Vor nicht einmal zwei Monaten haben federführend IBM, HP und Red Hat die Open Virtualization Alliance gegründet. Vom Start waren BMC, Intel, Novells inzwischen als Attachmate-Company agierende Suse-Sparte und Eucalyptus Software dabei. Erklärtes Ziel der Initiative ist es, die Nutzung offener Virtualisierungstechnologien voranzutreiben. Konkret bedeutet das, für die Kernel-based Virtual Machine (KVM) weitere Unternehmen und Entwickler zu gewinnen, anhand von erfolgreichen Implementierungen bei Kunden deren Nutzen darzustellen und den Wert von Interoperabilität stärker ins Bewusstsein der Unternehmen zu rücken.
Ähnliche Initiativen mit anderen Zielen gibt es immer wieder. Meist wecken sie nur begrenztes Interesse und haben lediglich bescheidene Auswirkungen: Wird den beteiligten Firmen klar, dass eine Menge Arbeit notwendig ist, um ihr in Sonntagsreden so schön klingendes Anliegen durchzusetzen, erlahmt der erste Schwung. Eine Zeit lang prangt noch das Logo des Verbandes auf Webseiten und Marketingmaterialien – aber irgendwann verschwindet auch dass und die Initiative dient höchstens noch dazu, in Ungnade gefallene Führungskräfte elegant aufs Abstellgleis zu schieben.
Bei der Open Virtualization Alliance scheint das jedoch anders zu sein. Sie konnte eines ihrer Anliegen schon in weiten Teilen ereichen: Weitere Firmen zur Teilnahme zu gewinnen. Binnen weniger Wochen nach Gründung waren es 65 Neuzugänge, auf der Website tauchen derzeit deutlich über 70 Firmenlogos auf und nach Angaben von Red-Hat-Europachef Werner Knoblich haben bereits über 100 ihre Mitgliedschaft beantragt.
Der Hypervisor ist das nächste Betriebssystem
Was bringt IBM und HP, die sich sonst Spinnefeind sind, dazu, in einer Initiative mitzuarbeiten? Warum schließen sich nicht nur Satelliten der beiden IT-Größen und die üblichen Verdächtigen aus der Open-Source-Szene, sondern auch Branchengrößen wie Dell und CA der Organisation an? Und was löst das hohe Interesse so vieler Firmen aus?
Die Antwort ist einfach: Angst. „Der Hypervisor ist das nächste Betriebssystem“, so Knoblich. Niemand habe ein Interesse daran, dass ein neuer Closed-Source-Anbieter entstehe, der so wie Microsoft vor zehn Jahren, mit seiner Software die Hardware kontrolliere.
Bei IBM, HP und Dell kommt sicher noch hinzu, dass trotz der engen Technologiepartnerschaften, die alle drei mit dem Unternehmen unterhalten, für sie VMware letztendlich doch ein Teil von EMC ist. Und EMC ist nicht nur ihr ärgster Widersacher im Storage-Geschäft, sondern bedroht als Teil des in der Virtual Computing Environment Coalition eng verknüpften Trios, Cisco, EMC und VMware auch andere Pfründe der großen Serverhersteller.
Die Partnerschaft mit VMware sind also sowohl bei Dell als auch bei Hewlett-Packard und IBM nur widerwillige Zweckbündnisse – auch wenn die Firmen im Alltag anderes behaupten. Dass Intel, Gründungsmitglied der Open Virtualization Alliance, beim Joint Venture Acadia mit den drei Mitgliedern der Virtual Computing Environment Coalition unter einer Decke steckt, ist nur auf den ersten Blick ein Widerspruch. Auf den zweiten zeigt diese Tatsache, dass alle großen Firmen zwischen taktischen und strategischen Zielen und Maßnahmen unterscheiden – und dass sich im Augenblick fast keiner traut, auf ein Pferd zu setzen, sondern alle ihre Einsätze verteilen.
Deutsche Firmen in der Open Virtualization Alliance
Kleine haben es da manchmal einfacher – und können offener und ehrlicher antworten. ZDNet hat daher einige Firmen aus dem deutschsprachigen Raum nach ihren Beweggründen gefragt, der Open Virtualization Alliance beizutreten.
Bei Open-Source-Firmen ist die Entscheidung schnell gefallen – sie sehen in der Unterstützung von quelloffenen Produkten einen Wert an sich. „Collax – fokussiert auf kleine und mittelständische Unternehmen – trägt als Mitglied der Open Virtualization Alliance dazu bei, die Anforderungen dieser Firmen in die Arbeit des Konsortiums einzubringen. Wir bieten bereits seit 2010 eine auf KVM-basierende Lösung an und möchten die Nutzung von offenen Virtualisierungstechnologien weiter vorantreiben“, sagt Geschäftsführer Bernd Boente.
Collax halte KVM für die geeignete Technologie, um von den Vorteilen der Virtualisierung zu profitieren weil sie maximale Leistung, Skalierbarkeit, Sicherheit und Flexibilität bei gleichzeitig geringen Kosten biete. „Wir möchten weitere Unternehmen für diese Technologie gewinnen und anhand von Best-Practice-Beispielen den Nutzen der KVM-basierenden Virtualisierung aufzeigen“, so Boente weiter.
