Der Online-Schlichter: Mittler zwischen Verbrauchern und Händlern

Das Projekt Euro-Info-Verbraucher e.V. hat vor zwei Jahren mit finanzieller Unterstützung durch das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz des Landes Baden-Württemberg mit dem „Online-Schlichter“ eine Schiedsstelle für Unstimmigkeiten im Online-Handel eingerichtet. Sie wird im Rahmen des Zentrums für Europäischen Verbraucherschutz e.V. betrieben. Schlichtungsanträge lassen sich über die Website der Schiedsstelle einreichen. Die Bearbeitung ist kostenlos. Der Ablauf ist so gestaltet, dass er sich sowohl von Verbrauchern als auch Unternehmern ohne Hilfe eines Rechtsvertreters bewältigen lässt.

Die Verfahren bearbeitet ein auf Fragen des elektronischen Geschäftsverkehrs spezialisierter und zum Richteramt befähigter Volljurist. Er zeigt den Parteien die objektive Rechtslage im konkreten Fall auf. In rund 70 Prozent der Fälle führte das bisher zum Erfolg. Kommt keine Einigung zustande, steht den streitenden Parteien der Gang zum Gericht offen. Verbraucher haben dann aber immerhin Informationen über die Rechtslage und können besser entscheiden, ob sich eine gerichtliche Auseinandersetzung überhaupt lohnt.

Das Schlichtungsverfahren ist für beide Seiten freiwillig und kann jederzeit von den Parteien beendet werden. Nehmen die Parteien den Schlichtungsvorschlag an, entsteht eine vertragliche Bindung, jedoch kein vollstreckbarer Titel. Obwohl vom baden-württembergischen Verbraucherministerium mitfinanziert, ist die Schlichtungsstelle neutral und arbeitet auf die Herbeiführung einer außergerichtlichen, gütlichen Einigung zwischen den Parteien hin: Hat der Verbraucher Unrecht, erfährt er das auch. Bei offensichtlichem Betrug – etwa bei Abofallen – kann die Schlichtungsstelle nicht helfen. Schließlich ist eine Voraussetzung, dass sich beide Parteien auf das Verfahren einlassen.


Der „Online-Schlichter“ vermittelt ab 1. Juli auch in Hessen bei Streitigkeiten, die aus Online-Vertragsabschlüssen zwischen zwischen Verbrauchern und Unternehmen entstanden sind (Screenshot: ZDNet).

In den vergangenen beiden Jahren hat die Stelle 500 Fälle bearbeitet. Am häufigsten sind Beschwerden von Verbrauchern über nicht gelieferte Ware, gefolgt von Unstimmigkeiten bei Fragen im Zusammenhang mit Widerruf und Gewährleistung. „Zwar beschäftigen uns auch Fälle mit einem Streitwert von mehreren hundert Euro, oft handelt es sich aber um Probleme mit Ware im Wert von 50, 100 oder 150 Euro“, sagt Schlichterin Andrea Klinder – ein Bereich, in dem es Verbrauchern schwer fällt, einen Anwalt für die Vertretung ihrer Interessen zu begeistern.

Keiner will sich übers Ohr hauen lassen

Der Online-Schlichter greift aber nicht nur beim Kauf von Ware über das Web ein. Auch bei Schwierigkeiten mit anderen, über das Internet geschlossenen Verträgen, können Verbraucher die Stelle anrufen. Dazu zählen etwa Online-Bestellungen bei Mobilfunk-, DSL- oder Stromanbietern beziehungsweise deren Händlern. Häufiger Streitpunkt in diesem Umfeld sind die AGB der Anbieter: Entweder enthalten sie Klauseln, die sich nicht mit der aktuellen Rechtsprechung oder neuen EU-Vorgaben vertragen, oder sie lassen zu viel Interpretationsspielraum.

Das muss nicht immer böse Absicht sein. „In vielen Fällen kommt es zu Auseinandersetzungen, weil sich keine der beiden Parteien übers Ohr hauen lassen will“, sagt Felix Braun, Rechtsassessor am Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz. „Nach der unparteiischen Darstellung der Rechtslage fällt es dann oft wesentlich leichter, einzulenken.“ So mancher Händler habe nach der Schlichtung die ihm gegenüber dem Kunden entstehenden Kosten schon als Lehrgeld abgehakt – und gleichzeitig gewusst, wie sich ähnliche Auseinandersetzungen künftig vermeiden lassen. Zur Information steht Unternehmen auch die ebenfalls am Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz angesiedelte E-Commerce-Verbindungsstelle zur Verfügung.

Ab 1. Juli auch für Hessen tätig

Einen Haken hatte die Sache bislang allerdings: Da der Online-Schlichter als Pilotprojekt angelegt ist, das vom Verbraucherministerium Baden-Württemberg finanziert wird, griff die Stelle nur ein, wenn mindestens einer der Beteiligten seinen Sitz in Baden-Württemberg hatte. Das ändert sich jetzt: Zum ersten Juli nimmt sich die Schlichtungsstelle auch Fällen von Verbrauchern aus Hessen beziehunsgweise Schwierigkeiten mit Firmen mit Sitz in Hessen an. Dieser Teil der Arbeit wird dann vom hessischen Verbraucherministerium finanziert. Mit Behörden in anderen Bundesländern werden Gespräche geführt. Voraussichtlich soll Anfang 2012 ein weiteres hinzukommen. Welches das sein wird konnte Braun aber noch nicht verraten. Ziel ist es, den Dienst einmal bundesweit anzubieten.

ZDNet.de Redaktion

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