Wenn diese Woche die Internationale Funkausstellung in Berlin ihre Pforten öffnet, dürfte sich wie letztes Jahr ein Großteil der Aufmerksamkeit auf das Angebot von Tablets konzentrieren. Vom iPad bekommen die IFA-Besucher allerdings kaum etwas zu sehen. Apple stellt schon seit Jahren nicht mehr auf Messen aus. Das hat die Firma nicht nötig.
Anscheinend braucht sie sich auch vor der Konkurrenz kaum zu fürchten. Erst kürzlich hat sich ein ganz großer aus der Branche verabschiedet. Der weltgrößte Computerhersteller Hewlett Packard will trotz hervorragender Wachstumsaussichten keine Tablets mehr verkaufen. Zu einem ähnlich drastischen Schritt könnten sich bald weitere Hersteller genötigt sehen. Denn die Geräte der Apple-Konkurrenten liegen wie Blei in den Regalen. Andere kommen erst gar nicht dorthin. Stattdessen muss sich beispielsweise Samsung mit Apple vor Gericht streiten. Wegen allzu großer Ähnlichkeit zum iPad wurde das Galaxy Tab 10.1 in Deutschland vorerst mit einem Verkaufsverbot belegt. Der nächste Verhandlungstermin ist für den 9. September angesetzt. Selbst wenn das Gerät bald in den Handel kommt, dürften die Absatzchancen kaum besser als die der bisherigen Android-Tablets sein.
Gegenüber der Android-Fraktion, denen Marktbeobachtern ab 2013 immerhin einen größeren Marktanteil als das iPad vorhersagen, verfügt die Apple-Tabletplattform über einige Vorteile, die auch in Zukunft der Konkurrenz Kopfzerbrechen bereiten dürfte. Insofern sollte man manche für die Android-Tablets besonders positiven Schätzungen kritisch betrachten. Erst kürzlich haben die Auguren von iSupply den Marktanteil des iPads für dieses und die kommenden Jahre angehoben. 2011 soll das Apple-Tablet mit einem Anteil von 74 Prozent den Markt klar beherrschen. Auch im kommenden Jahr wird sich demnach an der marktführenden Position des iPads nichts ändern. Erst für 2013 sagen die Marktbeobachter einen Umschwung zugunsten der Android-Plattform voraus. Doch wird es überhaupt so weit kommen? Für die marktbeherrschende Stellung des iPads und gegen eine größere Popularität der Android-Tablets sprechen mehrere Faktoren.
1. Das iPad ist etabliert, jeder kennt es.
Ein nicht zu unterschätzender Faktor für die zukünftigen Marktchancen. Schaut man sich weniger IT-affine Konsumenten an, gibt es in Sachen Tablet nur ein Thema: das iPad. Die zunehmende Verbreitung des Geräts zementiert dessen starke Position. Ob auf dem Kreuzfahrtschiff als Entertainmentplattform, im Krankenhaus als Analysewerkzeug oder im Flugzeug für die Piloten als Nachschlagewerk, das iPad scheint omnipräsent. Dagegen trifft man auf Android-Tablets deutlich seltener. Sogar dort, wo man welche vermutet, treten sie nicht in großer Masse auf. Einer Zugriffsstatistik des Android Markets zufolge, beträgt der Anteil von Tablets im Juli gerade mal 1,9 Prozent. Das wären gemessen an den insgesamt registrierten 135 Millionen Android-Geräten lediglich 2,5 Millionen Stück. Zum Vergleich: Das iPad wurde insgesamt über 28 Millionen mal verkauft. Die Kollegen von der CHIP folgern aufgrund dieser Zahlen: „Es gibt weiterhin keinen Tablet-Boom, sondern lediglich einen iPad-Boom.“
2. Der App Store bietet im Vergleich zum Android Market mehr Apps und eine größerer Vielfalt.
Im App Store findet man nicht nur Angry Birds, sondern auch Anwendungen, die für den beruflichen Alltag gedacht sind. Die gibt es zwar auch für die Android-Plattform, aber längst nicht in einer solchen Vielfalt wie für iOS. Auch für den Privatanwender erscheint das Angebot im Apple-Laden im Vergleich zum Android Market reizvoller. Touristische Anwendungen stehen beispielsweise in der Regel häufig nur für die iOS-Plattform zur Verfügung. Sofern die Hersteller ähnliche Preise für ein Tablet verlangen, könnte das attraktivere Angebot von Anwendungen für den Kauf ausschlaggebend sein. Der Abverkauf des WebOS-Tablets für 99 Euro zeigt aber auch, dass Geräte Absatz finden, die keine große Auswahl an Apps bieten.
