Die Zahl der IT-Freiberufler ist in Deutschland im Jahr 2010 gegenüber dem Krisenjahr 2009 um 1000 auf 75.000 gestiegen. Der Umsatz, den sie erwirtschafteten, hat sich nach Schätzungen des Marktforschungs- und Beratungsunternehmens Lünendonk auf etwa 6,7 Milliarden Euro erhöht. Die zehn größten IT-Personalvermittler haben zusammen einen Anteil von 17,4 Prozent – und damit 0,3 Prozent weniger als im Jahr 2009. Eine Konsolidierung hat auf diesem Markt also nicht stattgefunden.
Marktführer ist nach wie vor mit weitem Abstand Hays. Die höchste Nachfrage besteht derzeit nach Spezialisten für SAP und Web-Services. Auf beiden Gebieten speist er sich aus einem niemals ermüdenden Integrationsbedarf. „Selbst wenn ein Projekt eigentlich auf einer ganz anderen Software basiert – irgendwo steckt immer ein bisschen SAP drin“, meint Attilo Berni, Geschäftsführer und Country Manager von Elan. Das Manpower-Tochterunternehmen beschäftigt sich vorwiegend mit IT-Staffing.
Ob die Kunden der IT-Freiberufleragenturen groß oder klein sind: Der Fachkräftemangel trifft sie alle. „Es müssen viele geplante IT-Projekte abgeblasen werden, weil das nötige Personal nicht zusammenkommt“, weiß Hartmut Lüerßen, Partner bei Lünendonk. Um zehn bis 15 Prozent sind die Preise in den vergangenen zwölf Monaten deswegen bei gesuchten Spezialfähigkeiten bereits gestiegen, wobei die Zahlungsbereitschaft bei Mittelständlern in der Regel höher ist. „Ein Mittelständler macht beim Preis eher Kompormisse, weil er unbedingt eine bestimmte Qualifikation für ein Projekt braucht, ein Großunternehmen bleibt bei seinen Preisstrukturen“, sagt Oliver Staudenmeyer, Vorstand bei Reutax, einem IT-Staffer, der vor allem Dax-30-Unternehmen bedient.
Dennoch sind nach wie vor große Firmen mit über 1000 Mitarbeitern das wichtigste Geschäftsfeld der IT-Spezialistenvermittler. In diesem Umfeld werden rund drei Viertel der Umsätze erwirtschaftet. Thomas Goetzfried, seit Anfang des Jahres Aufsichtsratsvorsitzender der Allgeier AG, zu der auch der IT-Staffer Goetzfried AG gehört, meinte dazu: „Die Akquise im Mittelstand ist sehr viel schwieriger und langwieriger. Da muss man immer erst viele Gespräche führen. Dafür ist man dort vielleicht der einzige Partner und die Margen sind besser.“
Die Anforderungen an den Staffer sind bei großen und kleinen Kunden mehr oder weniger gleich: Vor allem wollen sie, dass ihr Partner in der Lage ist, die geäußerten Personalwünsche schnell und flexibel zu erfüllen. Auch die Preisgestaltung ist nach wie vor eine wichtige Frage. Sie tritt aber zunehmend hinter die bloße Verfügbarkeit von Personal zurück.
Bessere Verwaltung des Mangels
Die Demografie und die Vorliebe deutscher Abiturjahrgänge für geistes- und wirtschaftswissenschaftliche Studien statt Ingenieurwissenschaften oder Informatik schaffen kaum zu schließende Lücken. Auch die Hoffnung, zum Beispiel neue Kräfte aus Polen oder anderen europäischen Ländern in ausreichender Anzahl anwerben zu können, erfüllt sich bisher nicht. Beim Mangel an IT-Experten handelt es sich um ein europäisches, wenn nicht gar weltweites Problem.
Um die Personalnot zu mildern, rät Lüerßen zur Bildung enger Partnerschaften zwischen Personalagentur und Kundenunternehmen. „Wenn man schon sechs Monate vorher weiß, dass ein großes Projekt mit bestimmtem Bedarf an Spezialisten anrollt, ist es einfacher, dafür die nötigen Leuten zu beschaffen als bei ad-hoc-Bestellungen.“ Es gehe um eine „bessere Verwaltung des Mangels“.
Tatsächlich spielen solche Modelle aber heute eine sehr geringe Rolle, ihr Umsatzanteil bewegt sich häufig im unteren einstelligen Prozentbereich. Das liegt an der hohen Flexibilität der Freiberufler und der typischen Struktur von IT-Projekten, die für einen begrenzten Zeitraum angesetzt und dann doch mehrfach verlängert werden. Die durchschnittliche Projektdauer beträgt sechs bis neun Monate. Außerdem widerstrebt es den Kunden, Externen zu tiefen Einblick in ihre strategischen Pläne zu gewähren. Genau das wäre aber erforderlich, um solche Partnerschaften mit Leben zu erfüllen.
Probleme bei Aus- und Weiterbildung
Auch von der Idee, fehlende Spezialisten selbst oder in Zusammenarbeit mit den Kunden heranzuziehen, halten Branchenvertreter wenig. Denn sie dürfen Freiberufler vertraglich nicht langfristig binden, da es sich sonst um Scheinselbständigkeit handelt. Von denkbaren legalen Arrangements wie zeitlich begrenzten Zeitarbeitsverträgen als Gegenleistung für eine Weiterbildung halten dagegen widerum die Freiberufler angeblich nichts: „Sie suchen sich lieber Projekte, für die sie die meisten Kompetenzen mitbringen, aber in einem kleinen Bereich on the Job dazulernen können“, sagt Berni. Hundertprozentig passende Bewerber könne man heute angesichts knapper Ressourcen ohnehin kaum erwarten.
Bleibt nur noch die externe Beschaffung auch im Ausland und die komplette Internationalisierung der IT-Personalmärkte. Immer mehr Personalagenturen im IT-Bereich werben inzwischen um ausländische Freiberufler, die die hiesigen Personallöcher in den Projekten stopfen sollen. Ist es da nur eine Frage der Zeit, bis die Agenturen zur Vermittlung von IT-Spezialisten sich gegenseitig die besten Leute mit harten Bandagen abzujagen beginnen? Bislang scheint sich jedoch durch solch eine Vorgehensweis niemand zum Buhmann machen zu wollen. „Das ist eine Frage des Stils“, betont Goetzfried. „Bisher setzen alle eher weiche Methoden ein.“
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