Das Smartphone wird zur Schaltzentrale im Auto

Obwohl verschiedenfarbige Signale über den Bildschirm wabern ist dieses Forschungsfahrzeug weder ein Spielautomat noch der Enkel von KITT, der legendären, rollenden Allzweckwaffe aus der Serie „Knight Rider“. Von außen wirkt der Renault Megane vollkommen normal, innen ist er allerdings vollgepackt mit modernster Technik. Neue Bedien- und Anzeigemöglichkeiten für alle Autos, nicht nur für die Oberklasse, stecken hinter dem Konzept. Es heißt „Simplify your Drive“ und wurde vom Automobilzulieferer Continental zusammen mit der Deutschen Telekom und der französischen Bouygues Telecom entwickelt. Zusammengefasst übernimmt bei Simplify your Drive das Handy im Fahrzeug maßgebliche Funktionen.

Sicherheit, Komfort, Technik und vor allem ein Internetzugang sind die wesentlichen Faktoren, die ein Fahrzeug haben muss. Das zeigt eine vor kurzem veröffentlichte Studie des Bitkom zum Thema ITK im Auto. Neben E-Mobility rangiert Kommunikation ganz vorne in der Gunst der Käufer. Hinter den Kulissen tobt deswegen die Schlacht ums beste System. Die Autohersteller tüfteln was das Zeug hält an der Weiterentwicklung ihrer Infotainment- und Telematik-Ausstattung.

Das Handy als Autoschlüssel


Der Autoschlüssel steckt künftig im Smartphone (Bild: Continental).

Der Nachteil: Die Neuerungen sind zu Beginn meist der Premium-Klasse vorbehalten, kosten als Sonderausstattung vierstellige Beträge und sind somit einer breiten Käuferschicht nicht zugänglich. Geht es nach Continental, soll sich dies bald ändern. Eine zentrale Rolle spielt dabei das Mobiltelefon. Das Konzept Simplify your Drive soll für jedermann erschwinglich sein und ganz einfach über das Smartphone funktionieren.

Seit einigen Jahren bieten Autohersteller ihren Kunden Varianten an, um schlüssellos die Autotüre zu öffnen und den Motor zu starten. In absehbarer Zeit ist es nicht einmal mehr notwendig, überhaupt noch einen realen Schlüssel zu besitzen. Seine Funktionen und noch einige andere übernimmt das Handy. Near Field Communication, kurz NFC, heißt hier das Zauberwort. Herzstück des virtuellen Autoschlüssels im Handy ist ein fälschungssicheres Datenpaket, das verschlüsselt gespeichert wird.

Die Zugangsberechtigung tauschen Smartphone und das NFC-Lesegerät im Fahrzeug über die Funkschnittstelle aus. Ein Empfänger im Armaturenbrett verifiziert anschließend den digitalen Schlüssel im Mobiltelefon beim Starten des Wagens. Zur Info: NFC arbeitet in einem Frequenzbereich von 13,56 MHz und bietet eine Datenübertragungsrate von maximal 424 KBit/s bei einer Reichweite von nur zehn Zentimetern.

„Leichte, intuitive und im gewissen Sinne magisch wirkende Bedienbarkeit wird zum Erfolgsgeheimnis für neue Innovationen in der Automobilindustrie. Basis dieser Innovationen ist immer häufiger die enge Vernetzung der Unterhaltungs- mit der Automobilindustrie. Der digitale Autoschlüssel im Handy ist ein deutliches Beispiel hierfür“, erklärt Helmut Matschi, Mitglied des Vorstands der Continental AG.

Ein ganzes Bündel neuer Anwendungen

Im ersten Moment erscheint einem der virtuelle Türöffner nicht unbedingt revolutionär. Schaut man aber genauer hin, dann eröffnet Simplify your Drive ein Bündel an Anwendungen. Denn die Möglichkeit, sein Auto per Handy zu öffnen und zu starten, ist erst der Anfang. Continental nutzt es als maßgeblichen Part seiner Strategie. Nach dem Einsteigen wird das Mobiltelefon an eine vorgesehenen Stelle abgelegt. Es verbindet sich anschließend per WLAN mit der Kommunikationszentrale des Fahrzeugs. Diese übernimmt Anwendungen und Daten des Smartphones und stellt sie auf einem 7-Zoll großen Touchscreen zur Verfügung.


Apps auf dem Smartphone lassen sich auch über die Kommunikationszentrale im Fahrzeug nutzen (Bild: Continental).

In diesem sogenannten Terminal Mode lassen sich zahlreiche Einstellungen vornehmen. Dazu gehören nicht nur die Infotainment-Funktionen Navigation, Radio, Telefon und Internet, auch klassische Einstellungen wie die Klimaanlage kann man mit einem Fingerwisch steuern. Darüber hinaus sollen sich verschiedene Funktionen des Fahrzeugs künftig personalisieren lassen und mit dem virtuellen Schlüssel verbunden sein. Lieblingssender im Radio, Internet-Dienste und Apps von AutoLinQ, dem Infotainmentsystem von Continental und Telekom, gehören genauso dazu wie die Sitzposition oder die Innenraumbeleuchtung. Per Induktion bleibt das Smartphone zudem ständig aufgeladen.

