Mehr Daten pro Fläche, weniger Energieverbrauch und mehr Speed sollen neue Speicher und Rechner bringen. Grundlage vieler neuen Ideen mit diesem Ziel ist die Spintronik. Sie basiert auf der Nutzung des Drehsinns der Elektronen (Spin), einer quantenmechanischen Eigenschaft mit zwei Zuständen: „up“ und „down“. Die Spins der Elektronen eines Atoms bestimmen, wie sich ein Atom magnetisch nach außen verhält. Ein Fluss von Elektronen (Strom) mit wohl definierter Spin-Ausrichtung kann die Magnetisierungsrichtung in einer magnetischen Nanostruktur ändern. Eine neue Orientierung bleibt auch bei abgeschaltetem Stromfluss erhalten, bis wiederum ein Spin-Strom angelegt wird. Weil Spin-Effekte nicht auf Metalle beschränkt sind, werden gegenwärtig auf Grundlage derartiger Effekte auch auf Kohlenstoff basierende Bauelemente entwickelt.
An Grundlagen der Spin- und Magnetoelektronik auf atomarer Skala forscht beispielsweise eine Arbeitsgruppe am Institut für Angewandte Physik der Universität Hamburg. Professor Roland Wiesendanger, Direktor der Einrichtung, untersucht die magnetischen Eigenschaften unterschiedlicher Materialien auf atomarer Ebene, insbesondere die Auswirkungen von Stromfluss auf die magnetische Orientierung von Atomen und Nanostrukturen auf Oberflächen, die Kopplungsmechanismen zwischen einzelnen magnetischen Atomen und Molekülen sowie Fragen der Spin-Dynamik, welche für die Geschwindigkeit magnetischer Schalt- und Speicherprozesse wichtig sind.
Ein vielversprechendes Material für Spintronik-Bauelemente ist Graphen, eine einlagige Schicht aus Kohlenstoffatomen, wobei sich die Atome automatisch als wabenförmige Struktur anordnen. Für die Entwicklung einer Graphen-Produktionsmethode 2004 wurde bereits 2010 der Nobelpreis verliehen.
An der Friedrich-Alexander-Universität in Nürnberg ist es einer Gruppe um Professor Thomas Seyller schon 2009 gelungen, Graphen auf Siliziumkarbid-Scheiben aufzubringen und Modelle für einzelne Schaltelemente zu entwickeln. Im Juni 2011 schaffte es IBM, einen kompletten Schaltkreis aus Graphen zu bauen, der die Eigenschaften elektromagnetischer Wellen verändert. Er könnte, so IBM, durch Frequenzmischung beispielsweise die optische Datenübertragung um den Faktor zehn beschleunigen.
Am weitesten entwickelt: MRAMs
Am weitesten entwickelt sind sogenannte MRAM (Magnetic Random Access Memory). Sie speichern Daten mithilfe magnetischer Effekte statt mittels elektrischer Ladungen in den Speicherzellen. Wird der Strom am MRAM abgeschaltet, bleibt der Inhalt erhalten – eine wichtige Eigenschaft aller neuen Speichertechnologien. Grundlage der Bauelemente ist eine Entdeckung aus dem Jahr 1988: Peter Grünberg vom Forschungszentrum Jülich und Albert Fert von der Universität Paris-Süd entdeckten gleichzeitig magnetische Effekte in zwei übereinander gelagerten magnetischen Schichten, die durch eine ultradünne, nichtmagnetische Schicht voneinander getrennt sind: Der elektrische Widerstand des Schichtstapels verändert sich stark, wenn sich die Magnetisierung der Schichten ändert.
Definiert man eine Richtung als 0, die andere als 1, so lassen sich die Werte durch eine entsprechend empfindliche stromdurchflossene Sonde jeweils detektieren und auslesen, und zwar rund tausendmal schneller als bei Flash-Speicher, mit dem MRAM am ehesten konkurriert. Weiterer Vorteil gegenüber Flash: Während diese Technologie nach einigen Tausend Schreibzyklen den Geist aufgibt, lassen sich MRAMs bis zu einer Million Mal beschreiben.
