Bei einem Smartphone mit oben liegendem Display im Querformat und darunter angeordneter QWERTZ-Tastatur denkt man zunächst an einen Blackberry. Tatsächlich haben aber auch die Finnen über Jahre hinweg Erfahrung in diesem Segment gesammelt. 2006 kam das Nokia E61 in Deutschland auf den Markt – ungefähr gleichzeitig mit den ersten Blackberrys mit Trackball in diesem Formfaktor.
In der jüngeren Vergangenheit haben die Finnen allerdings spürbar Marktanteile verloren. Wirklich schlecht waren die Geräte zwar nicht, aber eben auch nicht so gut oder so begehrenswert wie Apple- oder Android-Smartphones. Das zu ändern versucht Nokia mit dem E6, das jetzt erstmals über einen Touchscreen verfügt.
Design
Optisch erinnert das E6 stark an seinen direkten Vorgänger, das E71. Hier wie dort kommt eine dezente business-taugliche Optik zum Vorschein. Das Testgerät präsentiert sich im schwarzglänzenden Gehäuse mit einem Rahmen aus Edelstahl.
Das Gerät misst 11,6 mal 5,9 Zentimeter und ist knapp 11 Millimeter dick. Mit einem Gewicht von 133 Gramm ist das Nokia 11 Gramm schwerer als ein aktueller Blackberry Bold, aber das fällt in der Praxis kaum auf.
Die unterhalb der Anzeige untergebrachte QWERTZ-Tastatur ist schon vom Vorgänger bekannt. Neu ist allerdings das 2,46 Zoll große Touchscreen-Display, das zusätzlich für Nutzereingaben zur Verfügung steht. Das ist praktisch, wobei die Anzeige einen relativ kleinen Eindruck macht und vergleichsweise wenig Platz für Elemente zur Verfügung stellt. Das mag auch nur so wirken, weil am Markt inzwischen immer größere Smartphones mit Display-Diagonalen von mehr als 4 Zoll zu finden sind. Insgesamt gibt es bei den üblichen Aufgaben wie dem Tippen von SMS-Nachrichten oder dem Blättern im Telefonbuch jedoch keinen Grund zur Klage. Um ausgiebig im Internet zu surfen oder gelegentlich zu spielen, würde man sich allerdings mehr Platz wünschen.
Ohnehin dürfte die vollwertige QWERTZ-Tastatur das primäre Instrument für Nutzereingaben darstellen. Und das funktioniert nicht einmal schlecht. Bauartbedingt sind die einzelnen Knöpfchen zwar relativ klein und liegen sehr nahe beieinander, sie lassen sich aber dank einer kleinen Erhöhung auf jeder Taste gut erfühlen und auseinanderhalten. Nach ein paar Tagen hat man sich an die Tastatur gewöhnt und die Eingabe erfolgt dann problemlos.
Bedienung
Dieser Punkt stellt die größte Herausforderung dar, die derzeit auf Nokia wartet. Das Unternehmen wurde von der Touchscreen-Welle, von iPhone und Android förmlich überrollt und konnte lange Zeit nicht mithalten, wenn es um Bedienung, Komfort und einfach eine attraktive Oberfläche geht. Und obwohl die Finnen sich ja künftig hauptsächlich auf Windows Phone 7 konzentrieren möchten, arbeiten die Entwickler weiterhin fleißig daran, Symbian für die aktuelle Smartphone-Generation fit zu machen.
Das Nokia E6 kann davon schon profitieren, ist aber noch nicht auf dem hohen Niveau der Konkurrenz angekommen. Auf dem Gerät läuft die aktuelle Symbian-Version namens Anna. Der Nachfolger namens Belle ist schon angekündigt, soll noch in diesem Jahr auf neuen Nokia-Geräten eingeführt werden und kann sich durchaus sehen lassen. Ob ein Update für das E6 bereitgestellt wird, steht noch nicht endgültig fest, wird jedoch vermutet.
Zurück zum E6 und Symbian Anna: Hier hat sich im Vergleich zu früheren Versionen schon einiges getan. Die Oberfläche wirkt dank abgerundeter Ecken ansprechend und modern, bringt eine neue, bunte Farbpalette mit und hat sich von einigen Eigenarten der Vergangenheit entfernt. Für Nokia-Nutzer ist das also schon ein großer Schritt in die richtige Richtung. Wer allerdings bereíts mit iOS oder Android arbeitet, wird auch Symbian Anna nur als Rückschritt empfinden.