Hauptsächlich getestet wird derzeit mit diesem Szenario auf Android-Basis. Aber auch andere Betriebssysteme funktionieren in diesem System, berichtet Enno Pflug, Continental-Pressesprecher für die Division Interior. Noch gebe es zwar keinen einheitlichen Standard, die Industrie arbeite jedoch daran.


Ob Begrüßung oder Warnzeichen: LEDs signalisieren dem Autofahrer unterschiedliche Situationen (Bild: Continental).

Aber das Konzept kann noch mehr: Einmal geöffnet, begrüßt das Fahrzeug seinen Besitzer mit einer farbigen Willkommenssequenz über einen zweiten, in der Oberseite des Armaturenbretts eingelassenen Monitor, dessen Oberfläche durch verschiedenfarbige LEDs leuchten kann. Und dies ist nicht allein dem Spieltrieb der Ingenieure geschuldet: Die Oberfläche soll durch Farbsignale Schlüsselreize beim Fahrer auslösen, ohne dass dieser seinen Blick von der Fahrbahn nehmen muss. Die Intelligenz sitzt dabei in einem Steuergerät und spielt, je nach Fahrsituation, verschiedene Animationen ab.

So können beispielsweise rote Blinksignale vor Gefahrensituationen warnen oder das Überschreiten einer zuvor festgelegten Höchstgeschwindigkeit anzeigen. Eine andersfarbige Sequenz macht auf Anrufe oder eingegangene E-Mails aufmerksam. „Unser Leben wird durch vielfältige Informationskanäle immer stärker geprägt. Der Autofahrer soll sich dank cleverer Informationsverarbeitung auf das Wesentliche konzentrieren – auf seine Fahraufgabe“, so Matschi.

Das Ende der Schalter und Drehknöpfe


Einmal in die Ladeschale gelegt, verbindet sich das Smartphone mit dem Bordsystem und wird gleichzeitig geladen (Bild: Continental).

Für die verbleibenden Schalter und Regler im Fahrzeug überlegt sich Continental ebenfalls eine alternative Bedienweise. Im Cockpit sollen sich künftig schlanke, auf Infrarot-Technik basierende Schaltelemente befinden. Diese sind bündig auf Glasoberflächen oder Metallkonsolen aufgebracht und werden simpel, wie von einem Touchscreen gewohnt, mittels Berührung bedient. Ein weiterer Vorteil: Es wird Bauraum geschaffen, der wiederum für andere Fahrzeugfunktionen verwendet werden kann – zum Beispiel als Induktionsladeschale für das Handy.

Neue Mobilitätskonzepte

In der Planung geht Continental aber noch einen Schritt weiter und denkt über innovative Mobilitätskonzepte nach. Speziell im B2B-Segment stehen Mietwagen und Carsharing ganz oben auf der Liste. Denkbar ist etwa, dass man sich ein Fahrzeug über das Internet reserviert und passend dazu den Autoschlüssel aufs Smartphone geschickt bekommt: Kaum ist ein Fahrzeug auf der Internetseite eines Mietwagen-Dienstleisters ausgewählt und bestätigt, werden der temporäre digitale Schlüssel sowie die Profildaten des Fahrers über eine gesicherte Datenverbindung auf die SIM-Karte des Handys überspielt.

Parallel dazu werden das Kennzeichen und der Standort des Wagens übermittelt. Die sonst üblichen Wartezeiten und das Ausfüllen von Formularen entfallen. Für die Abrechnung stünde dann Projektpartner Telekom mit seiner virtuellen Geldbörse Mobile Wallet zur Speicherung und Verwaltung des elektronischen Fahrzeugschlüssels im Mobiltelefon parat. Darüber hinaus sollen Kunden ihre Bank- oder Kreditkartendaten hinterlegen und damit Mietwagen oder Carsharing-Dienste bezahlen können. Aber was passiert bei Verlust oder Diebstahl des Handys? Continental gibt hier Entwarnung. Der virtuelle Schlüssel und andere sensible Daten könnten per Fernzugriff deaktiviert werden.

Ausblick

Man darf gespannt sein, was in naher Zukunft auf die Verbraucher zukommt. Das Simplify-your-Drive-Konzept ist laut Hersteller schon weit gediehen. Gerade das Thema NFC-Schlüssel stehe bald vor dem Serienstart. Im nächsten Schritt möchte Continental die technische Machbarkeit des Konzepts demonstrieren und die verschiedenen Technologien für die Massenfertigung vorbereiten. Der Automobilzulieferer plant zudem, Teile davon innerhalb der nächsten drei Jahre zur Serienreife zu bringen. Für Unter-, Mittel- und Oberklasse-Modelle soll es unterschiedliche Varianten von Simplify your Drive geben. Doch wie eine Basis-, Standard- und Premium-Version aussehen wird, steht noch in den Sternen.


Die auf den Fahrer abgestimmte, personalisierte Oberfläche des 7-Zoll großen Touchscreens (Bild: Continental).

ZDNet.de Redaktion

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