Seit Jahren fordern Anwender von Microsoft, Windows endlich grundlegend zu renovieren. Mit Windows 8 geht dieser Wunsch offenbar in Erfüllung. Manchem könnte das aber zu weit gehen. Wenn man die bisherigen Postings im offiziellen Windows-8-Entwicklungsblog als Indikator nimmt, haben die Redmonder gründlich aufgeräumt: Das neue Windows entspricht in groben Zügen dem, was Anfang Juni auf der All Things Digital gezeigt wurde und Windows-Chef Steven Sinofsky als als Metro-Experience beschreibt.
Dabei handelt es sich nicht nur um eine Skin mit einer von Windows Phone 7 inspirierten Optik, sondern um eine neue Plattform mit neuen APIs und Tools. Sinofsky verspricht: Man habe sich damit beschäftigt, wie man Anwendungen voneinander isoliert, dafür sorgt, dass sie den Akku nicht leer saugen und eine reibungslose Installation beziehungsweise auch Deinstallation ermöglicht.
Letztlich ist eine grundlegende Änderung der User Experience geplant, und zwar nicht nur für Tablets, sondern für alle Formfaktoren: Statt Desktop, Ordnern und einer eher am Dokument orientierten Arbeitsweise soll es künftig mehr in Richtung Smartphone gehen. Den Startbildschirm zieren quadratische oder rechteckige Kacheln, die Informationen zeigen und den Start von Programmen ermöglichen. Auch Fenster in der bekannten Form sind nicht mehr vorgesehen. Anwendungen laufen stattdessen im Vollbild, es können aber zwei davon auf einem Screen dargestellt werden.
Die spannende, aber noch unbeantwortete Frage lautet, wie tief die Änderungen gehen. Hat Microsoft einen neuen Kernel entwickelt und die Layer darüber ebenfalls? Oder wurde am Ende der NT-Kernel doch so verschlankt, dass ein schnelles, ressourcensparendes OS möglich ist, das dann auch auf ARM-Tablets problemlos läuft?
Es wird deutlich, dass auf Anwender drastische Änderungen zukommen, deren Sinn sich aber zumindest im Moment nur teilweise erschließt. Beispielsweise ist nur schwer abzuschätzen, welche Anwendungstypen die Metro-Plattform überhaupt sinnvoll abdeckt. Für ein paar Apps, die Infos aus dem Internet anzeigen, etwa das Wetter, Aktienkurse und Tweets, lohnt sich die Entwicklung einer neuen Plattform sicherlich nicht. Es muss also mehr dahinter stecken.
Eine Hintertür lässt sich Microsoft natürlich offen: Denn auch der bekannte Desktop mit Startleiste und Fenstern, wie man ihn seit Windows 95 kennt, soll weiterhin seinen Platz haben, um die Kompatibilität zu wahren. Und um Anwendungstypen, die die Metro-Experience nicht abdeckt – Sinofsky nennt Bildbearbeitung mit Photoshop als Beispiel – weiterhin zu unterstützen. Er macht aber deutlich, dass es sich bei dieser Umgebung um die alte handelt.
Die Existenz von zwei Oberflächen ging schon aus der ersten Windows-8-Demo hervor. Neu ist hingegen die Information, dass der Code für das klassische Windows nur bei Bedarf geladen wird. Die Vermutung liegt nahe, dass das bisherige Windows in Windows 8 als virtuelle Maschine gestartet wird. Hyper-V-Unterstützung wurde jedenfalls offiziell angekündigt, allerdings für andere Aufgaben.
Wie bei den meisten Posts im Windows-8-Blog bleiben am Ende mehr Fragen als Antworten. Derzeit klingt alles nach einem ziemlichen Durcheinander. Dazu kommt: Revolutionäre Neuerungen traut man den Redmondern nach den Erfahrungen der letzten Jahre nicht mehr zu. Sollte es Microsoft tatsächlich gelungen sein, mit Metro eine Plattform zu schaffen, die so attraktiv ist, dass man nur noch in Ausnahmefällen in die alte Welt zurück möchte? Das käme einer Neuerfindung des Desktops gleich.
Die Antwort darauf gibt es schon morgen: Am Dienstag startet im kalifornischen Anaheim die Build, auf der Microsoft den Schleier lüften wird.
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