Neue HP-Strategie besiegelt das Ende von WebOS

Hewlett-Packard hatte auch nicht mehr Glück mit WebOS als Palm, vielleicht sogar noch weniger. Der Konzern hat heute erklärt, den Verkauf von Geräten mit WebOS einstellen zu wollen einschließlich des kürzlich erst eingeführten TouchPads und der Smartphones. Das ist verbunden mit einer größeren Reorganisation, zu der auch ein möglicher Verkauf der Personal Systems Group gehört, die für PCs und andere Geräte für private Verbraucher zuständig ist. Gleichzeitig denkt HP an den Kauf des britischen Unternehmens Autonomy, dessen Schwerpunkt in Cloud und Enterprise-Software liegt.

Die Ankündigung bedeutet das Ende von WebOS, das viele Vorschusslorbeeren erhielt, aber in den letzten Jahren nicht die erwarteten Erfolge im Markt feiern konnte. Die überraschende Wende, die HP jetzt einleitet, wirft ein Schlaglicht auf den brutalen Wettbewerb um die Betriebssysteme für Smartphones.

„Der Markt und die Verbraucher haben bewiesen, dass es niemand wollte“, erklärte dazu Maribel Lopez, eine Analystin bei Lopez Research. „Ich bin nicht sicher, ob sie es überhaupt jemandem verkaufen konnten.“

Neben Apples iOS oder Googles Android spielte WebOS einfach nicht in der gleichen Liga und hätte eine große Anfangshürde überwinden müssen, um eine ähnliche Reichweite zu gewinnen. Durch die mäßige Unterstützung von Palm und HP hatte das Betriebssystem vielleicht nie eine Chance.

Hoffnung auf den Retter

In seiner ersten Inkarnation war es der erhoffte Retter für den Smartphone-Pionier Palm. Für die Entwicklung der Software war vor allem Jon Rubinstein verantwortlich, ein früherer Apple-Veteran, der als Vater des iPod galt und rechte Hand von Steve Jobs. Mit so überzeugenden Referenzen und einem beeindruckenden Debüt zur Consumer Electronics Show im Jahr 2009 erwartete eine hoffnungsfrohe Branche mit dem Palm Pre die erfolgreiche kommerzielle Einführung des ersten Gerätes mit WebOS. Palm ermutigte sogar Überschriften, in denen es zum „iPhone-Killer“ überhöht wurde.

Es folgte eine Reihe strategischer Fehler, die zu einem vermasselten Marktstart führten. Nach der Vorstellung im Januar kam Palm Pre erst im Juni in die Läden. Dieser lange Abstand ließ die Luft aus dem Hype rund um das Smartphone. Die Einführung erfolgte beim US-Netzbetreiber Sprint, der zu dieser Zeit mit der massiven Abwanderung von Kunden zu kämpfen hatte.

Palm versuchte das Pre selbst zu bewerben, verwirrte potenzielle Käufer aber mit einer Serie ausgefallener TV-Spots. Sie ernteten heftige Kritik, da sie es versäumten, die Vorteile der Software zu vermitteln.


HP-Chef Léo Apotheker macht Schluss mit WebOS.

Während Rubinstein eine grundsolide Software schuf, verband er weder das Pre noch das folgende Modell Pixi mit qualitativ ansprechender Hardware. Die vorgestellten Geräte fühlten sich billig an. Das fiel besonders auf im Vergleich mit Apples iPhone, das den Eindruck qualitativ besserer Bauteile vermittelte.

Als Palm schließlich weitere Vertriebspartner mit den Netzbetreibern Verizon Wireless sowie AT&T gewann, scheiterten die Handys wieder an einem schwachen Marketing. Verizon beispielsweise versuchte die Geräte in einer eilig zusammengeschusterten Kampagne vor allem an Frauen zu verkaufen.

Rubinsteins größte Fehleinschätzung aber war, dass er den kometenhaften Erfolg von Apples App Store nicht rechtzeitig erkannte. Während das Pre in vielen wesentlichen Features mit dem iPhone gleichzog und es sogar vielfach übertraf, zog es nie die Entwickler-Community an, die das iPhone in ein Schweizer Armeemesser unserer Zeit verwandelte. Die fehlenden Anwendungen erwiesen sich als der entscheidende Nachteil, der WebOS bis zum Ende begleiten sollte.

