Paid Crowdsourcing: In Deutschland noch weitgehend unverstanden


Wolfgang Kitza ist CEO bei Clickworker.com und Autor dieses Gastbeitrags für ZDNet (Bild: Clickworker.com).

In einer globalen Arbeitswelt, die sich immer weiter vernetzt, müssen Unternehmen bei Großaufträgen schnell und effizient reagieren. Die Auslagerung von Unternehmensaufgaben auf das Know-how und die Arbeitskraft der Community im Internet wird diesem Zeitgeist gerecht. Beim Paid Crowdsourcing werden die unterschiedlichsten Prozesse und Aufgaben ins Internet ausgelagert und dort durch eine Crowd, also eine große Anzahl von Menschen, bearbeitet.

Die Mechanismen und Kollaborationsmöglichkeiten des Web 2.0 lassen sich so nutzen, um die Kreativität und die Vielfalt der Masse zusammen zu bringen. Unternehmen können aus einem großen Pool an Know-how und Arbeitskraft schöpfen, während der Einzelne, der sogenannte Clickworker oder auch Mikrojobber, seine Leistungen anbieten und Geld verdienen kann – und zwar weitgehend unabhängig von räumlichen und zeitlichen Gegebenheiten. Doch was die Nutzung der Masse angeht, hinkt Deutschland weit hinterher.

Crowdsourcing wird in Deutschlands öffentlicher Wahrnehmung noch mit Billiglohn-Arbeit von Amateuren gleichgesetzt. Diese Blickrichtung spiegelt jedoch nicht wider, welche Möglichkeiten professionelle Crowdsourcing-Konzepte bieten. Crowdsourcing ist in erster Linie ein Wertschöpfungsprozess, bei dem Menschen außerhalb eines Unternehmens Dienstleistungen und Problemlösungen erbringen.

In den meisten Fällen ist dieser Prozess wesentlich günstiger als eine Inhouse-Lösung. Oft sind die anliegenden Aufgaben innerhalb des Unternehmens auch gar nicht zu lösen, weil die nötigen personellen Ressourcen fehlen oder der Zeitrahmen sehr knapp bemessen ist. Die wirtschaftlichen Vorteile sind vielfältig, denn ein Unternehmen lagert über Paid Crowdsourcing Tätigkeiten aus und spart Aufwände ein.

Was geht und wie es geht?

Trotz der offensichtlichen Vorteile gehen deutsche Unternehmen das Thema sehr zaghaft an. In erster Linie liegt das daran, dass das Thema Paid Crowdsourcing in der Öffentlichkeit noch nicht ausreichend beleuchtet wurde. Zu viele Fragen scheinen noch offen zu sein.

Es gibt zahlreiche Projektarten, bei denen bezahltes Crowdsourcing erfolgreich sein kann. Unternehmen können Jobs in Auftrag geben, die sich nicht für Computer oder Programme eignen, andererseits aber für Spezialisten zu aufwändig wären. Klassische Anwendungsgebiete sind das Erstellen von SEO-Texten, Übersetzungen, Kategorisierungen oder die Recherche von Daten.

Aber nicht nur vordefinierte Aufgabenstellungen können von einer Crowd bearbeitet werden. Auch ganz individuell erstellte Serviceleistungen lassen sich je nach Anbieter in Anspruch genommen werden. Eine REST-basierte API ermöglicht es Kunden, Crowdsourcing-Plattformen nahtlos in ihre Anwendungen und Systeme zu integrieren und ist ein Muss für jeden seriösen Crowdsourcing-Anbieter. Serviceleistungen können über die Schnittstelle so individuell angepasst werden, dass sie den Formatanforderungen entsprechen. Dazu gehört zum Beispiel die Anzahl von Eingabe- und Suchfeldern. Wenn individuell erstellte Serviceleistungen gefragt sind, kann die API verwendet werden, um die Daten neuer Aufträge direkt zu übermitteln und Ergebnisse laufender Aufträge anzusehen.

