Business-Intelligence-Markt: Spezialisten fühlen sich wohl

Während sich die Stirn manches IT- oder Softwareanbieters angesichts einer im Herbst drohenden Rezession schon wieder in Falten legt, bleibt der Bereich Business Intelligence von derartigen Sorgen vorläufig unberührt. Denn BI-Produkte sind gerade in Zeiten wirtschaftlicher Probleme, unklarer Umstände und verstärkter Sparzwänge für viele Unternehmen ein Muss, um sich selbst aus der Patsche zu helfen.

„Wir sehen in der Krise eher verstärkte Nachfrage, zum Beispiel aus der Finanzbranche wegen der schärferen Compliance-Anforderungen“, betont Michael Richter, Mitglied der Geschäftsleitung beim BI-Spezialisten IBL anlässlich der Präsentation einer Branchenstichprobe des Marktsegments aus dem Hause Lünendonk. Dass gerade Banken bei BI zulangen, wenn ihnen das Wasser bis zum Hals steht, ist gut für die BI-Branche, bildet doch der Finanzbereich auch ohne Versicherungen mit 14,2 Prozent deren wichtigsten Umsatzträger – gefolgt vom Handel (13,6 Prozent) und der Konsumgüterindustrie (10,2 Prozent).

Spuren hinterlassen krisenhafte Entwicklungen vor allem im Umgang mit dem Anbieter: So würden Budgets relativ streng überwacht, Nachweise der Wertigkeit von Produkt und Lösung verlangt und die Kunden verhandelten härter. Die grundsätzliche Notwendigkeit einer BI-Lösung werde aber selten in Frage gestellt. Und so dürften die erwarteten rund zehn Prozent Marktwachstum von 2011 bis 2016 für BI-Produkte in Deutschland wohl auch dann mehr oder weniger zutreffen – auch wenn sich die derzeit reichlich düsteren Wirtschaftsprognosen bewahrheiten. Für sich selbst erwarten die meisten der befragten Hersteller übrigens ein weit höheres Wachstum – bis über 20 Prozent.

Umsatzpotential durch Neukunden aus dem Mittelstand

Das gesamte deutsche Volumen des BI-Marktes lag 2009 laut dem Marktforschungsunternehmen BARC bei rund 816 Millionen Euro. Es dürfte sich mittlerweile näher an 900 Millionen Euro heranbewegt haben. Rund 40 Prozent davon vereinigen diejenigen Anbieter auf sich, die keine Generalisten mit breitem Soft- und/oder Hardwareangebot sind, sondern sich auf das BI-Thema fokussieren. Dieses Segment untersuchte Lünendonk in seiner „Marktstichprobe 2011„, an der sich 21 Firmen beteiligten. Ihre Größe reicht von 114 Millionen Umsatz 2010 bei der Heidelberger SAS Institute GmbH und 57,6 Millionen Euro bei Teradata aus Augsburg bis hin zu zahlreichen kleineren Firmen mit Umsätzen im einstelligen Millionenbereich und teilweise stark spezialisierter Ausrichtung.

Insgesamt stehen die Umfrageteilnehmer für einen Umsatz von 357,6 Millionen Euro im Jahr 2010 – ein Plus von 9,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr, was ein um 2,9 Prozent höheres Wachstum als beim allgemeinen Softwaremarkt bedeutet. Werden nur die Umsätze im Inland zugrunde gelegt, liegt der Zuwachs sogar bei 8,9 Prozent.


Neukunden sorgen im Schnitt für 38,6 Prozent der Umsätze der befragten BI-Anbieter (Grafik: Lünendonk).

Dazu haben besonders Neukunden beigetragen. Ihr Anteil betrug im Schnitt etwa 38 Prozent, was zeigt, dass sich BI zunehmend ausbreitet. Lohnend ist, so meinen die BI-Spezialisten, besonders die Akquise im Mittelstand – wahrscheinlich deshalb, weil für viele KMUs der Einsatz der Technologie tatsächlich noch neu ist und auch weniger Scheu besteht, sich auf einen Anbieter unterhalb der Milliarden-Umsatzgrenze einzulassen. Dass die derzeit wichtigsten Kunden mit 35,7 Prozent der Gesamtumsätze die Großunternehmen mit 5000 und mehr Mitarbeitern sind, bestätigt diesen Befund. Von Firmen unterhalb 500 Mitarbeiter stammen die Umsätze der Befragten dagegen nur zu rund 24 Prozent.


Auch in den kommenden Jahren erwartet die Branche Wachstumsraten von 10 Prozent und mehr – krisenunabhängig (Grafik: Lünendonk).