3. Das iPad lässt sich intuitiver bedienen.
Nein, das ist keine Erkenntnis eines Apple-Fanboys, sondern auch unter ausgewiesenen Android-Liebhabern anerkannt. Es folgen einige Beispiele für diese Behauptung: Unter Stock-Android war es bis vor kurzem nicht möglich, einen Kontakt im Smartphone oder Tablet mit Angaben zum Geburtstag zu ergänzen. Dies gelang nur über das Web in Google Contacts. Drei lange Jahre hat Google für dieses Feature benötigt, um es schließlich in Gingerbread respektive Honeycomb zu implementieren. Manchmal geht es auch andersherum: Bis Android 2.1 gab es in Verbindung mit dem Telefon in meinem Fahrzeug kein Problem mit der Anzeige der Kontaktnamen. Seit Android 2.2 wird pro Eintrag nur Buchstabensalat angezeigt. Zum Vergleich das iPhone: Von iOS 1.0 bis zur aktuellen Beta von iOS 5 hat das PKW-System kein Problem mit der Anzeige von Namen.
Wer iPhone oder iPod Touch bedienen kann, kommt auch mit dem iPad klar. Bei Android-Tablets sieht das im Vergleich zu entsprechenden Smartphones anders aus. Google hat zwei Versionen von Android im Einsatz – eine für Smartphones und eine für Tablets -, die sich hinsichtlich Bedienung unterscheiden. Erst mit Android 4 soll es dann eine Version für Tablets und Smartphones geben. Wer also zwischen Android-Smartphone und Tablet wechselt, muss sich in Sachen Bedienung umstellen. Das mag für erfahren Anwender kein Problem sein, für normale Menschen ist es aber verwirrend.
4. Apple kann das iPad günstiger herstellen.
Das ist zwar kein Vorteil für den Konsumenten, dafür aber ein gravierender Nachteil für den Mitbewerb in Sachen Preisgestaltung. Apples iOS geht mit Rechnerressourcen deutlich schonender um als das Android-Betriebssystem. Das erste iPad ist lediglich mit 256 MByte RAM ausgestattet und arbeitet trotzdem flüssiger als so manches Android-Tablet, das auf deutlich mehr Arbeitsspeicher zurückgreifen kann. Abgesehen davon dürfte Apple aufgrund der erheblich größeren Stückzahlen im Vergleich zur Konkurrenz zudem wesentlich günstigere Einkaufspreise für Tablet-Komponenten erhalten.
Derzeit wird spekuliert, dass Amazon im Herbst ein sehr günstiges Android-Tablet anbieten will. Womöglich wird der Preis unter den Produktionskosten liegen. Das könnte der Android-Plattform einen vehementen Schub bringen. Allerdings werden die anderen Android-Hersteller davon wenig begeistert sein. Wer will sich noch ein Samsung-Tablet kaufen, wenn er ein vergleichbares Gerät von Amazon für die Hälfte des Preises bekommen kann. Während der Online-Händler seinen Aktionären diese Maßnahme als Verkaufsstrategie für Medien wie Bücher, Musik et cetera erklären kann, dürften die anderen Hersteller Probleme haben, ihren Eigentümer einen unter den Herstellungskosten liegenden Preis eines Tablets zu rechtfertigen.
5. Google kauft Motorola Mobility
Vor kurzem hat Apple den Smartphone- und Tablet-Hersteller Motorola Mobility übernommen. Sollte nicht noch in letzter Sekunde die Kartellbehörde den Deal platzen lassen, hat das Geschäft auch Auswirkungen auf die Beziehung von Google zu den anderen Android-Herstellern. Noch kann keiner vorhersehen, wie sich die Android-Fraktion verhalten wird, wenn Motorola womöglich frühzeitig Zugriff auch Android-Versionen bekommt und ein Tablet zu einem aggressiven Preis anbieten wird. Ob dieses Szenario für Google den gewünschten Effekt erzielt, bleibt ebenso abzuwarten. Tatsache ist jedoch, dass durch die Übernahme von Motorola Mobility die Beziehungen zu den anderen Android-Hersteller komplexer geworden sind.
Angesichts der für Android-Tablets schwierigen Marktbedingungen könnten viele Studien, die im Tabletmarkt einen dominierenden Marktanteil der Android-Plattform vorhersagen, von der Wirklichkeit widerlegt werden. Von einem „iPad-Killer“ kann beim Blick auf die tatsächlichen Mehrheitsverhältnisse jedenfalls nicht mehr die Rede sein.
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