Steve Jobs: Wie er den Computer ständig neu erfand

Gestern starb Steve Jobs mit nur 56 Jahren. Er verlor den sieben Jahre währenden Kampf gegen seinen Krebs. Jobs gilt als einer der größten Erfinder und Wegbereiter von neuen Technologien unserer Zeit. Mit ihm geht ein Mann, der wie kein zweiter die Entwicklung von Desktop-PCs, Mobiltelefonen, MP3-Playern und Tablets beeinflusst hat. Oft wird Steve Jobs als Guru bei der Betriebssystementwicklung bezeichnet. Mac OS, NeXTStep und iOS seien im Wesentlichen von ihm entwickelt.

Obwohl Jobs durchaus einen Compiler zu benutzen verstand, programmierte er nur wenig selbst. Sein Hauptfokus lag immer darin, technische Geräte für jedermann – auch ohne Informatikstudium – benutzbar zu machen. Das Basisbetriebssystem mit Treibern, Prozess- und Speicherverwaltung sowie grundlegenden Kommandozeilentools war nie Gegenstand des Interesses von Steve Jobs. Wichtig war ihm, dass ein Computer das tut, was der Benutzer von ihm erwartet, wenn er mit der Maus auf ein Symbol klickt.

Die Vision von Jobs war es immer, dass jeder, der den Computer einschaltet, sofort ohne Vorkenntnisse damit produktiv arbeiten kann. Diese Vision hatte nicht nur Steve Jobs, sondern auch zahlreiche Mitbewerber. Aber er ist einer der wenigen, die sowohl genug technisches Verständnis besaßen, als auch genug Einfühlungsvermögen für nicht in Zahlen und Formeln denkende Menschen.

Auch Steve Jobs fing nicht bei Null an: Im Jahr 1979 besuchte er den legendären Xerox PARC (Palo Alto Research Center), in dem zahlreiche grundlegende Erfindungen gemacht wurden, die heute auf jedem Schreibtisch selbstverständlich sind. Dazu zählen die Maus, die grafische Benutzeroberfläche mit Fenstern und die Seitenbeschreibungssprache Postscript, die später an Adobe verkauft wurde und heute in etwas abgewandelter und modernisierter Form den meisten als PDF bekannt ist.

In einem Fernsehinterview erzählte er später, dass dieser Besuch für ihn das inspirierendste Erlebnis in seinem Leben war. Seitdem war er wie besessen von der Idee, einen Desktop-Computer zu bauen, der absolut intuitiv zu bedienen ist und auf eine Kommandozeile verzichtet.


Der Forschungsrechner Xerox Alto inspirierte Steve Jobs (Quelle: Wikimedia, Lizenz: gemeinfrei).

Bei Xerox wurde ihm der Forschungsrechner Xerox Alto gezeigt. Er hatte 64 KByte Hauptspeicher und konnte auf bis zu 256 KByte erweitert werden. Der Rechner besaß darüber hinaus eine Wechselfestplatte mit 2,5 MByte Kapazität. Zudem war er so groß wie ein kleiner Kühlschrank.

Der Bildschirm war im Hochformat aufgestellt. Xerox kam es neben der Verarbeitung von Daten vor allem auf deren Darstellung an. Am Ende sollte ein druckbares Dokument herauskommen. Das Hochformat sollte ein Dokument in US-Letter oder DIN A4 so anzeigen können, wie es später auch auf Papier aussieht. Der Begriff WYSIWYG (What you see is what you get) wurde geboren.

1979 war an einen Personalcomputer mit 64 bis 256 KByte nicht zu denken. Das wäre viel zu teuer gewesen. Auch eine Festplatte in einem PC war damals Utopie. Zunächst versuchte 1981 Xerox selbst einen kommerziellen PC mit dem neuen System herauszubringen, scheiterte aber mit dem Xerox Star kläglich. Im selben Jahr brachte IBM seinen ersten PC auf den Markt, begleitet von viel Marketingrummel, und war erfolgreich.


Apple Lisa scheiterte im Markt. Mit etwa 30.000 DM war der Rechner viel zu teuer (Quelle: Wikimedia, Lizenz: CC-BY-SA 3.0).