Dabei bieten die Firmen ihren Kunden zu 45,2 Prozent klassischen Softwarevertrieb, zu 18,6 Prozent auch Wartung an. Weitere Themen sind Beratung, Systemintegration, Softwareeinführung und Schulung. Relativ unwichtig ist mit 4,4 Prozent die Softwareentwicklung.

Datenkonsolidierung bleibt bedeutendstes Anwendungsfeld

Das wichtigste Anwendungsthema ist der Themenkomplex Datenkonsolidierung, Datenintegration und Verbesserung der Datenqualität. Dann folgen Finanzreporting sowie Planung/Budgetierung und Risikomanagement. Das sprunghafte Wachstum der Datenmenge gehört wenig überraschend zu den wichtigsten Triebkräften des Geschäfts – schließlich müssen immer größere Datenvolumina schnell und fehlerfrei verarbeitet und analysiert werden. Das funktioniert nur durch bessere Datenintegration und hochskalierbare Systeme, beispielsweise massiv parallele, wie sie etwa SAS im Zusammenhang mit einem südasiatischen Bankkunden entwickelt hat und nun ins Produktportfolio integriert.


Banken, Handel und Konsumgüterindustrie sind die wichtigsten Anwenderbranchen von BI-Software (Grafik: Lünendonk).

Im Kommen ist die Mobil-Integration. In ihr sehen die Anbieter ein wichtiges Feld – ihre Kunden wollen zukünftig mit hoher Wahrscheinlichkeit (1,67 auf einer Skala von -2 – unwahrscheinlich – bis + 2 – sicher) auch vom Smartphone oder Pad aus auf Business-Informationen zugreifen. Hier liegt auch ein Feld für innovative Anwendungen. So berichtete Jörg Petzhold, Manager Industry & Solution Marketing bei SAS Deutschland, anlässlich der Präsentation von einer Einzelhandelsapplikation, die demnächst auf dem SAS Forum gezeigt werden soll: Einzelhändler können mit der Mobilsoftware auf ihrem iPad, Netbook oder Smartphone jeweils vor Ort sehen, welche Regalbestückung dort geplant ist oder welche Verkaufsergebnisse die bisherige Bestückung zeitigte. Außerdem können sie an Ort und Stelle alternative Bestückungsvorschläge entwickeln.

Tools für Anwender sind die wichtigste BI-Produktklasse

Dominierende Produktklasse im Angebot der BI-Hersteller sind mit mehr als 42 Prozent Werkzeuge zur Erstellung von Scorecards, Analysen oder Reports. Weit dahinter (21,1 Prozent) rangieren Fachlösungen mit integrierter Analysemöglichkeit. Allerdings könnte diesen, so jedenfalls die Branchenspezialisten auf der Veranstaltung, eine große Zukunft beschieden sein. Denn Anwender wollten zunehmend hoch spezialisierte Analyselösungen für fachlich eng begrenzte Fragestellungen, in die auch viel Wissen des jeweiligen Fachbereichs einfließt.


Noch immer ist die Domäne der BI-Produkte der Finanz- und Controllingbereich, doch sie breiten sich in immer mehr Unternehmensabteilungen aus (Grafik: Lünendonk).

Bei der Datenauswertung spielen Zeitreihenanalysen und Mustererkennung eine Rolle. Um eine solche fachlich komplexe Lösung zu entwickeln, muss sich auch der BI-Anbieter Unterstützung von Leuten holen, die das nötige vertiefte Fachwissen mitbringen. SAS arbeitet dafür beispielsweise mit Accenture zusammen. Die entsprechenden Projekte, so meinen die Befragten, werden künftig häufig in Kooperation zwischen IT und Fachbereich durchgeführt.

An dritter und vierter Stelle der Lünendonkschen Produkt-Hitparade liegen Tools zur Datenintegration und fürs Data Mining. Dass Data Mining mit 13,9 Prozent erst auf Platz vier des Software-Angebotsspektrums liegt, könnte daraus resultieren, dass diese Lösungen meist recht umfassend sind, von Großkunden genutzt und von großen Herstellern – oft zusammen mit Beratung und sogar spezialisierter, besonders leistungsfähiger Hardware – angeboten werden.

Traditionell verwenden Controlling und Rechnungswesen (33,3 Prozent) BI besonders intensiv, gefolgt von Unternehmenssteuerung, Vertrieb und Risikomanagement. Ein relativ neues Einsatzfeld, wo erst wenige Hersteller Produkte anbieten, ist das Marketing. „Wir gehen davon aus, dass BI sich Schritt für Schritt von den traditionellen Domänen in nahezu alle Unternehmensbereiche verbreitet“, fasst Mario Zillmann, Senior Consultant bei Lünendonk, zusammen. Das dürfte dem Markt weiteres solides Wachstum sichern.

ZDNet.de Redaktion

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