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Unified Collaboration: Was leistet Avayas TK-Tablet?

Spätestens seit dem iPad sind Tablets in aller Munde. Mittlerweile ist auch eine wachsende Verbreitung in Unternehmen festzustellen. Der TK-Anbieter Avaya hat mit dem Avaya Desktop Video Device nun seine Interpretation eines TK-Tablets vorgestellt. ZDNet hat getestet, ob es sich eher um eine Spielerei oder um ein praxistaugliches Konzept handelt.

Tablet-PC oder Video-Tablet?

Avaya möchte sein Audio-Video-Android-Tablet namens ADVD auf gar keinen Fall mit einem gewöhnlichen Tablet-PC verglichen wissen: Der Hersteller sieht es als Komponente eines kompletten Collaboration-Angebots, die quasi die User-Schnittstelle für Business Collaboration darstellt. Daher lässt sich das Gerät nicht im eigenen Netzwerk testen.

Nach monatelangen Verschiebungen war am 19. August 2011 nun doch ein erster, exklusiver Zwei-Stunden-Live-Test in einem Showroom-Testnetz von Avaya München möglich: Der deutsche Avaya-Geschäftsführer Markus Ernesti und zwei seiner besten Avaya-Technikexperten führten ZDNet das Gerät vor. Der Tester durfte es dabei nur zum Teil eigenhändig bedienen. ZDNet verzichtet daher auf eine Punktbewertung.

Offenbar liegt hier eine gewisse Überängstlichkeit des Test-Gastgebers vor – und das obwohl es sich um die Final des Geräts handelt. So sicher scheint man sich seiner Sache bei Avaya nicht zu sein.

Zur Erklärung der Begrifflichkeiten: Das Tablet selbst heißt Avaya Desktop Video Device, kurz ADVD. Die Avaya Flare Experience ist die Software. Der kursierende Begriff Flare Device ist falsch.

Material, Größe, Gewicht, Anmutung


Das Avaya Desktop Video Device läuft unter Android und soll mit einer Software namens Flare Experience verschiedene Kommunikationskanäle vereinen.

Das 11,6-Zoll-Tablet von Avaya wirkt sehr groß. In seinem breiten, schwarzen und stark reflektierenden Plastikrahmen in Klavierlack-Optik sitzt oben eine 720p-Webcam. Rechts und links unten sind zwei Lautsprecher von Harman/Kardon hinter einem Gitter in den ungewöhnlich breiten Tablet-Rand verbaut.

Der sieht zwar nicht schön aus, hat aber auch Vorteile: Im horizontalen und vertikalen Betrieb hält man das Tablet bequem daran fest. Alternativ kann man einen formschönen Bügel an der Rückseite ausklappen und das Business-Tablet im Breitformat aufstellen.

Noch stabiler steht das Avaya in seiner massiven Dockingstation. Auf den Tester wirkt sie etwas klobig und grob. Die Proportionen zwischen dem großen Tablet und der schweren Dockingstation stimmen. Dass aber mehrere Schnittstellen unverdeckt nach vorne herausschauen, ist im Alltag vielleicht praktisch – aber sicher nicht ästhetisch.

An diese Dockingstation lässt sich ein Handset mit einem schweren Telefonhörer anschließen. Er liegt gut in der Hand und lässt ein bisschen Nachkriegs-Telefonie-Feeling aufkommen. Das schiere Gewicht der robusten Accessoires erhöht die Standfestigkeit aller Teile. Das Dockingkonzept wirkt im Prinzip sehr gut durchdacht. Wenn Apple, HTC, LG, Samsung oder Sony ein derart Business-orientiertes Tablet schon im Portfolio hätten, wäre Avaya vielleicht nicht auf die Idee gekommen, eine eigene Tablet-Hardware zu entwickeln.

Startverhalten, Display, Tastatur

Das Avaya-Tablet meldet sich beim Hochfahren dann aber doch nicht mit Avaya Desktop Video Device, sondern ausgerechnet mit Avaya Flare. Wen wundert’s, dass der Avaya-Volksmund das Tablet dann als Flare Device bezeichnet?

Das 1366 mal 768 Pixel Multitouch-LCD-Display des Avaya-Tablet spiegelt so kräftig, wie man es fast nur von Consumer-Laptops kennt. Wie ein so stark reflektierendes Display die strengen Anforderungen an gut entspiegelte, sprich matte Displays in deutschen Firmen erfüllen soll, weiß nur Avaya. Das Display wirkt im Test nur mäßig hell. Der vorführende Avaya-Techniker kennt keine Möglichkeit zur Steigerung der Helligkeit. Einen Helligkeitssensor hat das Video-Device laut dessen Auskunft ebenfalls nicht. Man muss sich an dieser Stelle schon fragen: Ist das ein knappes Jahr nach der Produktankündigung jetzt denn noch immer ein handgeschnitzter Prototyp?