Der Einsatz von Mikrojobbern lohnt sich vor allem wegen der höheren Flexibilität. Wenn zum Beispiel ein Reiseveranstalter 3000 Städtebeschreibungen für seinen Webkatalog benötigt, könnte er diese zwar alternativ zu einer internen Lösung auch von Freelancern schreiben lassen. Jedoch müsste man eine solche Menge an Mitarbeitern, die dieses Volumen in kürzester Zeit abarbeiten können, zunächst einmal auftreiben – mit Sicherheit kein ganz einfaches Unterfangen. Außerdem müssten zahlreiche Arbeitsplätze bereitgestellt werden, eine besonders für kleine und mittlere Unternehmen ebenfalls nicht realisierbare Aufgabe. Professionelle Crowdsourcing-Plattformen lösen das Problem und erfüllen die kritischen Erfolgskriterien eines Projektes: Zeit, Budget und Qualität.

Best Practice

Es gibt Unternehmen, die die Vorteile des Paid Crowdsourcing bereits für sich genutzt haben. Das Online-Magazin netzwelt.de bietet freie Software zum Download an. Historisch bedingt waren die dazugehörigen Beschreibungen sehr unterschiedlich. Um sie zu strukturieren und zu vereinheitlichen galt es das gesamte Material zu sichten. Daher ließ sich das Projekt auch nicht programmiertechnisch bewältigen. Geschäftsführer Sascha Hottes wendete sich an clickworker.com und Clickworker erneuerten 8000 Texte. Eine Aufgabe, die sich mit einer handvoll Leute innerhalb eines akzeptablen Zeitrahmens nicht hätte abarbeiten lassen.

Um die Gelben Seiten umfassend zu aktualisieren, machte sich auch der Telefonbuchverlag Hans Müller die Hilfe der Crowd zu Nutze. Bisher haben 1210 Mikrojobber URLs und E-Mail-Adressen diverser Firmen mit Einträgen in den Gelben Seiten recherchiert. Um eine funktionierende Qualitätssicherung zu garantieren, betraute man zwei unabhängige Gruppen von Internet-Arbeitern mit der gleichen Aufgabe. Beim abschließenden Vergleich der Ergebnisse unterzog der Verlag die sich widersprechenden Resultate einer Nachprüfung, um Fehler auszuschließen.

Qualitätsmanagement hat oberste Priorität

Wichtig bei allen Lösungen, die durch Crowdsourcing gefunden werden, ist die Qualitätsprüfung. Durch sie heben sich professionelle Crowdsourcing-Plattformen ab. Bei clickworker.com müssen sich die mittlerweile über 90.000 Clickworker beispielsweise für bestimmte Jobs durch Tests qualifizieren. Ein Clickworker, der etwa einen englischen Text schreiben will, liefert vorher eine Arbeitsprobe ab. Den ersten Korrekturlauf erledigen Clickworker, die sich vorab für diese Aufgabe qualifiziert haben.

Kleinere Mängel beseitigt der Korrektor, bei größeren erhält der ursprüngliche Verfasser Gelegenheit nachzubessern. Diese Qualitätskontrolle wird regelmäßig überprüft und statistisch abgesichert. Durch eine permanente Bewertung aller Arbeitsergebnisse ist es möglich, qualifizierte Leistungen zu erzielen. Für jede Aufgabe werden Clickworker nach individuellen Fähigkeiten ausgesucht, die durch Trainings und Tests nachgewiesen und anschließend kontinuierlich bewertet werden.

Ausblick

Für Europa und den deutschen Markt ist es wichtig dass die Expertise, die bereits zum Thema Crowdsourcing besteht, an eine breite Öffentlichkeit herangetragen wird, und dass sich die immer weiter wachsende Branche vernetzt. Die Riesenpalette an Möglichkeiten wird noch längst nicht ausgeschöpft, denn es gibt unzählige Aufgaben, die Menschen immer noch besser als Programme erledigen.

Am 15. Juni 2011 findet mit der Crowdconvention in Berlin das erste Crowdsourcing-Treffen Europas statt. Die Veranstaltung bietet der Branche die Möglichkeit, Expertenwissen auszutauschen und Netzwerke zu knüpfen.

AUTOR

Wolfgang Kitza ...

... ist CEO bei Clickworker.com. Der Dienstleister nutzt das Know-how qualifizierter Internetnutzer zur Bearbeitung von nicht oder schlecht automatisierbaren Geschäftsprozessen aus den Bereichen Texterstellung, SEO-Texte, Übersetzungen, Web-Recherche, Verschlagwortung und Kategorisierung. Komplexe Aufgaben zerlegt Clickworker.com für Auftraggeber in Mikrojobs, reicht diese an Clickworker weiter und führt sie nach Bearbeitung und Qualitätsprüfung wieder zusammen.

ZDNet.de Redaktion

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