LTE 800 von Vodafone: Messtour mit dem Samsung-Surfstick GT-B3740

Bislang musste man vom Land in die Großstadt fahren, um ein rasantes Internet-Erlebnis aus der Mobilfunkluft am Notebook zu bekommen. Seit Dezember 2010 ist es umgekehrt – zumindest vorübergehend: Seitdem vermarktet Vodafone den schnellen UMTS-Nachfolger LTE zunächst in kleinen Ortschaften, die bislang überhaupt kein zumutbares Internet bekommen. Sie sollen dank LTE nun zügig den Anschluss an die moderne Breitband-Welt bekommen. Zumindest gilt diese Ausbau-Reihenfolge für die reichweitenstarke LTE-Variante im 800-MHz-Frequenzband.

Erst wenn die kleineren Gemeinden gut mit Internet versorgt sind, dürfen die drei Provider O2, Deutsche Telekom und Vodafone das langwellige LTE 800 auch in den großen Städten ausrollen. In ausgedehnten Flächenstaaten wie Bayern dauert das natürlich länger als in kleinen Stadtstaaten wie Berlin.

Die höheren Frequenzen bei 1800, 2100 und 2600 MHz unterliegen dieser strengen Ausbau-Reihenfolge nicht. Deshalb darf die Deutsche Telekom zum Beispiel LTE 1800 bereits in Köln ausrollen, obwohl auch das Bundesland Nordrhein-Westfalen noch ein paar Internetlücken hat, die es mit LTE 800 rasch zu schließen gilt.

Für einen ersten LTE-800-Reality-Check fährt ZDNet ins Münchner Umland. Nordwestlich vor der bayrischen Landeshauptstadt begann bis vor kurzem gleich hinter Dachau die Internet-Diaspora. Dort entsteht laut Vodafone-Versorgungskarte das momentan wohl dichteste LTE-Mobilfunknetz innerhalb des großen MVV-Gebiets. Besonders die Gemeinden Hebertshausen, Röhrmoos und Vierkirchen-Esterhofen an der S2 in Richtung Petershausen sind laut Vodafone-Karte schon sehr gut mit Internet aus dem LTE-Luftraum versorgt.

Weltweit erster LTE-Surfstick von Samsung kann nur 800 MHz

Für einen LTE-800-Messtest installiert ZDNet den Samsung-LTE-800-Stick von Vodafone an einem schnellen Sony-Laptop. Die SIM-Karte hat eine deutschlandweite LTE-Freischaltung ohne Geschwindigkeitsbegrenzung. Das wird es für reguläre Endkunden aber wohl frühestens ab Herbst 2011 geben. Zumindest hat die Telekom für knapp 90 Euro Monatspauschale eine netzweite 100.000-KBit/s-Flatrate samt Inklusiv-Volumen von 50 GByte pro Monat angekündigt. Bis dahin kann ein LTE-800-Privat-Kunde nur eine ortsgebundene LTE-Freischaltung im Umkreis von wenigen Kilometern rund um seine registrierte Adresse bekommen. Diese Ortsbindung greift vorerst bei allen LTE-Providern, egal ob Telekom, Vodafone oder O2.

Der LTE-800-Surfstick namens Samsung GT-B3740 ist laut Verpackung der weltweit erste 800-MHz-LTE-USB-Stick. Tatsächlich beherrscht dieses Premieren-Modell derzeit nur LTE im 800-MHz-Band, aber nicht LTE 1800, 2100 und 2600. Auch GPRS, EDGE, UMTS, HSPA oder HSPA+ bleiben außen vor. Ein wirklich mobiler Einsatz quer durch Deutschland und quer durch alle Funknetze ist damit noch nicht möglich.

Die Titulierung 4G ist ebenfalls eine Übertreibung. Sie soll auf Wunsch der Normungsgremien erst ab Downloadraten von 1 GBit/s verwendet werden. Das momentane LTE Release 8 Category 3 soll deshalb nur mit 3,9G bezeichnet werden. Aber das klingt den Marketingstrategen wohl zu bescheiden.