Steve Jobs und Apple scheiterten ebenfalls mit ihrem ersten Versuch. Apple lizenzierte die grafische Benutzeroberfläche und Postscript und brachte 1983 Apple Lisa auf den Markt. Lisa war keine reine Kopie der lizenzierten Oberfläche, sondern beinhaltete eine Menge Arbeit, die Steve Jobs in Benutzerfreundlichkeit investiert hatte.

So befand der Apple-Chef, dass eine Drei-Tasten-Maus den Benutzer verwirrt und eine Taste ausreichen müsse. Bis heute baut Apple seine Mäuse so, dass die einzelnen Tasten nicht sichtbar sind, obwohl eine zweite Taste und das Mausrad inzwischen auch bei Apple angekommen sind.

Das Betriebssystem nannte sich Lisa OS. Nach Apple-Darstellung bedeutet Lisa „Local Integrated Software Architecture“. Als wahrscheinlich gilt jedoch, dass Jobs älteste Tochter Namenspatin war.

In der Grundausstattung mit 512 kByte RAM und zwei 5,25-Zoll-Diskettenlaufwerken kostete Lisa 9995 Dollar. Das entsprach damals etwa 30.000 DM. Zu diesem Preis konnte Apple keine signifikante Menge verkaufen.

Was mit heutigen Elektroschrottgesetzen unvereinbar ist, sparte Apple damals eine Menge Steuern. Steve Jobs ließ 2700 Apple Lisas in der Wüste von Utah vergraben und dokumentierte diese Aktion für das US-Finanzamt. Dadurch konnte der unverkäufliche Lagerbestand zu 100 Prozent sofort abgeschrieben werden.

Endlich kommerziell erfolgreich: Der erste Macintosh

1984 kam Apple mit einem preiswerteren Gerät auf den Markt, dem Apple Macintosh. Es hatte lediglich 128 KByte Speicher und nur ein Diskettenlaufwerk. Außerdem war der Monitor mit 9 Zoll sehr klein. Dafür kostete der erste ‚Mac‘ nur 2495 Dollar, was etwa 7200 DM entsprach. In Deutschland lag der Verkaufspreis aber bei etwa 10.000 DM.

Das Betriebssystem nannte sich einfach nur „System“. Der Name Mac OS wurde erst ab System 7.5.1 verwendet. Wieder hatte Steve Jobs revolutionäre Neuerungen eingeführt. Dateien wurden nicht gelöscht, sondern in den Papierkorb verschoben. Dort konnte man sie auch wieder herausholen, solange man den Papierkorb nicht entleerte. Ferner gab es in allen vorinstallierten Anwendungen eine mehrstufige Undo-Funktion. Wer versehentlich einen Absatz in einem Dokument gelöscht hatte, konnte ihn leicht wiederherstellen.

Die schon von Lisa OS bekannte Menüleiste, die sich immer oben am Bildschirm befindet und nicht im Fenster der Anwendung, war beim 9-Zoll-Bildschirm des Macintosh Pflicht. So sparte man Platz, wenn mehrere Fenster gleichzeitig geöffnet waren. Die einheitliche Menüleiste ist bis heute Markenzeichen von Mac OS.

Der Macintosh wurde ein voller Erfolg und stellte eine ernsthafte Konkurrenz zu den bereits damals dominierenden IBM-PCs und ihren Clones dar. Doch die Mitbewerber schliefen seinerzeit nicht und auch sie haben sich im Xerox PARC umgesehen.

Microsoft und Digital Research kommen mit Nachahmungen

Microsoft stellte bereits im November 1983 den Prototyp eines „Interface Managers“ für MS-DOS vor und brachte das Produkt genau zwei Jahre später unter dem Namen Microsoft Windows auf den Markt. Der ehemalige Xerox-PARC-Mitarbeiter Lee Jay Lorenzen gründete die Firma Digital Research (DRI) und entwickelte einen Clone der Xerox-PARC-Oberfläche, die sich erst GSX und später GEM nannte. Die x86-Version wurde ab Februar 1985 verkauft.

Während sich GEM und das damalige Macintosh-Betriebssystem wie ein Ei dem anderen glichen, schaffte es Microsoft zunächst nicht, überlappende Fenster zu implementieren. Vom API her waren das Windows-GDI und das Mac-Betriebssystem aber fast identisch. In modernen Mac-OS-X-Versionen hat das ursprüngliche API unter dem Namen Carbon bis heute überlebt, dient aber nur noch als Migrationspfad für alte Anwendungen. Auch Windows verfügt noch über das GDI, dass aber zunehmend von Direct2D und DirectX verdrängt wird.