Dennoch gibt es auch Lob für die Entwickler. Der Homescreen scrollt flüssiger, Animationen laufen schneller ab und es gibt viele Widgets. Allerdings präsentiert sich das alles nicht so flexibel wie bei Android. Die Mini-Programme lassen sich nur auf einem Raster ablegen und Verknüpfungen sogar nur in Vierer-Gruppen. Man kann also nicht einfach wie bei Android ein App-Symbol aus dem Programm-Menü auf dem Homescreen platzieren.
Kamera
In der jüngeren Vergangenheit gab es bei Nokia-Kameras zwei Kategorien. Zum einen das klassische Modell mit Autofokus-Linse und üblicherweise mit Carl-Zeiss-Optik, und zum anderen eine Fixfokus-Lösung ohne Autofokus, aber dafür fast ohne Auslöseverzögerung. Die Kamera des ohnehin eher auf Business ausgerichteten E6 gehört zur zweiten Kategorie. Damit gibt es also keinen Autofokus, aber dafür ist ein Bild auch schon nach einer halben Sekunde aufgenommen.
Der Nachteil ist allerdings offensichtlich. Die meisten der im Test geschossenen Bilder sind leider nicht sonderlich scharf – weil die Motive außerhalb des Fokusbereichs liegen. Noch dazu sind die Belichtungszeiten häufig zu lang, um Verwackler zu vermeiden.
Wer realistische Fotos von seiner Umgebung aufzeichnen möchte, kommt um eine nachträgliche Bearbeitung der Aufnahmen kaum herum. Denn auf der Speicherkarte landen die Bilder exakt so, wie man sie vor der Aufnahme auf dem Display sieht – und das ist leider eine recht kalte, blaustichige Version der Realität.
Business-Tauglichkeit
Ein Smartphone im Blackberry-Look sieht äußerlich schon immer aus, als wäre es für den Business-Einsatz konzipiert, und so installiert Nokia passend dazu eine gute Auswahl an entsprechender Software auf dem Gerät. Mit an Bord sind die Grundlagen wie Quickoffice zum Betrachten und Bearbeiten von Microsoft-Office-Dokumenten, ein PDF-Reader, eine App, die ZIP-Dateien entpackt, sowie die üblichen Anwendungen wie Kalender und Rechner.
Nokia integriert zudem eine Sicherheitssoftware von F-Secure im E6, eine Sprachausgabe, die beispielsweise beim Autofahren eingehende SMS-Nachrichten vorliest, eine Diktiergeräte-Funktion sowie einen Microsoft Communicator, der den Nutzer unterwegs mit seinen Kollegen im Büro verbindet – vorausgesetzt, das Unternehmen setzt auf diesen Standard. Dazu gibt es wie gehabt die hervorragende Nokia-Maps-Navigationslösung, die den kostenlosen Download von Kartenmaterial erlaubt.
Auch in den Tiefen der Menüs finden sich erfreuliche Funktionen für den beruflichen Einsatz des E6. Beispielsweise gibt es einen VPN-Client, mit dem der Nutzer auf das Intranet seines Arbeitgebers zugreifen kann – vorausgesetzt, der IT-Administrator hilft bei der Konfiguration. Denn so einfach wie beim iPhone funktioniert das beim E6 nicht. Praktisch ist auch die Option, über das Internet auf Dateifreigaben zuzugreifen.
Unterm Strich dürfte der Webbrowser zu den wichtigsten Werkzeugen gehören – aber ausgerechnet der überzeugt nicht. Zwar hat Nokia auch hier schon viel getan, aber das Surf-Erlebnis ist immer noch nicht auf dem Niveau eines iPhone oder Android-Handys. Das gilt nicht nur für das Look-and-Feel, sondern auch für die Geschwindigkeit: Auf einem Samsung Galaxy S2 dauert das Laden der CNET-Homepage gerade einmal 12 Sekunden. Das E6 benötigt für die gleiche Aufgabe mit knapp über 30 Sekunden mehr als doppelt so lang. Immerhin sieht die Seite im Browser recht attraktiv aus, aber Scrollen ruckelt gelegentlich und hier und da scheint es Probleme mit der Darstellung von AJAX-Elementen zu geben.
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