Strom, Gas, Telefon für alle: aber kein Internet

Wer einer Berghütte in den Alpen oder auf einer Hallig im Wattenmeer wohnt, braucht sich in Deutschland um die Infrastruktur keine Sorgen machen. Die sogenannte Universaldienstverpflichtung sorgt dafür, dass man auch dort Strom, Wasser und einen Telefonanschluss bekommt – zum selben Preis wie alle anderen versteht sich.

Für einen Breitbandanschluss gilt das aber nicht. Wer im falschen Dorf wohnt, muss froh sein, wenn er zwei ISDN-Kanäle bündeln darf. So macht YouTube keinen Spaß und bevor der Download einer Linux-Distribution auf DVD abgeschlossen ist, erscheint möglicherweise schon die nächste Version.

Wer sich das als Großstädter nicht vorstellen kann, sollte einmal einen Monat lang sein Smartphone auf GPRS-only schalten und den Laptop nur per Tethering mit dem Internet verbinden. Danach weiß man, wie sich manch einer fühlt, der in ein Haus auf dem Land gezogen ist.

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wollte das jetzt ändern: Die Universaldienstverpflichtung sollte durch eine Änderung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) auf Breitbandzugänge ausgedehnt werden. Wenn schon aus dieser Fraktion, die bisher eher durch Zensur und Three-Strike-Modelle auffiel, ein vernünftiger Vorschlag kommt, sollte man dem Respekt zollen. Lernfähigkeit muss schließlich belohnt werden.

Auch die Opposition hätte mitgespielt. Die Grünen hatten jüngst eine Machbarkeitsstudie (PDF) in Auftrag gegeben. Die hätte man sich allerdings sparen können, denn wenn man Leitungswasser mit viel Energie auf die Zugspitze hochpumpen kann, sollte auch eine Richtfunkstrecke für die Breitbandversorgung kein Problem sein.

Natürlich kommt das Internet für alle nicht, denn die FDP spielt nicht mit. Der Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko) hatte gejammert und sogar gedroht, die Investitionen zurückzufahren. Da muss die FDP selbstverständlich Anwalt für die von der CDU/CSU ausgebeuteten Provider spielen. Gegenüber Heise online erklärte die zuständige FDP-Abgeordnete Claudia Bögel: „Das Thema ist vom Tisch“.

Offensichtlich ist selbst der FDP der Sinn für den Neoliberalismus abhanden gekommen. Wer „neoliberal“ nicht als politischen Kampfbegriff und Synonym für alles Böse und Ungerechte versteht, sondern als eine wissenschaftliche Wirtschaftstheorie, der kann nachlesen, dass die Vertreter des Neoliberalismus einen starken Staat fordern, der deregulierend in bestimmte Märkte eingreift, etwa in den Straßenbau, ins Gesundheitswesen oder in die Energieversorgung. Dort kommt es naturgemäß zu einem Marktversagen. Und wirtschaftstheoretisch gesehen gehört auch der Ausbau der Datenautobahn zum Straßenbau.

Doch mit dem starken Staat nimmt es die FDP nicht so genau. Jedenfalls kann ich kein Zeichen von Stärke darin erkennen, wenn eine Partei vor der Wirtschaft kuscht und notwendige Maßnahmen im Interesse der Bürger nicht ergreift.

Auch nach dem Debakel bei der Berlin-Wahl hat die FDP nichts gelernt. Scheinbar wird ein Ergebnis von unter zwei Prozent als nicht weiter tragisch angesehen. Das liberale Wählerklientel läuft zwar in Scharen weg und findet sich bei der Piratenpartei wieder zusammen, aber das scheint Rößler und den Rest der Parteispitze nicht weiter zu stören.

ZDNet.de Redaktion

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