iPhone 4S: Apple ist eine Runde weiter

Apple hat gestern in Kalifornien ein deutlich schnelleres, besseres, man könnte auch sagen generalüberholtes iPhone 4 vorgestellt und ein neues Preismodell für die gesamte Modellreihe angekündigt. Ziel ist es, die Flut der angekündigten Android-Smartphones aufzuhalten. Zusätzlich zur Hardware und der deutlich attraktiveren Preisstaffelung wurden auch eine ganze Reihe neuer Features für das Betriebssystem iOS gezeigt.

Vielen Medien war das nicht genug: Sie bewerteten die Veranstaltung und die Inhalte nur als halb gelungen. Auch die Börse reagierte verärgert: Die Apple-Aktie sackte um fünf Prozent ab. Obwohl Apple selbst keine Erwartungen geschürt und keinerlei Versprechungen gemacht hatte, lag die Messlatte hoch. Die im Vorfeld von Apple-Veranstaltungen in den vergangenen Jahren wie üblich auch diesmal heftig brodelnde Gerüchteküche hatte mit mehr oder weniger stichhaltigen Hinweisen die Erwartungshaltung geschürt, dass ein auch äußerlich neues iPhone 5 vorgestellt werde. Die entsprechenden Hüllen, verlorenen Prototypen und Interna von Zulieferern sowie einige kreative Photoshop-Entwürfe können jetzt wieder in den Schubladen verstaut werden – bis zum nächsten Mal.


Die iPhone-4S-Modelle: nicht revolutionär, aber solide.

Die Enttäuschung ist teilweise verständlich. Sie lässt sich gut anhand eines Beispiels aus der Fußballwelt nachvollziehen: Wer zu einem Spiel des FC Barcelona in der Champions League geht, will einfach guten und schönen Fußball sehen. Dass dies manchmal, im entscheidenden Spiel der Gruppenphase etwa, nicht gelingt, sondern einfach die anstehenden Aufgaben gemeistert werden müssen, will er in dem Moment nicht verstehen. Da helfen auch im Nachhinein nicht all die gut gemeinten Erklärungen, wie meisterhaft der Verein den eigentlich zweitklassigen Gegner beim langweiligen 2 zu 0 dominiert habe, wie er sich taktisch geschickt verhalten, das Spiel bestimmt und keinerlei Chancen zugelassen habe. Zwar sagt der Kopf, dass all diese Argumente richtig sind, aber der Bauch weigert sich, sie anzuerkennen – ein spannendes und hochklassiges 4 zu 3 wäre ihm einfach lieber gewesen.

Das iPhone 4S ist für Apple aber eine Pflichtaufgabe. Äußerlich unterscheidet es sich lediglich beim Antennendesign vom aktuellen Modell. Es kann ab dem 7. Oktober bestellt werden und wird sieben Tage später ausgeliefert. Mit 16 GByte kostet es 629 Euro, mit 8 GByte ohne Vertrag 519 Euro. Der Preis für das iPhone 3GS wurde von 519 auf 369 Euro gesenkt.

In den USA vermarkten AT&T, Sprint und Verizon das Gerät. Die Modelle mit 16, 32 und 64 GByte kosten dort mit einem Zweijahrsvertrag 199, 299 beziehungsweise 399 Dollar. Das weiße Modell soll gleichzeitig mit den anderen verfügbar sein. In Deutschland hat die Telekom angekündigt und O2 und Vodafone zumindest den Eindruck erweckt, das iPhone im Rahmen von Verträgen zu vermarkten, aber noch keine Preise genannt.

Aber alleine vom US-Standpunkt aus lässt sich sagen, dass die Auswirkungen auf die Konkurrenz erheblich sein werden. Mit einem Einsteigspreis von 199 Dollar liegt das iPhone 4S dort inzwischen unter LTE-Geräten wie dem Droid Bionic. Das iPhone 4 dringt sogar in Preisbereiche vor, die bisher einfachen Mobiltelefonen vorbehalten waren. Und das iPhone 3GS wird mit der neuen Preisstaffelung zum Traum jedes Prepaid-Kunden.

Die neue Preisgestaltung wird Apple auch helfen, seine Position in anderen nationalen Märkten auszubauen. Bei einem Treffen mit Finanzanalysten im Sommer erklärte Apple, dass man im vergangenen Quartal Verträge mit 42 neuen Mobilfunkanbieter geschlossen und in 15 zusätzliche Länder vorgedrungen sei, darunter China, Brasilien, Mexico und einige im Nahen Osten. „Das ist gut für Apple, weil wir in diesen Märkten früher nicht so stark waren, wir aber nun die ersten Früchte unserer Arbeit sehen“, sagte COO Tim Cook damals.

Aus Designersicht hat das iPhone 4S zwar nichts Neues zu bieten, aber die stark verbesserte Performance wird sich als Trumpfkarte im Kampf um Marktanteile und Kunden erweisen. Das iPhone 4S nutzt den vom iPad bekannten A5-Chip. Auf der Veranstaltung gestern sagte Marketing-Chef Phil Schiller, dass neue Modell sei doppelt so schnell wie die vorangegangene Generation mit Single-Core-A4-Chip und biete die siebenfache Grafikleistung. Die werden nicht nur Gamer zu schätzen wissen. Dazu kommt mit 14,4 MBit/s eine doppelt so hohe Downloadgeschwindigkeit wie beim Vorgänger.

Während die Konkurrenz nach wie vor einfach Geräte herstellt, hat Apple eine echte Plattform aus Hardware und Software geschaffen – mit hervorragenden Perspektiven für Entwickler. Mit derzeit rund 250 Millionen iOS-Geräten im Markt und 500.000 Apps im App Store existiert eine solide Grundlage. Da muss Apple nicht bei jeder Produktvorstellung Android vernichtend schlagen oder Begeisterungsstürme hervorrufen – obwohl die Demonstration der Sprachintegration, auch wenn diese erst 2012 umgesetzt wird, es verdient hätte. Cupertino kann durchaus auch einfach bringen, was die Nutzer inzwischen von Apple erwarten: eine funktionierende, mobile Lösung mit zahllosen Apps, langer Batterielaufzeit sowie einer zunehmenden Auswahl bei Anbietern und Preisen. Unterm Strich ist Apple – um die Analogie zum FC Barcelona wieder aufzugreifen – mit dem iPhone 4S einfach eine Runde weiter. Und das kann nicht jeder von sich behaupten.

ZDNet.de Redaktion

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