Anders als Apple zahlten Microsoft und DRI keine Lizenzgebühren an Xerox, was zu einem langjährigem Prozess führte, der mit einem Vergleich endete. Das wesentliche Ergebnis war, dass nur Apple die Bezeichnung „Trash“ (Papierkorb) verwenden durfte. Microsoft nutzte für Windows den Namen „Recycle Bin“, IBM in OS/2 das unzutreffende Wort „Shredder“ und in GEM gab es einen „Waste Basket“.

Streit um Weiterentwicklung von Mac OS: Steve Jobs gründet NeXT

Abseits des Streites mit DRI und Microsoft arbeitete Steve Jobs an der Weiterentwicklung der grafischen Benutzeroberfläche. Er konzipierte ein System, das auf Unix aufsetzt und echtes Multitasking beherrscht sowie Speicherschutz zwischen Prozessen bietet. Mehrere Anwendungen sollten gleichzeitig an einem Dokument arbeiten können. Zudem sollte die Oberfläche vollständig objektorientiert sein.

Damit Jobs sich besser auf die Weiterentwicklung konzentrieren konnte, holte er 1983 Pepsi-CEO John Sculley zu Apple, der zunächst an einem Chefposten bei Apple nicht interessiert war. Erst als Jobs die berühmten Worte „Willst Du für den Rest Deines Lebens Zuckerwasser verkaufen oder die Chance haben, die Welt zu verändern“ sprach, schlug Sculley ein.

Doch Sculley kam aus der Getränkeindustrie und hatte für Jobs‘ Weiterentwicklungen des Betriebssystems und der Oberfläche wenig Verständnis. Ein erfolgreiches Getränk wie Pepsi Cola erfährt im Laufe der Jahrzehnte kaum Rezeptänderungen. Für die Computerindustrie ist diese Denkweise jedoch tödlich.

Es kam zu einem erbitterten Machtkampf zwischen Sculley und Jobs, der damit endete, dass Jobs 1985 Apple verließ und NeXT gründete. Diese Trennung tat Apple für die folgenden Jahre sehr gut. Unter Sculley wurde mit dem Apple Laserwriter ein günstiger Laserdrucker mit Postscript auf den Markt gebracht. Ferner wurden AppleTalk-Karten mit eigenem Protokoll entwickelt, die eine preiswerte Vernetzung erlaubten. Ethernet war damals noch sehr teuer.

Unter Sculley erfolgte ebenfalls der Wechsel von den Motorola 680×0-CPUs hin zu PowerPC-Prozessoren, die damals gemeinsam von Apple, IBM und Motorola entwickelt wurden.

Ein Computer für Steve Jobs: Kein Interesse am kommerziellen Erfolg

Für Steve Jobs war der Rauswurf wohl die bis dahin bitterste Erfahrung in seinem Leben. Lange Zeit sprach er nicht darüber. Er hielt generell nicht viel davon, in der Öffentlichkeit über sein Privatleben zu sprechen. Interviews mit Journalisten setzte er meist nur mit zehn Minuten an.

Erst auf einem Vortrag an der Stanford University 2005 als er bereits an Krebs erkrankt war, sagte er, er habe als 20-Jähriger mit Apple die große Liebe seines Lebens gefunden. Mit 30 sei er entlassen worden und habe trotzdem mit NeXT weitergemacht.

Steve Jobs wollte jedoch in seiner NeXT-Zeit von Apple offziell nichts wissen. Er verkaufte alle Aktien bis auf eine. Außerdem schwor er dem kommerziellen Erfolg ab. Mit unverkennbarer Verbitterung verkündete er, er werde mit dem NeXT einen Computer entwickeln, so wie er ihn sich persönlich wünsche. Ob diesen Computer auch andere kaufen wollen, sei ihm völlig egal. Später erklärte er, er habe niemals ein Interesse daran gehabt, einmal der reichste Tote auf einem Friedhof zu sein. Erfüllung sei für ihn, abends ins Bett zu gehen mit der Gewissheit, etwas Wunderbares geschaffen zu haben.