Ein zweites Leben

WebOS schien eine zweite Chance zu bekommen, als HP die Übernahme Palms für 1,2 Milliarden Dollar vereinbarte. HP entwickelte die große Vision, WebOS in all seine Hardware zu integrieren. Die Software sollte seine Computer und Drucker verbinden neben Smartphones und Tablets. Aber HP machte es kaum besser. Das erste von HP unter der eigenen Marke vertriebene Gerät war das kleine Veer, das mehr wie ein Spielzeug als ein echtes Smartphone wirkte. Das Handy bewirkte nur wenig Begeisterung für das neue WebOS.

Während der Tablet-Markt explodierte durch das populäre iPad und seinen Nachfolger, konzentrierte sich HP auf das TouchPad. Das Gerät erlebte einen verwirrenden Start mit einem Produkt im Markt, während HP-Manager die „offizielle Einführung“ von WebOS erst später im Juli vorsahen. Das TouchPad verkaufte sich offenbar kaum. Best Buy, die führende Elektromarkt-Kette in den USA, sitzt angeblich auf mehr als 200.000 unverkauften TouchPads, obwohl HP den Verkaufspreis bereits um 100 Dollar reduzierte.

Als weiteres Alarmzeichen waren Personalrochaden bei HP zu werten. Als neuer Chef übernahm Stephen DeWitt die WebOS-Plattform, ein Veteran aus der PC-Sparte von HP. Rubinstein wurde in eine Managementposition innerhalb der Gruppe versetzt und sollte sich dort um eine übergreifende Sicht auf WebOS in der Produktpalette von HP kümmern.

Das als nächstes Flaggschiff-Smartphone vorgesehene Pre3 kam in europäischen Ländern auf den Markt, fand aber keine Akzeptanz bei den Mobilfunkanbietern. „HP hat Palm vor über einem Jahr übernommen, konnte aber bis heute nichts in Schwung bringen“, erklärte Lopez.

Auferstehung unwahrscheinlich

Niemand sollte sich großen Hoffnungen hingeben, dass ein anderes Unternehmen einspringt und für die Wiederbelebung von WebOS sorgt. HP erklärte zwar die Absicht, „Möglichkeiten zu erkunden, um den Wert von WebOS auszuschöpfen“, was eine Umschreibung dafür ist, es rundum zum Verkauf anzubieten. Einem angeblichen Insiderbericht zufolge will HP das Betriebssystem nicht aufgeben und es an andere Hersteller lizenzieren. Demnach erklärten die führenden HP-Manager Stephen DeWitt und Todd Bradley bei einer internen Veranstaltung, diese Fragen in den nächsten zwei Wochen klären zu wollen. Die Namen möglicher Lizenznehmer – denkbar wären Hersteller wie HTC und Samsung – wollten sie nicht nennen.

Unklar bleibt, ob HP überhaupt Lizenznehmer finden kann. „Kann es überhaupt einen vernünftigen Menschen geben, der ein Mobiltelefon entwickeln möchte mit einem OS, das nur zwei Prozent Marktanteil erreicht?“ fragt Analyst Roger Entner von Recon Analytics. Forrester-Analyst Charles Golvin hält immerhin für möglich, dass sich ein chinesischer Hersteller wie Huawei oder ZTE für ein anderes Betriebssystem interessiert, obwohl beide bereits erfolgreich mit Android arbeiten.

Bis auf weiteres sind im Smartphone-Markt vor allem zwei Pferde im Rennen, er wird klar dominiert von Apple und Google. Während Research in Motion taumelt im Übergang auf seine neue Softwareplattform, gibt Nokia Symbian weitgehend auf und Microsoft hofft noch immer auf mehr Aufmerksamkeit für Windows Phone. In dieser Situation verringerten sich die Chancen für WebOS drastisch, es hätte ein aussichtsloser Kampf werden können.

ZDNet.de Redaktion

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