Aufklärungspflicht bei P2P-Abmahnungen gegenüber Verbrauchern

Die Rechteinhaberin an mehreren Tonträgern mahnte einen Verbraucher außergerichtlich wegen Veröffentlichens eines Musiktitels in einer P2P-Tauschbörse ab. Außerdem forderte sie ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Der Abmahnung war eine vorbereitete Unterlassungserklärung beigefügt, nach der sich der Beklagte verpflichten sollte, es zu unterlassen, „geschützte Werke der Rechteinhaberin oder Teile daraus öffentlich zugänglich zu machen bzw. öffentlich zugänglich machen zu lassen, insbesondere über sog. Tauschbörsen im Internet zum elektronischen Abruf bereitzuhalten.“

Am unteren Rand dieser Erklärung wurde (mit entsprechenden Rechtsprechungsnachweisen) darauf hingewiesen, dass die Erklärung keiner gesonderten Annahmeerklärung bedürfte, sofern keine inhaltlichen Veränderungen vorgenommen wurden und dass „in Internetforen fälschlicherweise empfohlene Einschränkungen“ die Unterlassungserklärung insgesamt unwirksam machen könnten.

Der beklagte Verbraucher, gab die verlangte Unterlassungserklärung jedoch nicht ab. Daraufhin erwirkte die Rechteinhaberin eine einstweilige Verfügung. Dagegen legte der Beklagte Rechtsmittel ein. Außerdem gab er zuvor außergerichtlich eine auf das relevante Musikwerk bezogene Unterlassungserklärung ab. Zudem erklärte er, dass er ohnehin nicht hafte, weil er während der Tatzeit verreist gewesen sei.

Das Oberlandesgericht Köln legte die Kosten des Verfahrens der Klägerin auf (Aktenzeichen 6 W 30/11). Eine Haftung des Beklagten scheide jedoch nicht bereits deswegen aus, weil er während der Tatzeit verreist gewesen sei. Nach der gängigen Rechtsprechung müsse ein Anschlussinhaber entsprechende Sicherungsmaßnahmen ergreifen, damit Dritte nicht unerlaubt auf das WLAN zugreifen können. Dieser Sorgfaltspflicht habe der Beklagte nicht genüge getan, denn die Nutzung des Internets sei auch während seiner Abwesenheit möglich gewesen.

Die Klägerin habe jedoch aus anderen Gründen die Kosten des Verfahrens zu tragen. Grundsätzlich bestehe nämlich keine Pflicht des Gläubigers, einer Abmahnung eine strafbewehrte Unterlassungserklärung beizufügen. Es sei vielmehr Aufgabe des Schuldners, eine solche Erklärung abzugeben. Daher sei es auch grundsätzlich rechtlich nicht relevant, wenn der Gläubiger in einer beigefügten Unterlassungserklärung mehr verlange als ihm eigentlich zustehe.

Von diesem Grundsatz sei jedoch im vorliegenden Fall abzuweichen. Denn bei dem Beklagten handle es sich um einen Verbraucher. Anders als ein Gewerbetreibender sei ein Verbraucher besonders schutzbedürftig. Die Klägerin sei daher verpflichtet gewesen, dem Beklagten „den richtigen Weg“ für die Abgabe einer Unterlassungserklärung zu weisen.

Objektiv habe der Rechteinhaberin nur eine Unterlassungserklärung zugestanden, die sich auf das einzelne Musikwerk beschränkte. Gefordert worden sei jedoch eine unbeschränkte Unterlassungserklärung. Darüber hinaus habe die Klägerin mehrfach in ihrem Schreiben darauf hingewiesen, dass eine Einschränkung der beigefügten Erklärung zur Unwirksamkeit führen könne. Ein solcher Hinweis sei jedoch falsch, denn auch eine eingeschränkte Unterlassungserklärung hätte die Wiederholungsgefahr entfallen lassen.

Da die Klägerin ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen sei, sei der Beklagte berechtigt gewesen, zunächst außergerichtlich keine Unterlassungserkärung abzugeben. Erst als ihm die einstweilige Verfügung vorlag, bestand solch eine Pflicht. Da der Beklagte dieser Verpflichtung sofort nachgekommen sei, habe er keinen Anlass zur Erhebung der Klage geboten. Daher sei er auch nicht verpflichtet, die Kosten des Verfahrens zu tragen. Diese müsse vielmehr die Klägerin übernehmen.

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ZDNet.de Redaktion

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