Als Basisbetriebssystem verwendete er den von Rick Rashid entwickelten Mach-Microkernel. Da sich herausstellte, dass einige Funktionen fehlten, etwa SMP-Unterstützung und andere Funktionen sehr langsam liefen, ließ er von seinen Mitarbeitern solche Funktionen von Teilen des BSD-Unix-Kernels implementieren. So entstand der Darwin-Hybrid-Kernel.

Als Programmiersprache wählte er Objective-C. Dabei handelt es sich um ein Superset von C, das mit Konzepten von Smalltalk erweitert wurde. So lassen sich Low-Level-Routinen in C und komplexe High-Level-Operationen, wie man sie beispielsweise von Visual Basic kennt, beliebig im Sourcecode mischen. Dazu erfand Jobs einen objektorientierten Layer für Anwendungen, so dass seine Vision von unabhängigen Anwendungen, die gemeinsam ein Dokument gestalteten, Realität wurde.

Während der kommerzielle Erfolg des NeXT Cube, wie der erste Computer mit dem NeXTStep-OS hieß, ausblieb, war der Computer ein Geheimtipp für Kenner. Sie hatten ein echtes Unix-Betriebssystem, mit dem sich schnell grafische und leicht bedienbare Anwendungen erstellen ließen. Es war aber nicht durch die Unzulänglichkeiten von Windows 95 und Mac OS System 7 und deren Nachfolger beschränkt, denen preemtives Multitasking und Speicherschutz fehlten. Später brachte Jobs auch eine Version für Standard-PCs heraus, die den Namen NeXTStep/486 trug.

Auf einem NeXT Cube machte Tim Berners Lee 1990 die bedeutenste Erfindung des 20. Jahrhunderts, das World Wide Web, fälschlicherweise oft als Internet bezeichnet.

Später schien NeXTStep auch der kommerzielle Erfolg sicher. Jobs konnte Sun als Partner gewinnen, das ihr Betriebssystem Solaris auf NeXTStep umstellen wollte. Dabei ging es weniger um den Darwin-Kernel, sondern vielmehr um Objective-C und das objektorientierte Anwendungsframework. Doch Sun sprang später zugunsten von Java ab.

Steve Jobs rettet Apple mit NeXTStep vor dem Ruin

Jobs konnte NeXT immer über Wasser halten, ob aus eigener Kraft oder durch seine äußerst erfolgreiche Firma Pixar, die er 1986 gründete, sei einmal dahingestellt. Mit Apple ging es jedoch seit 1993 bergab. John Sculley fuhr zuletzt eine unglückliche Marketing-Strategie und wurde 1993 durch Michael Spindler ersetzt. Diesem folgte 1996 Gil Amelio.

Amelio machte mehrere Versuche, Mac OS zu modernisieren. Das war dringend notwendig, da sich abzeichnete, dass Apple bald nicht mehr mit Windows 95 und 98 in Konkurrenz treten würde, sondern mit Windows NT, einem modernen Betriebssystem, allerdings mit zahlreichen Macken. So fehlte Windows NT 4.0 etwa immer noch USB-Unterstützung, die erst mit Windows 2000 eingeführt wurde.

Als letzte Rettung bot sich für Apple an, wieder Steve Jobs zu engagieren. Seit seinem Weggang von Apple hatte er bei NeXT eigentlich nichts anderes gemacht, als die grafische Oberfläche, die er im Xerox PARC erstmals gesehen hat, konsequent weiterzuentwickeln.

So kam es, dass Apple NeXT 1996 für 429 Millionen Dollar kaufte. Steve Jobs war zunächst als Berater tätig und ersetzte 1997 Amelio als CEO. Damals nannte er sich zunächst i-CEO. das „i“ stand für „interim“. Jobs Plan war es, Macintosh-Computer mit NeXTStep auszustatten. Doch das bedeutete, dass alle bisherigen Anwendungen nicht mehr auf dem neuen Mac-Betriebssystem liefen.

Das ohnehin schon angeschlagene Unternehmen musste seine Entwickler motivieren, für das neue Mac OS, das eigentlich NeXTStep ist, alle Anwendungen umzuschreiben. Dazu waren auch finanzielle Anreize erforderlich.

Hilfe vom persönlichen Freund und geschäftlichen Erzrivalen

Steve Jobs bat dazu seinen alten persönlichen Freund und geschäftlichen Erzrivalen Bill Gates um Hilfe, der diese auch gewährte. Auf der Macworld 1997 kündigte Jobs einen Special-Guest an, der per Videokonferenz auf die Großbildleinwand geschaltet wurde. Als die Teilnehmer Bill Gates sahen, buhten sie ihn spontan aus.