Ähnlich liegen die Interessen bei Univention: „Wir glauben, dass es für unseren Erfolg und den Erfolg der Open Source Community entscheidend ist, dass Unternehmen gemeinsam an Technologien arbeiten und sie voranbringen. Kernel Virtual Machine ist solch eine Technologie“, sagt Produktmanager Nico Gulden auf Anfrage von ZDNet. „Univention ist Mitglied in der Open Virtualization Alliance, weil KVM eine der wichtigsten Open-Source-Virtualisierungskomponenten und eine verlässliche Plattform für unsere Enterprise Open-Source-Produkte wie UCS Desktop Virtualization Services ist.“
Siddharth Mallannagari, als Vizepräsident beim österreichischen Softwareanbieter UC4 für Strategie zuständig, sieht bei den Kunden eine wachsende Nachfrage nach einer offenen Alternative zu proprietären Virtualisierungslösungen. „Wir haben in der Vergangenheit zur Unterstützung unserer Multiplattform-Strategie schon eng mit Red Hat und anderen wichtigen ISV-Partnern zusammengearbeitet. Unser Beitritt zur Open Virtualization Alliance war der logische nächste Schritt, um Kunden eine schnelle und sichere Nutzung von Cloud-Lösungen zu ermöglichen.“ Mallannagari hofft, dass die Allianz den Ausbau und Einsatz von offenen Virtualisierungstechnologien und KVM-basierten Lösungen beschleunigen wird.
Vom Regen in die Traufe?
Was Mallannagari noch hofft, ist für Knoblich schon Gewissheit. Seiner Ansicht nach werde die KVM-Installationsrate 2012 explosionsartig in die Höhe schießen. Der Xen-Hypervisor hat laut Knoblich die Schlacht um den Platz an der Sonne bei der Servervirtualisierung verloren – auch wenn Citrix ihm immer wieder neue Ressourcen zuführt. Zwar handle es sich auch um Open Source, im Gegensatz zu KVM sei Xen aber ebenso wie VMwares ESX nicht im Kernel, sondern außerhalb angesiedelt. Im Kernel zu sein, biete aber viele Vorteile – etwa, was die Sicherheit anbelange.
Dass es für die jetzt mehr oder weniger offen gegen VMware rebellierenden Firmen eines Tages ein böses Erwachen geben könnte, weil sie einen Quasi-Monopolisten gegen einen anderen ausgetauscht haben, weist Knoblich zurück: Red Hat habe schon heute in vielen Linux-Bereichen Marktanteile die durchaus denen von VMware bei Servervirtualisierung vergleichbar seien. Dennoch stelle man keine Bedrohung dar, weil die Exit-Kosten wesentlich geringer seien. Schließlich könne eine Firma die Technologie weiter nutzen, ohne weiter zu zahlen oder aber auf CentOS umsteigen. Und wer sich nicht zutraue, die IT mit dem im Unternehmen vorhandenen Know-how weiter betreiben zu können, habe eine große Auswahl an Dienstleistern, die das übernehmen könnten. Knoblichs Fazit: „Wir haben gar nicht die Chance, unsere Monopolstellung auszunutzen.“
Allianz richtet sich auch gegen Microsoft
Die Open Virtualization Alliance ist – aber est in zweiter Linie – natürlich auch eine Verteidungsmaßnahme gegen Microsoft. Das Unternehmen, dass den Virtualisierungszug zunächst verpasst hatte, kann inzwischen mit Hyper-V und dem Windows Server 2008 ganz passable Erfolge verzeichnen – zumindest im unteren Mittelstand und bei Microsoft-affinen Firmen. Das Segment klingt unspannend, umfasst in der Praxis jedoch eine sehr große Zahl an Firmen. Diese widerum arbeiten mit zahlreichen Softwareanbietern, viele davon traditionell stark an Micosoft angelehnt.
Wenig zu hören ist in den Positionskämpfen der von Gartner in seiner aktuellen Marktübersicht zu x86-Virtualisierung aufgeführten Anbietern von Parallels. Das Unternehmen steht auf den ersten Blick gar nicht so gut da. Das liegt aber auch daran, dass sich Gartner auf die Bedeutung in Firmen konzentriert hat, Parallels aber insbesondere bei Hostern stark vertreten ist. „In diesem Bereich haben wir einen Marktanteil von 54 Prozent“, sagt Parallels-Vizepräsident John Zanni gegenüber ZDNet. Und der Bereich entwickle sich wesentlich dynamischer, als die Servervirtualisierung in Firmen.
Cloud-Betriebssystem gegen Server-Virtualisierung
Früher als IBM oder HP habe das Microsoft erkannt. „Sie scheinen verstanden zu haben, wie sich mandantenfähige Dienste für KMUs bereitstellen lassen.“ Daher arbeite Parallels auch eng mit den Redmondern zusammen, etwa bei der Bereitstellung von Microsoft Office 365 und anderen Microsoft-Diensten für KMUs. Zu letzteren gehören etwa Komplettpakete für ein „Büro in der Cloud“. Für die hat Parallels nicht nur die Möglichkeit, die Microsoft-Produkte bereitzustellen, sondern insgesamt 200 Anwendungen, sowohl proprietäre als auch Open-Source. Solche Angebote sieht Zanni als nächsten Schritt im Kampf der Provider um Marktanteile. Schließlich sei die Differenzierung lediglich über günstigere Preise kaum noch möglich – Mehrwerte müssten her.
Grunsätzlich sei Parallels für alle Virtualisierungstechniken offen, sei es nun die von Microsoft, VMware oder Red Hat. Allerding sei vom Open-Source-Anbieter bisher im Hosting-Umfeld nicht viel zu sehen gewesen. Das könnte sich mit der neuen Allianz ja bald ändern. Anwender dürften die neue Konkurrenz begrüßen, können sie sich von ihr doch eine Belebung des Geschäfts erhoffen. Außerdem kann sich ernsthafte Konkurrenz zu VMware aus Nutzersicht nur positiv auf die Preise auswirken. Diesbezüglich hat VMware mit dem neuen Lizenzmodell Red Hat und seinen neuen Freunden eine Steilvorlage gegeben. Jetzt muss sich zeigen, ob sie diese verwandeln können.
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