MRAMs gibt es heute erst für Nischenanwendungen, bei denen die Speicherdichte nicht im Vordergrund steht. Weit vorn bei der Entwicklung schneller und kleiner MRAM-Zellen sind die Kooperationspartner IBM und Infineon. Infineon stellte kürzlich auf der VLSI-Tagung auf Hawaii den Prototypen eines 16-MBit-MRAM-Chips vor, bei dem 5000 Speicherzellen auf die Querschnittsfläche eines Haares passen würden.
Rasende Domänenwände
Ebenfalls zum Bereich Spintronik gehört der Racetrack-Speicher, eine IBM-Zukunftstechnologie. Racetrack bedeutet Rennbahn, und zwar für die unterschiedlich magnetisierten Zonen eines Nanodrahtes. Winzige, U-förmige Drähte von 4 Nanometern Dicke werden direkt im Halbleiter realisiert und dort nebeneinander angeordnet. Sie lassen sich in Längsrichtung magnetisieren, wobei unterschiedliche Magnetisierungsrichtungen wie bei MRAM als unterschiedlicher elektrischer Widerstand in Erscheinung treten. Am Fuß des U-förmigen Nanodrahtes befinden sich ein Nanosensor, der den Speicher ausliest und ein Schreibelement, das Domänenwände und damit Speicherzellen erzeugt.
Doch wie kann man alle Bereiche eines Nanodrahtes erreichen, nicht nur den am Fuß des U-förmigen Drahtes? „Wir wissen seit einigen Jahren, dass man Domänenwände durch das Anlegen elektrischen Stroms gezielt in Längsrichtung vor- und rückwärts im Draht verschieben kann“, erklärt Rolf Allenspach, Leiter der Gruppe Physik nanoskaliger Systeme im IBM-Labor in Rüschlikon. Heute lassen sich sechs Domänenwände auf einmal verschieben. 100 und mehr sind das Ziel. Die dreidimensionale Technologie verspricht eine bis zu hundertmal höhere Speicherdichte als der zu ersetzende Konkurrent Flash. Allerdings dürfte es noch einige Jahre dauern, bis Racetrack als Produkt realisierbar ist.
Phase Change Memory
Schon in fünf Jahren könnte IBMs Phase Change Memory verfügbar sein. Hier symbolisieren die durch Stromfluss veränderlichen Aggregatzustände des Speichermaterials Nullen und Einsen. Die Speicherzellen bestehen aus Chalkogenid-Legierungen aus Germanium, Tellur und Antimon, deren Zustand zwischen kristallin und amorph wechselt.
Die Speicherzelle ist in zwei metallische Elektroden eingebettet. Je nach Aggregatzustand haben die Verbindungen einen um ungefähr zwei bis drei Größenordnungen unterschiedlichen elektrischen Widerstand, der sich detektieren lässt. Durch die Messung des Stroms ist er Widerstand und damit der codierte Wert der Zelle ermittelbar.
Der amorphe Zustand entsteht, wenn ein relativ starker und kurzzeitiger Spannungspuls angelegt wird, wodurch das Material auf eine Temperatur über dem Schmelzpunkt erhitzt wird. Der kristalline Zustand entsteht, wenn man eine niedrigere Spannung länger anlegt und das Material so über die Kristallisationstemperatur erhitzt wird. Der schwache Auslesestrom ändert den Aggregatzustand nicht.