Gates, wenig überrascht und wie immer sachlich nüchtern, verkündete, dass Microsoft 150 Millionen Dollar in Apple investieren werden, in Form von stimmrechtslosen Vorzugsaktien und außerdem gemeinsam mit Apple an weiteren Versionen von Office für Macintosh arbeiten werde. Die Finanzspritze fiel eher gering aus. Doch Microsofts Commitment war ein Signal für andere Entwickler, Apple die Treue zu halten.

Dass Bill Gates und Steve Jobs persönlich gute Freunde waren, ist wenig bekannt. Zum Tode von Steve Jobs sagte der Microsoft-Mitgründer heute: „Steve und ich haben uns vor fast 30 Jahren das erste Mal getroffen und wir waren Kollegen, Wettbewerber und Freunde mehr als die Hälfte unserer beider Leben lang. Die Früchte von Jobs‘ Arbeit werden noch von vielen kommenden Generationen geerntet. Für jene von uns, die das Glück hatten, mit ihm arbeiten zu dürfen, war es eine wahnsinnig große Ehre.“

Jobs arbeitete danach am Projekt „Rhapsody“, die erste NeXTStep-Implementierung, die Mac OS X heißen sollte. Das Benutzerinterface wurde so abgeändert, dass es dem von Mac OS 9 nachempfunden war. Ferner besaß Rhapsody einen Emulation-Layer, der Mac-OS-8-Programme, nicht aber Mac-OS-9-Programme ausführen konnte.

Es gab eine Menge Arbeit zu erledigen. Schließlich mussten Technologien wie QuickTime und AppleScript in Rhapsody integriert werden. Für Desktop-Computer wurde Rhapsody jedoch nie auf den Markt gebracht. Es erschien 1999 als Mac OS X Server 1.0.

Erst 2001 kam Apple mit Mac OS X 10.0 „Cheetah“. Es besaß keinen Emulations-Layer mehr für ältere Mac-Programme. Dafür waren neue Techniken implementiert, etwa Quartz, um moderne 3D-Grafikkarten zu unterstützen. Mit der Carbon-Schnittstelle, die die alten noch aus Xerox-PARC-Zeiten stammenden APIs emulierten, konnten die Software-Hersteller ihre Anwendungen erfolgreich portieren.

Die NeXTStep-Framework wurde in Cocoa umbenannt, aber noch heute beginnen alle Cocoa-APIs und -datentypen mit den Buchstaben NS wie NeXTStep, beispielsweise NSNumber, NSLog und so weiter. 2001 konnte Jobs erstmalig den kommerziellen Erfolg seiner 15-jährigen Arbeit feiern. Im selben Jahr kamen iPod und iTunes auf den Markt. iTunes ist heute der größte Musikshop der Welt und verkauft online mehr Musik als auf CDs vertrieben wird.

2004 erhielt Jobs die schockierende Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs. Die Ärzte gaben ihm zunächst noch drei bis sechs Monate. Doch am selben Tag brachte eine Biopsie neue Hoffnung: Er habe eine sehr seltene Form, die durch eine Operation vielleicht geheilt werden könne. Allerdings konnten die Ärzte Jobs Leben nur um sieben Jahre verlängern.

Ein Jahr später sagte er, seit der Diagnose frage er sich jeden Tag, ob er so gelebt habe, als ob es sein letzter sei. Und wenn die Antwort nein sei, ändere er seinen Plan. Tatsächlich änderte er seine Arbeitsweise. Bisher baute er auf Bewährtem auf, etwa der Xerox-PARC-Oberfläche, und verbesserte die Dinge bis zur Perfektion. Danach stellte er viele Dinge in Frage und änderte sie radikal.

Das beste Beispiel dafür dürfte das iPhone sein. Jobs gefiel die Vorstellung von Firmen wie Nokia und Motorola von einem Mobiltelefon nicht. Auch wie Microsoft mit Windows Mobile Pocket-PC und Handy verband, fand nicht seine Zustimmung. So entwickelte er sein eigenes Smartphone, das mit Android, Blackberry, Windows Phone und WebOS später mehr oder weniger gut kopiert wurde.

