Punkte werden durch die 3D-Technik schon kräftig beansprucht. Ähnlich wie beim Galaxy S2 ist die Rückseite auch hier strukturiert. Eine quer angeordnete Riffelung sorgt in Kombination mit dem gummiartigen Soft-Touch-Finish für eine ordentliche Griffigkeit.

Auf der Rückseite offenbart das Evo sein 3D-Geheimnis auf den ersten Blick. Gleich zwei Kameras sind hier nebeneinander angeordnet, in der Mitte sitzt der Doppel-LED-Blitz. Die komplette Einheit ist bündig von Glas überzogen und von einem Rahmen eingegrenzt. Beim vorliegenden Prototypen ist er rot eingefärbt, das finale Gerät wird aber wohl einen bronzefarbenen Rahmen mitbringen. In der Praxis sorgen Aufbau und Anordnung dafür, dass die Optiken der beiden 5-Megapixel-Digicams permanent verschmiert wirken. Vor Foto-Sessions sollte man hier unbedingt kurz für klaren Durchblick sorgen, da die Bildqualität ansonsten spürbar leidet. Kleine Löcher im roten Rahmen verraten übrigens, dass sich hier der Lautsprecher für Klingel- und Benachrichtigungstöne sowie für die Wiedergabe von Videos, Musik et cetera verbirgt. Der Lautsprecher auf der Vorderseite ist nur für die Telefonate zuständig.

Wenig Überraschungen warten unter dem Akkudeckel. Hier sitzt der mit 1730 mAh respektive 6,4 Wh etwas überdurchschnittlich starke Stromspeicher. Außerdem ist sofort der Slot für die SIM-Karte zu sehen. Wer die Aufnahme der Speicherkarte sucht, muss etwas näher hinsehen: Sie verbirgt sich direkt unterhalb des SIM-Karten-Lesers. Das Gehäuse ist 12,6 mal 6,5 Zentimeter groß und baut 12 Millimeter in die Höhe.

3D-Technik

Das absolute Highlight des Evo ist sein Display. Es bedient sich der autostereoskopischen 3D-Technik. Dabei sitzt eine Parallaxenbarriere auf dem Panel, die im 3D-Modus das Licht von benachbarten Pixeln so aufteilt, dass das eine Auge jeweils einen Bildpunkt und das andere Auge den danebenliegenden sieht. Das ist das gleiche Prinzip, das man bereits von den Wackelbildern aus Kellogg’s-Packungen der 90er Jahre kennt – nur eben technisch deutlich aufwändiger. Im Vergleich zum anderen 3D-Handy, dem LG Optimus 3D, klappt die Darstellung beim Evo auch im Hochformat. Aufnehmen lassen sich Fotos mit Tiefeninformationen aufgrund der Kamera-Anordnung allerdings nur im Querformat.

Direkt von vorne betrachtet unterscheidet sich das Display bei der Darstellung von 2D-Inhalten nicht von dem des Sensation. Wer von der Seite auf die Anzeige guckt, entdeckt leichte Verfärbungen, Moirée-Effekte und muss mit verminderter Helligkeit leben – das ist der Nachteil, den die neue Technik mitbringt. Unabhängig davon erfreut die verhältnismäßig hohe Auflösung durchaus, wenngleich dem Gerät sicherlich auch ein Super-AMOLED-Plus-Display wie das des Galaxy S2 gut tun würde – vor allem, was die hervorragenden Schwarzwerte und Kontraste angeht.

Auf dem Prototypen sind im Gegensatz zum LG Optimus 3D keine Apps, Spiele oder Oberflächen mit Tiefendarstellung installiert. Die einzige Möglichkeit, dreidimensionale Inhalte anzuzeigen, gibt es in der Alben-Ansicht für selbst aufgenommene Fotos und Videos. Zur finalen Version wird es aber sowohl Spiele wie eine Demo von Spiderman 3D als auch 3D-Filme in HTCs Video-Streaming-Angebot Watch geben, und auch ein 3D-Update für Google Maps ist angekündigt. Vor allem die testweise aufgespielten dreidimensionalen Filme hinterlassen einen hervorragenden Eindruck und könnten sich im Vergleich zu LGs 3D-Smartphone als Killer-Feature erweisen, wenn die Preise stimmen – und man es aushält, einen kompletten Film auf dem kleinen Display zu gucken, ohne das Gerät dabei großartig zu bewegen. Denn dann ist schnell Schluss mit der tollen Tiefendarstellung.

Beeindruckend ist der Moment, in dem die Anzeige in die dreidimensionale Darstellung wechselt. Das klappt hier schneller als beim LG-Prototypen und führt zu den unterschiedlichsten Reaktionen bei den Personen, die das Gerät dabei in der Hand halten. Wenn einem nicht sofort schummerig wird – oder man nach hinten torkelt – beginnt zunächst die Suche nach dem Sweet Spot. Also nach dem für die 3D-Darstellung perfekten Blickpunkt und der idealen Entfernung zwischen Augen und Anzeige. Der Punkt ist sehr klein und muss möglichst exakt getroffen werden, ansonsten kommt es zu Geisterbildern, Dopplungen, Kopfschmerzen und Übelkeit. Sobald Abstand, Winkel et cetera dann stimmen, sind die meisten Tester schlicht beeindruckt. Aufgrund der höheren Display-Auflösung des Evo im Vergleich zum Optimus wirken Fotos und Videos im 3D-Modus deutlich schärfer und weniger verpixelt. Im 3D-Modus halbiert sich technisch bedingt die horizontale Auflösung. Der kleine Sweet Spot ist aber dennoch nicht größer als beim LG.

Bei allen getesteten Anwendungen geht es in die Tiefe. Es kommt also nichts nach vorne auf den Betrachter zu. Damit wirkt das Handy-Display wie ein Fenster. Man ist immer wieder versucht, durch Neigen des Kopfes „hinter den Rahmen“ zu blicken – was natürlich nicht möglich ist. Aber das Beispiel zeigt schon, wie realistisch sich die Tiefendarstellung anfühlt. Störend ist dabei allerdings einfallendes Umgebungslicht – denn wenn sich die Sonne im Display spiegelt, liegt sie auf den Inhalten.

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ZDNet.de Redaktion

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