Das Avaya Tablet hat keine Hardware-Tastatur. Das ist okay, denn bei Bedarf poppt eine virtuelle Tastatur auf dem touchsensitiven Display hoch. Im Test reagiert sie schnell auf jede Berührung mit dem Finger.

Anschlüsse am Tablet

Rechts außen hat das Avaya-Tablet vergleichsweise viele Schnittstellen, eine Buchse für die Stromversorgung per Netzteil, eine 10/100/1000-Ethernet-Buchse, eine HDMI-Schnittstelle für den Anschluss eines externen Monitors, zwei USB-Ports, einen Mikrofoneingang und einen Kopfhörerausgang. Laut Datenblatt unterstützen die USB-Schnittstellen die üblichen USB-Zubehöre wie Tastatur, Maus, Headset, Mobilfunkmodem, Lautsprecher, Speichermedien und Flash-Laufwerke. Ein Schnittstellen-Test war aufgrund der Zeitbegrenzung nicht möglich. Weitere Details gibt auch das US-Datenblatt nicht her. Oben hat das Avaya-Tablet einen SD-Karten-Slot. Über ihn lassen sich laut Hersteller die Konfigurationsdaten sichern.

Drahtlose Verbindungen beherrscht das Avaya-Tablet laut Datenblatt mittels WLAN 802.11b/g/n und Bluetooth 2.0/2.1 für Headsets und Freisprecheinrichtungen. Im Test muss das mobile Gerät aber nonstop an einem langen Ethernet-Kabel hängen, WLAN konnte trotz technisch beeindruckender Showroom-Ausstattung nicht gezeigt werden – das verwundert dann doch. Ein eingebautes UMTS-Modul hat das Tablet „noch nicht“, sagt ein Avaya-Mitarbeiter. Der auswechselbare Lithium-Polymer-Akku hält laut Datenblatt mindestens drei Stunden ohne Nachladen durch. Das ist nicht besonders lange.

Anschlüsse an der Dockingstation

Die Dockingstation bietet laut Hersteller prinzipiell die gleichen Anschlussmöglichkeiten wie das Tablet selbst, dazu kommen noch die Buchse für den Telefonhörer und die elegantere Lademöglichkeit. Im Gegensatz zum Tablet sind an der Dockingstation sogar zwei LAN-Schnittstellen. Man kann so beispielsweise noch einen Laptop anschließen. Laut Datenblatt sitzt auch ein Subwoofer-Lautsprecher in der Dockingstation.

Das Hörer-Handset an der Dockingstation wird all jene freuen, die kein Bluetooth-Headset und keinen Freisprecher verwenden möchten, sondern den guten, alten Telefonhörer. Im Gegensatz zum Freisprecher hat man beim Hörer in der Regel keine störenden, akustischen Rückkopplungen. Zudem bietet ein Telefonhörer auch mehr Vertraulichkeit als ein Freisprecher. Laut Datenblatt beherrscht das Handset 7-KHz-Wideband-Audio-Qualität. Keine Frage, die Docking-Teile sind gut durchdacht.

CPU, RAM und Grafik

Technische Daten zu CPU, GPU, RAM und sonstigen internen Speichermedien verschweigen die Gastgeber beim Test genau so konsequent wie das spärliche Datenblatt. Sogar die Frage nach der genauen Version des Android-Betriebssystems kann oder will keine der vier Aufsichtspersonen beantworten. Zwar wollte Avaya diese Informationen über die PR-Agentur nachliefern. Bislang sind sie aber noch nicht angekommen. Was bei normalen Laptop-, Smartphone- und Tablet-Testberichten zu den selbstverständlichsten Basis-Informationen zählt, grenzt in der Welt eines Telefonie-Konzerns offenbar schon fast an Werksgeheimnisse. IT und TK leben offenbar noch immer auf zwei unterschiedlichen Planeten. Ob sich alle Avaya-Tablet-Kunden mit derart wenig Transparenz zufrieden geben, darf bezweifelt werden.