Zunächst änderte er aber 2006 die Strategie bei Desktop-Computern: Macs wurden ab sofort nicht mehr mit PowerPC-CPU bestückt, sondern mit Intel-Prozessoren. Über den Emulator Rosetta liefen alle alten Anwendungen weiter, wenngleich mit deutlich reduzierter Geschwindigkeit. Damit verschwanden die letzten Hardwareunterschiede zwischen Macs und PCs. Andere PC-typische Technologien wie USB und PCI hatten schon vorher Einzug in die Mac-Plattform gefunden.

NeXTStep auf dem Handy: Das erfolgreichste Smartphone der Welt

Vor dem iPhone war der Business-Smartphone-Markt im Wesentlichen zwischen RIM und Microsoft aufgeteilt. RIM machte mit dem Blackberry eine hervorragende E-Mail-Maschine, man konnte aber keine Apps herunterladen.

Microsofts Betriebssystem Windows Mobile war hoffnungslos veraltet. Es krankte im Wesentlichen an denselben Problemen wie Mac OS bis System 9: kein echtes Multitasking und kein Speicherschutz. Das führt bei einem Smartphone wegen der geringeren CPU-Leistung noch zu viel mehr Reaktionsträgheit als bei einem Desktop-Computer.

Jobs erkannte, dass der Darwin-Kernel und das Cocoa-Framework durchaus für gängige Smartphone-Hardware auf ARM-Basis geeignet ist. Wie sich später herausstellen sollte, wesentlich besser als Linux, was den Ressourcenbedarf angeht. Das erste iPad mit 256 MByte Hauptspeicher zeigt gute Performance. An ein Android-Gerät mit weniger als 1 GByte braucht man heute nicht einmal zu denken.

Jobs ging zwar einige Kompromisse ein, etwa, dass zwei Vordergrundanwendungen nicht gleichzeitig laufen dürfen, dafür präsentierte er mit dem ersten iPhone aber ein Telefon, wie es sich viele Nutzer immer gewünscht hatten. Einer der schönsten Erfolge dürfte gewesen sein, dass sich Steve Ballmer darüber beschwerte, dass er auf dem Microsoft-Campus lauter Mitarbeiter mit iPhones sehe.

Viel wichtiger als die Technik waren auch bei der iPhone-Entwicklung wiederum die Benutzeroberfläche und die Bedienbarkeit. Jobs hat nicht den Fehler gemacht, eine Mac-Oberfläche möglichst eins zu eins auf das iPhone zu portieren, sondern bewusst darauf geachtet, wie man Inhalte möglichst geschickt auf den kleinen Screen bekommt.

Mit dem iPhone hat Jobs die gesamte Mobilfunkbranche auf den Kopf gestellt: Palm/WebOS hat inzwischen aufgegeben. Nokia, der größte Handyhersteller der Welt, ist bei Smartphones nur noch Hardwarelieferant für Windows Phone 7, dessen Zukunft bei einem aktuellen Marktanteil von 1,6 Prozent mehr als ungewiss ist. RIM kämpft mit ständig sinkenden Marktanteilen. Profitieren konnte einzig und allein Google mit Android, da der Markt eine günstige Alternative zu Apples hochpreisigen Telefonen sucht.

Bei Tablets kanndem iPad bisher kein Modell das Wasser reichen. Android-Honeycomb-Geräte gelten als träge und instabil. HPs technisch besseres, aber inzwischen eingestelltes Touchpad krankt am langsamen Start der Apps und daran, dass es nur wenige Apps gibt.

Am Dienstag stellte der neue Apple-CEO Tim Cook das iPhone 4S vor. Einen Tag später verstarb Steve Jobs. Marc Andreessen, im Aufsichtsrat von Apple-Konkurrent HP, das mit WebOS nicht gegen iOS bestehen konnte, verglich Jobs mit Mozart und Picasso. Er sei der Beste der Besten gewesen. An seine Leistungen werde niemand heranreichen.

Auch der Verwaltungsratvorsitzende von Erzrivale Google, Eric Schmidt, kommentierte: „Steve war so charismatisch brillant, dass er Menschen inspirierte, das Unmögliche zu tun. Er wird als der größte Computererfinder in der Geschichte in Erinnerung bleiben.“

Hinweis: Der Artikel erschien ursprünglich am 25. August und wurde am 6.10.2011 aktualisiert.

ZDNet.de Redaktion

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