Lösen Facebook-Pinnwände die nächste Abmahnwelle aus?

„Das Internet ist kein rechtsfreier Raum.“ Den Satz hat man schon oft genug gehört – und durch Hinweise wie „dieses Video ist in Ihrem Land nicht verfügbar“ wird man auch regelmäßig daran erinnert. Zwar ist das Intenret kein rechtsfreier Raum, allerdings ein Raum mit sehr unklaren rechtlichen Regeln. Und noch ist nicht klar, wer die definiert und deren Anwendung kontrolliert.

Das machen sich viele zunutze. Manche davon, um gratis an Dinge zu kommen, die sonst Geld kosten. Andere, um unter dem Deckmäntelchen das Recht durchsetzen zu wollen, Geld zu verdienen. Für letztere hat es sich in Deutschland bewährt, gefährlich klingende Briefe mit mehr oder weniger bewiesenen Behauptungen zu mehr oder weniger gravierenden Rechtsverletzungen zu verschicken.


Nicht jedes Facebook-Profil ist so spartanisch wie das des Schauspielers Ashton Kutchner. Hier fänden Abmahnanwälte kaum Ansatzpunkte für ihr Geschäft (Screenshot: ZDNet).

Das funktioniert so ähnlich wie der Spam-Versand: Während der Spammer sich ein Thema als Betreff aussucht, das die Leute gerade interessieren könnte (königliche Hochzeit, Muttertag, Gesangswettbewerb oder Casting-Show) sucht sich der Anwalt ein Thema aus, das den Leuten noch nicht richtig vertraut ist. Und während der Spammer seine Opfer auf Webseiten mit Malware lockt, fordert der Anwalt für einen Quasi-Serienbrief erhebliche Gebühren. Wenn es für ihn gut läuft, ist sogar noch Schadenersatz für seinen Klienten drin – mit dem er oft genug unter einer Decke steckt.

In der Vergangenheit lief es für die Abmahnanwälte richtig gut. Homepage-Betreiber machten sich massenhaft „schwerwiegender und unverzeihlicher“ Fehler schuldig. Etwa beim Impressum, indem sie ihren Namen nicht nannten oder versäumten, es aktuell zu halten. Wer ein bisschen Dynamik auf seiner Site haben wollte und dafür einen RSS-Feed nutzte, musste eventuell fesstellen, dass er für die automatisch eingeflossenen und von ihm nicht erstellten Inhalte trotzdem haften kann. Für Kopfschütteln bei Betroffenen und Händereiben bei Abmahnanwälten sorgten auch Urteile, wonach das Einbinden eines RSS-Feeds Urheberrechte verletzen kann. Auch dass die ungenehmigte Nutzung von Grafiken oder Fotos teuer werden kann, hat sich inzwischen herumgesprochen.

Das gilt zumindest im „UHU-Web“ – dem Web für die unter Hundertjährigen, wo man noch altmodisch Hompages und Foren aufsucht. Ganz anders sieht es im „Teenie-Web“ aus, dort, wo man sich auf Pinnwänden und Profilen bewegt. Diese Welt könnte sich als eine wahre Goldgrube für Anwälte herausstellen, die sich auf das schnelle Geld mit Abmahnungen spezialisiert haben.

Christian Solmecke von der Kanzlei Wilde Beuger Solmecke schätzt, dass für sie die typische Facebook-Seite eines Teenagers 10.000 bis 15.000 Euro wert sein kann. „Millionen Menschen, vor allem Jugendliche, unterhalten auf Facebook eine eigene Homepage. Hier posten sie unbekümmert Fotos ihrer Stars, binden YouTube-Videos in ihre Pinnwand ein, veröffentlichen Songtexte oder kopieren gescannte Seiten aus Büchern in ihre Profile. Da sie hier oft Inhalte für mehrere hundert Freunde veröffentlichen, kann von einer privaten Nutzung nicht mehr gesprochen werden. Im Grunde genommen müssen sich die Facebook-Aktiven wie professionelle Journalisten behandeln lassen.“

Laut dem Kölner Anwalt kann jeder Facebook-Aktive für die Aktivitäten auf seiner Pinnwand zur Rechenschaft gezogen und abgemahnt werden – und zwar ohne Vorwarnung und ohne die Möglichkeit, nachträglich den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. „Diese Inhalte müssen nicht einmal selbst auf die eigene Facebook-Seite gestellt werden. Es reicht aus, sie zu teilen, um sie sich zu Eigen zu machen und aktiv weiter zu verbreiten.“ Für eine Abmahnung sieht Solmecke hauptsächlich sieben Ansatzpunkte:

  • Das Foto eines Stars: Wer Fotos seines Stars auf die Pinnwand stellt, ohne dafür die Erlaubnis zu besitzen, kann abgemahnt werden – vom Fotografen, vom Management des Stars und vom Star selbst.
  • Lustige Bilder: Auch Fun-Bilder stammen von einem Fotografen, der die Bildrechte hält. Eine Abmahnung kann hier wegen der Verwendung des Bildes erfolgen, zusätzlich aber auch, weil der Name des Fotografen nicht genannt wurde.
  • YouTube-Videos: Wer ein YouTube-Video einbindet, haftet für die Inhalte. Verletzt das Video Rechte, kann der Facebook-Anwender ebenfalls belangt werden. Bei Musikstücken können sogar GEMA-Gebühren fällig werden.
  • Eigene Musikvideos: Sogar selbst erstellte Aufnahmen können kritisch sein, etwa solche auf denen die Schülerband oder der Musikverein bekannte Stücke nachspielt und damit eigentlich Lizenzgebühren für die Komponisten, die Interpreten und die Plattenfirma anfallen würden.
  • Eigene Fotos: Wer ungefragt Menschen fotografiert und diese Bilder auf Facebook veröffentlicht, kann auf Unterlassung abgemahnt werden. Grund: Es gilt immer noch das Recht am eigenen Bild.
  • Zitate aller Art: Facebook-Anwender veröffentlichen gern weise, lustige oder zeitgenössische Zitate berühmter Personen, posten Gedichte oder kleben Songtexte auf die Pinnwand. Auch hier gilt: Solange die Urheber nicht schon 70 Jahre tot sind, greift das Urheberrecht. Auch bei diesen Veröffentlichungen kann es zu Geldforderungen kommen.
  • Profilfoto: Wer sich Facebook-Profilfoto etwa eine Comicfigur oder das Bild eines Promis aussucht verwendet in der Regel ein geschütztes Bild und kann abgemahnt werden. Die Größe des Bildes ist dabei unerheblich.

Der Anwalt befürchtet, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis eine wahre Lawine an Abmahnungen losgetreten wird. „Um die Jugendlichen zu schützen, müssen dringend neue gesetzliche Regelungen gefunden werden. Das Bedürfnis der Teenager, sich auf diese, ihre Weise auf Facebook zu äußern, ist sehr hoch. Hier sollte schnell eine besondere Fair-use-Regel greifen, die Veröffentlichungen im Rahmen der eigenen Freunde vor Abmahnungen schützt.“ Sein Wort in Gottes und des Gesetzgebers Ohr…

ZDNet.de Redaktion

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