Software

Das Avaya-Business-Tablet nutzt Android als Betriebssystem. Auf dieser Basis läuft Avayas Flare-Experience-Software. Das Gerät soll sich dank Android anpassen und erweitern lassen. Unternehmen könnten eigene Anwendungen entwickeln oder bestehende Anwendungen anderer Anbieter nutzen. Noch muss sich das alles aber in der Praxis bewähren. Einen Teil der Funktionalität stellt das Google-Betriebssystem zur Verfügung, etwa den Browser oder den E-Mail-Client. Zugang zum Android-Market, um wie auf einem Smartphone Apps nachzuinstallieren, gibt es aber nicht. Ganz klar: Das ADVD ist kein Ersatz für ein iPad oder Android-Tablet wie das Galaxy S. Der Fokus liegt auf Kommunikation.

Video-Test: 720p-Tablet mit 1080p-Raumsystem

Die Software des Tablets ermöglicht Sprach- und Video-Konferenzen mit zwei und mehr Teilnehmern. Hier ein konkretes Beispiel:

Der Tester tippt mit dem Finger auf Alle Kontakte und blättert bis zum Kontakt Munich AVCS1040. Dahinter verbirgt sich ein Avaya-Techniker in einem anderen Raum an einem 1080p-Video-Konferenz-Raumsystem. Um ihn anzurufen, kann man den Ziffernblock verwenden, oder man berührt den Kontakt AVCS1040 auf dem Tablet-Touchscreen und zieht ihn mit dem Finger in die Mitte des zentralen Lichtkegels. Direkt unter diesem Kegel entscheidet der User per Fingerklick,wie er kommunizieren möchte: Per Sofort-Nachrichten-Messenger, per Sprachanruf oder per Videoanruf? ZDNet wählt Letzteres. Der entfernte Techniker kommt nun, trotz seiner ganz normalen Büro-Beleuchtung, recht gut auf dem Tablet-Display zur Geltung. Über den roten Bildschirm-Knopf Auflegen wird das Videogespräch beendet.

Beim Avaya-Techniker im entfernten Raum stand übrigens eine Profi-Kamera, die kann auch Zoomen und Fokussieren, und sie macht Videos in 1080p-Auflösung. Das Avaya Video-Tablet dagegen kann nur 720p, also einigen sich die Geräte im Test auf den kleineren gemeinsamen Nenner von 720p und verbraten nicht mehr Bandbreite im Netzwerk als nötig.

Das beschriebene Videotelefonat und auch der Rest der Versuche spielen sich nur im hausinternen Ethernet von Avaya ab. Der ZDNet-Tester kann vom Avaya-Tablet nicht einmal auf seinem Mobilfunk-Handy angerufen werden. Auch die angedachte Videokonferenz mit USA fand nicht statt. Es bleiben Zweifel, ob das Tablet überhaupt schon fertig ist. Ernesti dementiert: „Wir nutzen das Device auch intern, zum Beispiel für Videokonferenzen mit den USA.“ Er bestätigt, dass das Tablet bei seinen Kunden auch im öffentlichen Netz funktioniert, also nicht nur in deren internen LAN.

Laut Ernesti kann man mit dem Gerät auch Dokumente sharen, so dass alle Teilnehmer einer Audio- oder Video-Konferenz auf dem gleichen Dokument sind. Das konnten die anwesenden Avaya-Techniker aber nicht live demonstrieren. Dazu hätten sie laut Auskunft eine Komponente im Hintergrund gebraucht, die ihnen nicht zur Verfügung stand.

Kontakte, Termine, E-Mail

Das Avaya-Business-Tablet kann lokale Kontakte speichern und mit verschiedenen Adressbüchern synchronisieren. Etwa mit Exchange oder mit Facebook. Mehrfacheinträge aus mehreren Quellen werden zu einem einzigen Kontakt zusammengeführt. Das kennen viele von ihren Android-Smartphones.

Früher gab es Visitenkartenständer, die man drehen konnte, die so genannten Rolodex. So ähnlich sehen die Kontakte jetzt auf dem Avaya Tablet aus. Auch das Termin-Management ist einleuchtend gemacht: Die Bedienoberflächen sind sehr einheitlich, übersichtlich und ziemlich selbsterklärend. Wer Outlook oder Google Calender kennt, wird kaum Umstellungsprobleme haben.

Laut Einrichtungs-Assistent kann das Tablet auch E-Mails aus Facebook, Exchange, Avaya Aura, Gmail und aus Lotus synchronisieren. Eine E-Mail aus Facebook lässt sich im Test allerdings nicht formatfüllend auf 11,6 Zoll aufspannen. Das Videotelefonie-Fenster dagegen schon. Das hat nicht nur den Tester, sondern auch den Avaya-Techniker überrascht, zumal gerade E-Mails in einem großen Fenster doch leichter lesbar wären. Das dürfte wohl ein Bug sein, den man beheben sollte.

