Durchleuchtet: Microsofts „cloud-ready“ Lizenzen

Am 1. Juli hat Microsoft in seine Volumenlizenzvereinbarungen neue Klauseln aufgenommen. Erklärtes Ziel der Änderungen war es, dass Kunden die Workloads ihrer Applikations-Server einfacher von Hardware im eigenen Haus in die Cloud verschieben können, beziehungsweise es ihnen zu erleichtern, hybride Cloud-On-Premise-Szenarien einzurichten. Directions on Microsoft, eine in Kirkland im US-Bundessstaat Washington ansässige Beratungsfirma mit Schwerpunkt auf Microsoft, hat sich durch das Kleingedruckte der neuen Lizenzklauseln durchgearbeitet und einen Bericht mit dem Titel „Enterprise Cloud Licensing Rules Clarified“ veröffentlicht.

Autor des Berichts ist John Cullen, Analyst bei Directions on Microsoft. Das Interessante daran: Bevor er zu der Beratungsfirma stieß, war er bei Microsoft fünf Jahre lang damit beschäftigt, die Lizenzregeln für Windows Server mitzugestalten. ZDNet-Autorin Mary Jo Foley sprach mit John Cullen über den Report und die Cloud-bedingten Änderungen in Microsofts Volumenlizenzen.

ZDNet: Warum hat Ihrer Ansicht nach Microsoft diese Änderungen vorgenommen? Und wie kommen sie Kunden, Partnern oder dem Unternehmen selbst zugute?

Cullen: Ziel der Änderungen ist es, den Wechsel in die Cloud für Kunden mit Software Assurance einfacher und attraktiver zu machen. Insbesondere der Wechsel zur Cloud eines Hosters wird durch die Änderungen bessergestellt. Außerdem ist es ein deutlicher Versuch von Microsoft dafür zu sorgen, dass das Konzept der Software Assurance auch beim Wechsel zu Cloud Computing nicht an Bedeutung verliert. Microsoft will Kunden, die sich in die Cloud bewegen, mehr Möglichkeiten bieten, unabhängig davon, ob sie Microsofts eigene Hosted Online Services oder die eines Hosters wählen, der seine Lizenzen unter dem Service Provider License Agreement (SPLA) nutzt. Außerdem wird das Abo-Programm Software Assurance deutlich aufgewertet.

ZDNet: Welche Auswirkungen werden die aktuellen Änderungen unterm Strich haben? Sind sie für Kunden eher positiv oder negativ? Und wie fällt die Bilanz für die Hoster aus, die Microsoft-Programme anbieten?

Cullen: Insgesamt dürfte die Bilanz der Betroffenen positiv ausfallen. Einerseits deshalb, weil es nun Möglichkeiten gibt, die vorher nicht bestanden haben. Andererseits weil bestehende Lizenzregelungen nicht angetastet werden. Mit den Neuerungen bekommen Kunden die Flexibilität, Lizenzen zu einem Hoster umzuziehen, der mandantenfähige Systeme betreibt.

Insbesondere die Aufteilung einer Hardware durch den Hoster auf mehrere Kunden ist nun besser gelöst. Hoster können dadurch von ihren Kunden nun niedrigere Preise verlangen und dennoch mehr verdienen, da Kunden auch ihre eigenen Lizenzen mitbringen können. Zu Bedenken ist jedoch, dass Hoster einen komplizierteren internen Prozess aufsetzen müssen, um auch in der neuen Situation sicherzustellen, dass die Lizenzsituation den Lizenzregelungen entspricht.

ZDNet: Wie wirken sich die Änderungen der Lizenzregelungen auf die Kosten aus, die die Kunden für Microsoft-Software haben? Und gibt es unterschiedliche Auswirkungen auf unterschiedliche Kundengruppen?

Cullen: Da wird es nun richtig kompliziert. Die Antwort hängt vom Ergebnis des Vergleichs der Lizenzkosten ab, die ein Kunde bisher aufzubringen hatte, der einen Hoster im Rahmen der SPLA Gebühren entrichtete mit denen, die für Software Assurance und herkömmliche On-Premise-Lizenzen anfallen, wenn die einem Hoster übergeben werden. Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass im neuen Modell die Lizenzkosten in den meisten Fällen niedriger sind. Es kann aber durchaus auch vorkommen, dass die Verlagerung an den Hoster den Kauf zusätzlicher Lizenzen notwendig macht, um Microsofts Regeln einzuhalten. Und dann kann es auch von den Bedingungen abhängen, die das Unternehmen zuvor mit Microsoft ausgehandelt hatte. Ein genereller Vergleich ist nur auf Grundlage der Listenpreise möglich.

ZDNet: Welche Kunden sind von der Reduzierung der Anzahl der erlaubten „Operating System Environments“ (OSE) in der neuen Regelung am meisten betroffen?