Weil der Abstand zwischen den Widerstandsniveaus der Aggregatzustände kristallin und amorph mit Faktor 100 bis 1000 recht groß ist, und es Zwischenzustände mit nur teilweiser Kristallisation/Amorphisierung gibt, arbeitet man nun daran, solche Zwischenniveaus einzubeziehen. Damit ließe sich in einer Speicherzelle mehr als ein Wert hinterlegen – ähnlich wie in MLC-Zellen bei Solid-State-Speichern. „Inzwischen ist es uns gelungen, Zellen mit vier unterscheidbaren Widerstandniveaus zu realisieren“, erklärt IBM-Fellow Evangelos Eleftheriou, der maßgeblich an der Entwicklung der Technologie beteiligt ist. Das bedeutet die Speicherung von zwei Bits.
Allerdings verschieben sich die definierten Widerstandsniveaus in der Zelle aufgrund chemisch-physikalischer Prozesse. Diese sogenannte Drift, die sich unmittelbar nach der Programmierung einer Zelle manifestiert, wird normalerweise als Kurzzeit-Drift bezeichnet. Um dieses Phänomen zu umgehen, arbeitet das IBM-Team an einer Technik zur Auslesung der gespeicherten Informationen entwickelt, die weitgehend Drift-unempfindlich ist. Kürzlich meldete IBM hier einen Erfolg. Eleftheriou freut sich: „Wir konnten bei 200.000 Zellen nach sechs Monaten normale Fehlerraten erreichen, wie sie von Speicher erwartet werden.“
Vielversprechend ist die Wiederbeschreibungsrate von zehn Millionen – ausreichend für anspruchsvolle Enterprise- oder Cloud-Anwendungen. Zielrichtung von PCM ist denn auch der Ersatz bisheriger Hard-Disk-Technologien. IBM will die Technologie wahrscheinlich nicht selbst in der Produktion nutzen, sondern lizenzieren.
Mikro-Logik durch Memristoren
Auch HP ging es zunächst um neue, dichtere und schnellere Speicher, als man Memristoren entwickelte. Der Memristor hat grundsätzliche konzeptionelle Bedeutung, weil er das von Berkeley-Professor Leon Chua schon 1971 prognostizierte, vierte passive Grundlagen-Bauelement der Elektronik neben Spule, Widerstand und Kondensator ist.
Laut Chua lassen sich mit Memristoren Synapsen-ähnliche Bauelemente konstruieren. Das ist eine Voraussetzung dafür, Computer zu bauen, die tatsächlich funktionieren wie die Hirne von Lebewesen. Tatsächlich schaffte HP es 2010, Logikfunktionen mit Memristoren zu realisieren – was bedeutet, dass Speicherchips eigenständig Aufgaben ausführen könnten, die heute der Prozessor erledigen muss.
Ein Memristor vereinigt in sich die Eigenschaften von Speicher und Widerstand: Er besteht derzeit aus übereinanderliegenden molekularen Schichten aus Titanoxid, von denen die obere Gitterlücken in Gestalt fehlender Sauerstoffatome aufweist. Die untere, vollständige Schicht verhält sich wie ein Metall, die obere wegen der Gitterleerstellen wie ein Halbleiter.
Mithilfe eines an die Schichten angelegten, von Strom durchflossenen Kupferdrahtes lassen sich diese in die an sich komplette darunter liegende Titanoxid-Schicht verschieben oder – bei entgegensetzten Richtung des Stromflusses – wieder aus ihr herausdrücken.
Die beiden Schichten ändern also durch Strom ihre Dicke. Damit korreliert jeweils ein spezifischer Widerstand – was wiederum in einer Speicherzelle eine Null oder eine Eins codieren kann. Mehrere Memristoren-Schichten lassen sich in Bauelementen übereinanderlegen, was die Speicherdichte erhöht. Zudem sind Memristoren resistent gegen Strahlung und brauchen nur sehr wenig Strom. Anwendungen gibt es viele: HP kann sich beispielsweise vorstellen, Memristoren statt Silizium in den Displays von E-Readern zu verwenden. Doch auch bis dahin dürfte es noch eine Weile dauern.
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