Facebook, Browser und Historie

Der Avaya Instant Messenger erfüllt die vorgesehene Aufgabe: Er tauscht Sofortnachrichten mit anderen Avaya-Tablets und entsprechend eingerichteten PCs aus. Last but not least werden auch Pinnwand-Einträge aus Facebook angezeigt. Eine schlichtere Facebook-Integration hat der Tester allerdings noch nie gesehen. Vielleicht helfen diese mageren Apps dem Gerät, allzeit schnell zu bleiben und sich nicht an der Last des Multitaskings aufzuhängen. Das Tablet hat im weitgehend Avaya-geführten und PR-beaufsichtigten Test nämlich nie merklich gestockt.

Im so genannten Kommunikationsverlauf lassen sich alle E-Mails, IM-Nachrichten oder Telefonate anzeigen, die mit einem bestimmten Kontakt ausgetauscht wurden. Das kann privat sehr hilfreich sein, um das Gedächtnis aufzufrischen. In Firmen kann es sogar ausgesprochen wichtig sein, die Kommunikations-Historie eines Kunden oder Lieferanten schnell per Fingertipp zu finden. Natürlich hat das Avaya-Tablet auch einen Browser, mit dem sein Besitzer im Internet surfen kann.

Man darf vermuten, dass ein Business-User sein Tablet-Device auch mal in seine Aktentasche legt, weil er zu Hause oder unterwegs damit arbeiten will. Er würde sich dann remote laut Avaya über VPN mit dem Video-Device in das Firmensystem einloggen. Ein Ethernet-Port ist auch direkt am Tablet-Device dran, der Tablet-User muss also keine Dockingstation nach Hause oder ins Hotel mitschleppen.

Fazit

Das Systemkonzept samt Dockingstation und Hörer-Handset sowie umfangreiche Kommunikations-Anbindungen unter einheitlicher Oberfläche sichern dem Avaya-Tablet eine Sonderstellung, die sich der Hersteller mit über 3000 US-Dollar aber auch fürstlich bezahlen lässt. Wer sich ein solches Audio-Video-Tablet leisten kann und will, wird sicherlich auch hohe Ansprüche an Design und Display stellen. Bei 3000 US-Dollar muss sich das Avaya-Tablet auch einen Vergleich mit schicken Mobil-Geräten, etwa von Apple oder Sony, gefallen lassen. Dem hält das Gerät mit dem billigen Gehäuse aber nicht stand.

Avaya-Geschäftsführer Markus Ernesti lenkt die Aufmerksamkeit lieber in eine völlig andere Richtung: Man müsse den Tablet-Preis von über 3000 US-Dollar mit dem hohen Nutzen vergleichen: Wenn so ein Audio-Video-Tablet dank schneller Videokonferenzen die Dienstreisen hoch bezahlter Mitarbeiter reduzieren kann, dann könnte sich so ein Tablet schon nach ein bis zwei gesparten Flugreisen amortisieren. Allerdings muss man bedenken: Das gilt grundsätzlich auch für alle anderen Video-Konferenzlösungen.

Die Konzeption des Avaya-Tablets mitsamt Dockingstation und Hörer-Handset mag man durchaus als sehr gut bewerten. Die grundlegende Philosophie der Integration alter und neuer Kommunikations-Kanäle ebenso. Die konkrete Umsetzung der genialen Tablet-Idee in Plastik-Hardware mit Spiegel-Display sowie die staubtrockene Bedieneroberfläche können dagegen keine Begeisterung auslösen. Es ist daher nur schwer vorstellbar, dass diese Version des Avaya-Business-Tablets kurzfristig ein Kassenschlager wird. Zusammengefasst: Die Produktidee ist bemerkenswert, die Umsetzung steigerungsfähig. Der geforderte Preis klingt astronomisch.

Kurzfristig hat das Avaya sicher eine Sonderstellung, weil das stark TK-orientierte Konzept mit seiner robusten Dockingstation und dem externen Telefonhörer von den klassischen Tablet-Lieferanten bisher noch nicht so konsequent umgesetzt wird. Spätestens mittelfristig werden diese Aufgabe aber klassische Tablets übernehmen.

Wie ernst es Avaya mit dem ADVD meint, lässt sich schwer sagen. Referenzkunden nennt der Hersteller ebensowenig wie Euro-Preise. Die werden aus dem Dollar-Preis abgeleitet.

ZDNet.de Redaktion

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