Cullen: Dies betrifft voraussichtlich am stärksten Kunden, die Prozessor-gebundene Lizenzen von SQL Server Enterprise und Datacenter Edition nutzen. Ein Beispiel, bei dem die Lizenzen in der Cloud großzügiger ausgelegt sind als On-Premise, bei dem der Kunde gewinnt, ist dieses: Ein SQL-Server-Workload läuft auf einem Zwei-Prozessor-Server unter SQL-Enterprise-Prozessor-Lizenzen. Er kann dann diesen Workload zu einem Hoster mit mandantenfähigen Angeboten geben, der sie auf einem Vier-Prozessor-Server laufen lässt. Dann steht ihm mehr Rechenleistung zur Verfügung, als er On-Premise hatte, er benötigt aber dennoch nur eine seiner bisher zwei SQL-Enterprise-Lizenzen dafür.

Es gibt aber auch Konstellationen, in denen der Kunde verliert, in denen er beim Schritt in die Cloud also zusätzliche Lizenzen erwerben muss. Auch dafür ein Beispiel: Vier SQL-Server-Workloads laufen – jedes in seiner eigenen VM – auf einem Zwei-Prozessor-Server mit zwei Prozessor-gebundenen Lizenzen für SQL Server Enterprise. Beim Umzug dieser Lizenzen in die Cloud sind dann nur zwei Workloads auf den mandantenfähigen Servern des Hosters zulässig.

ZDNet: Sind Ihnen beim Erstellen der Studie Bereiche aufgefallen, bei denen Kunden besonders aufpassen sollten?

Cullen: Unser Bericht zeigt, dass Nutzer von SQL Server und BizTalk Server sowie Firmen, die Prozessor-gebundene Lizenzen nutzen, gründlich vergleichen sollten. Wir haben auch eine Tabelle erstellt, die aufzeigt, wo die Nutzungsrechte beim Wechsel zu einem mandantenfähigen Angebot eines Hosters eingeschränkt werden. Sie zeigt für Server-Application-Lizenzen die wichtigsten Unterschiede zwischen den On-Premise eingeräumten Rechten und den entsprechenden Einschränkungen bei der Nutzung auf dem mandantenfähigen Server eines Hosters. In Abhängigkeit vom Produkt, führt das zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen.

Der in der Tabelle verwendete Begriff „virtueller Prozessor“ hat im Zusammenhang mit den Lizenzbedingungen eine eigene Bedeutung. Er steht für den Gegenwert der Rechenleistung eines physischen Prozessors, wobei Prozessor als Chip definiert ist, der ein Socket auf dem Motherboard belegt. Damit unterscheidet er sich erheblich von dem, was man gemeinhin unter einem „virtuellen Prozessor“ versteht. Wie es in Microsofts vierteljährlichem Product-Use-Rights-Dokument heißt: „Ausschließlich für Lizenzzwecke, wird für einen virtuellen Prozessor angenommen, dass er dieselbe Anzahl an Threads und Kernen hat, wie jeder der physisch vorhandenen Prozessoren der zugrundeliegenden Hardware.“

Beispiele für Änderungen durch Microsofts „cloud-ready“ Lizenzbedingungen

Prozessor Lizenz On-Premise-Server Gehostete, mandantenfähige Server
SQL Prozessor-Lizenz, Standard Edition Jede Prozessor-Lizenz deckt ein OSE ab, ein OSE benötigt mehr als eine Prozessor-Lizenz, wenn es so konfiguriert ist, dass es mehr als einen virtuellen Prozessor nutzt. Jede Prozessor-Lizenz deckt ein OSE ab, jedes OSE darf auf bis zu vier virtuelle Prozessoren zugreifen.
SQL und BizTalk Server-Lizenz, Enterprise Edition SQL Server kann auf einer unbegrenzten Anzahl von OSEs auf dem lizenzierten Server laufen. Ees gibt keine Beschränkung der Anzahl der virtuellen Server, die jedes OSE nutzen kann. Jede Server-Lizenz deckt nur ein OSE ab, es gibt keine Beschränkung bei der Anzahl der virtuellen Prozessoren, die ein OSEs nutzen kann.
SQL und BizTalk Prozessor-Lizenz, Enterprise Edition Wenn für alle physischen Prozessoren im Server eine Prozessor-Lizenz vorliegt, kann SQL Server auf einer unbeschränkten Anzahl von OSEs auf dem lizenzierten Server laufen – ohne Beschränkung der virtuellen Prozessoren, die jedes OSE nutzt. Jede Prozessor-Lizenz deckt nur ein OSE ab, jedes OSE kann bis zu vier virtuelle Prozessoren nutzen.
SQL Prozessor-Lizenz, Datacenter Edition Bei der Datacenter Edition muss für alle physischen Prozessoren im Server eine Prozessor-Lizenz vorliegen. Dann darf SQL Server in einer unbegrenzten Anzahl von OSEs auf dem lizenzierten Server laufen. Auch die Zahl der virtuellen Prozessoren für jedes OSE ist durch die Lizenz dann nicht beschränkt. Jede Prozessor-Lizenz deckt nur ein OSE ab, jedes OSE kann bis zu vier virtuelle Prozessoren nutzen.

ZDNet.de Redaktion

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