LTE-Stick breiter und schwerer als ein 11n-Stick

Die Packungsbeschriftung LTE-4G 100 Mbit-Internet erzeugt erst einmal die Erwartung, dass der Surfstick 100 MBit/s Datendurchsatz im Downstream und 50 MBit/s im Upstream erreichen kann. Das klappt natürlich nur, wenn der Provider mit diesem Stick auch genug Bandbreite für 100 MBit/s in der 800-MHz-Luft nutzen darf. Dem ist in der Praxis nicht so: Die drei deutschen Provider können diesen Stick in den 2010 ersteigerten Frequenz-Bandbreiten von 10 MHz vorerst nur bis circa 50 MBit/s im Download ausreizen. Für 100 MBit/s im Download hätten sie 20 MHz ersteigern müssen. Mit LTE-2600-Endgeräten dagegen sind hierzulande auch schon heute satte 100 MBit/s möglich, da stehen den Providern 20 MHz Luftraum zur Verfügung. Aber darum geht es bei diesem LTE-800-Surftest für die Landversorgung ja nicht.

Natürlich verspricht Vodafone den LTE-Kunden in den entsprechenden Tarifen auf dem Lande auch gar keine 100 MBit/s. Zudem sind fast alle LTE-800-Provider bereits zufrieden, dass Samsung diesen Stick überhaupt in Stückzahlen für Testnetze und für kommerzielle Endkunden liefern kann. Schließlich stellt er die erste Generation von marktfähigen LTE-800-Endgeräten dar.

Schiebt man die obere Klappe des LTE-Stick weg, dann wird wie bei den meisten Handys, eine auswechselbare SIM-Karte sichtbar. Im hinteren Teil des Stick sitzen zwei winzige Anschlüsse namens L1 und L2 für externe LTE-Antennen. Im mobilen Laptop-Einsatz ist eine solche Antennen-Bestückung schon wegen des Kabelsalates unterwegs eher unwahrscheinlich. Im lokalen Einsatz des LTE-Dongles an einem Rechner mit festem Standort mag der Anschluss externer LTE-800-Antennen aber durchaus bessere Surfleistungen bringen. Ein stationärer Test im Münchner Büro ist mangels LTE-Abdeckung noch nicht möglich.

Der LTE-800-Stick hat das doppelte Gewicht eines WLAN-11n-Stick. Ein roter AVM Fritz WLAN USB-Stick N wiegt 14 Gramm, der weiße Samsung GT-B3740 LTE-800-Stick bringt 27 Gramm auf die Briefwaage, ohne die Schutzkappen. Laut Samsung-Schachtel ist der Surfstick aus Korea kompatibel mit Windows XP, Vista, Windows 7 und Mac OS von Apple. Die Installation unter Windows 7 Professional dauert nur wenige Minuten. Die Software Samsung Connection Manager ist auf dem Surfstick gespeichert. Das erste LTE-Software-Update aus der Vodafone-LTE-800-Funkluft wird später auf den Laptop heruntergeladen, da in München am 7. und 8. Juli 2011 noch kein kommerzielles LTE-800 funkt.

Die Vodafone-Samsung-LTE-Client-Software ist so schnörkellos und selbsterklärend, dass kein einziger Blick in das gedruckte Mini-Handbuch nötig war. Ein paar schöne Statistik- und Diagnose-Features in der spartanischen Verbindungs-Software wären aber willkommen gewesen.

LTE-800-Messtour in Röhrmoos und Esterhofen bei München

Nach dem Einstecken des Samsung-Sticks in den USB-Port des Testnotebooks startet der Samsung Connection Manager. Er zeigt Statusmeldungen und fragt die PIN ab. Hinter Dachau meldet sich kurz vor Hebertshausen das neue LTE-Netz von Vodafone im fahrenden S-Bahn-Waggon. In Röhrmoos kommen plötzlich 4400 KBit/s auf den fahrenden Laptop. In Esterhofen sind es schon über 10.000 KBit/s im fahrenden Abteil. Aber nach ein paar Kilometern ist der Zauber schon wieder vorbei. Bis Petershofen kommt das Internet per LTE nur noch sporadisch in die S-Bahn.

ZDNet fährt deshalb nach Vierkirchen-Esterhofen zurück. In der Bäckerei des örtlichen Edeka-Marktes schafft der LTE-Stick Downloads mit 5778 bis 7683 KBit/s und Uploads von 343 bis 494 KBit/s. Die Pingwerte reichen von 59 bis 82 Millisekunden, der Jitter von 4 bis 50 Millisekunden und die für VoIP relevanten MOS-Werte liegen zwischen 4,15 und 4,31.

Im Rahmen des Test fällt die starke Hitzeentwicklung des Sticks auf: Man verbrennt sich daran fast die Finger. So ganz perfekt kann die Hardware noch nicht sein. Ähnliche Probleme gab es 2004 bei der Einführung von UMTS-Hardware. Klar ist aber auch: In einem kompakten Smartphone wäre so etwas nicht tolerierbar.

Deutlich bessere Messwerte wurden auf einer Betonbrücke direkt über den Bahngleisen erreicht. Dank des kühlen Abendwindes wird der Samsung-LTE-Stick anders als in der warmen Bäckerei nur noch handwarm. Und zwar trotz zahlreicher Downloads von 19.976 bis 36.632 KBit/s und vieler Uploads von 2473 bis 11.367 KBit/s. Die Pingwerte schwanken auf dieser Betonbrücke zwischen 53 bis 60 Millisekunden. Der Jitter von 3 bis 15 Millisekunden mit Häufungen bei 4 bis 7 Millisekunden. Die für die IP-Telefonie wichtigen MOS-Werte schwankten zwischen 4,36 und 4,37. Je später der Abend, desto besser wurden die Messwerte.

Auf der Rückfahrt nach München kommen selbst in der fahrenden S2 bei Röhrmoos 13.372 KBit/s im Download und 4203 KBit/s im Upload. Kurz vor Ebertshausen bricht die LTE-Verbindung in der fahrenden S-Bahn ab. Kurz darauf stellt der Laptop die Netzwerkverbindung zu Vodafone wieder her, bringt aber kein Internet mehr auf das Notebook. Danach endet der mit LTE 800 abgedeckte Bereich.

Ob die diversen Verbindungsabbrüche auf der LTE-versorgten Strecke zwischen Esterhofen und Ebertshausen nur auf letzte Lücken im LTE-Funknetz oder auf grundsätzliche Probleme beim Roaming zwischen verschiedenen LTE-800-Funkzellen hindeuten, konnte bislang nicht geklärt werden. Allerdings bietet Vodafone seinen Kunden das neue LTE zur Zeit ja sowieso nur als begrenzte, ortsgebundene Internetversorgungs-Lösung in einem Umkreis von wenigen Kilometern an, also nicht als voll mobilen Service. Damit ist das Surfen in der Bahn und das Roaming zwischen mehreren LTE-Funkzellen für die ersten LTE-Kunden ohnehin kein Thema.

Die Messwerte aus dem kommerziellen LTE-Netz sind von jenen rasanten Durchsatz-Leistungen, die ZDNet schon Ende 2010 in den leeren LTE-Testnetzen von O2 auf kurze Distanzen messen konnte, weit entfernt. Damals kamen im Landkreis Ebersberg weit über 40 MBit/s über einen LTE-800-Router vom Typ Huawei B390 in die Testlaptops. Dass so ein satter Durchsatz in einem kommerziellen LTE-Netz auf dem Lande nicht auf Anhieb zur Verfügung steht, war zu erwarten.

Die Messwerte sind bei diesem frühen LTE-Praxistest zudem extrem unterschiedlich ausgefallen. Die im Test verwendete Vodafone-SIM-Karte hatte weder Ortsbindung noch Geschwindigkeitsbegrenzung. Der reguläre LTE-Kunde entscheidet sich in der Regel für eine Daten-Flatrate mit 3600/720 KBit/s für 29,99 Euro, 7200/1400 KBit/s für 39,99 Euro, 21.600/5700 KBit/s für 49,99 Euro oder 50.000/10.000 KBit/s für 69,99 Euro. Die Inklusiv-Volumina liegen je nach Tarif bei 5, 10, 15 oder 30 GByte. Die Geschwindigkeit der Daten-Flatrates wird laut Auskunft von Dirk Ellenbeck, Leiter Kommunikation Technik und Innovationen bei Vodafone, nach Erreichen des Inklusiv-Volumens bei allen Tarifen auf jeweils 384 KBit/s im Up- und Downlink gedrosselt. Der Test zeigt: Lange wurde über LTE nur geredet, jetzt ist es endlich da.

ZDNet.de Redaktion

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