Seit heute kann man die Release-Version von Ubuntu 11.10 (Oneiric Ocelot) von Canonicals Website herunterladen. Pünktlich jeden April und jeden Oktober erscheint ein offizielles Update der laut Distrowatch beliebtesten Linux-Distribution.
Auf den ersten Blick scheint sich diesmal wenig getan zu haben. Die April-Version 11.04 brachte die neue Oberfläche Unity. Eine ähnlich bedeutende Änderung bringt Oneiric Ocelot nicht.
Canonical hat in erster Linie "Hausaufgaben" gemacht und die zahlreichen Komponenten der Distribution auf den neuesten Stand gebracht: Der Linux-Kernel wird in der Version 3.0.0-12 ausgeliefert. Der 3.1er-Kernel verzögert sich weiter. Gnome kommt in der Version 3.2, was auch einige Auswirkungen auf die Oberfläche Unity hat.
Auch die Anwendungsprogramme wurden aktualisiert: Firefox und Thunderbird liegen in der Version 7.0.1 vor. Chromium wurde auf 14.0.835.202 aktualisiert. LibreOffice hat den Releasestand 3.4.3. Der Compiler gcc beantwortet den Parameter -v mit 4.6.1. Diese Aufzählung ließe sich endlos fortführen. Dazu sei aber auf die Release Notes verwiesen.
Thunderbird oder Evolution
Canonical hat sich dafür entschieden, nunmehr Thunderbird als Standard-E-Mail-Programm zu verwenden. Bisher setzte der Distributor auf Evolution. Dramatisch ist diese Änderung nicht. Wer möchte, kann sich Evolution über die Softwareverwaltung jederzeit installieren.
Evolution kommt sehr viel besser mit Microsoft Exchange zurecht als Thunderbird. Da das Programm aber ActiveSync als Protokoll verwendet, ist die Kommunikation sehr langsam. ActiveSync ist optimiert für mobile Clients, die nur die E-Mails der letzten Tage offline vorhalten.
Wer einen Mailanbieter mit POP3- oder IMAP4-Protokoll einsetzt, kann dafür sowohl Thunderbird als auch Evolution nutzen. Wer viele Mails speichert, wird feststellen, dass Evolution bei großen Mailboxen langsam wird. Thunderbird hat dieses Problem nicht.
Wer gewohnt ist, E-Mails, Termine und Kontakte in eine Applikation zu haben, etwa von Microsoft Outlook, der wird bei Thunderbird eine Kalenderfunktionalität vermissen. Sie ist erst mit dem Add-on Lightning verfügbar. Ferner benötigt man ein weiteres Add-on für den jeweiligen Kalenderanbieter, etwa Google Mail. Das iCal-Format (CalDAV) und das iCalendar-Format (Microsoft Internet Calendar Sharing) werden von Lightning standardmäßig unterstützt.
Wer viel mit Kontakten arbeitet, sollte eher Evolution verwenden. Die Kontaktverwaltung in Thunderbird ist sehr spartanisch.
Oberfläche Unity: Immer noch viele Probleme
Im April resümierte ZDNet, dass Unity ein interessantes Konzept darstellt, das jedoch noch nicht fertig ist. Zahlreiche Features, etwa dass sich Kommandozeilenparameter zu Anwendungen definieren lassen, was manchmal notwendig ist, sind nicht implementiert. Viele Einstellungen, die man in der Gnome2-Oberfläche problemlos vornehmen konnte, lassen sich nur mit gconf-edit realisieren, das ähnlich funktioniert wie der Registry-Editor von Windows.
In der heute erschienen Version 11.10 hat sich leider nicht viel geändert. Es fehlen nach wie vor erweiterte Funktionen für Profis. Die Umbenennung der "Places" in "Lenses" ist eher Makulatur. Es fällt lediglich auf, dass das Symbol zum Öffnen des Dash vom Panel in den Launcher gewandert ist.
Verbesserungen gibt es vor allem für Unity2D-Benutzer. Die 2D-Version ist immer dann erforderlich, wenn man keine 3D-Grafik mangels Hardware oder mangels Treiber nutzen kann oder möchte.
Die 2D-Version ist viel stabiler geworden, vor allem deswegen, weil die 2D- und die 3D-Version inzwischen sehr viel gemeinsamen Code beinhalten. Unter 11.04 kam es zu zahlreichen "Freezes" und Abstürzen unter Unity2D.
Hundertprozentig stabil ist Unity aber auch jetzt in der Version 11.10 nicht. Eingefrorene Bildschirme, geringe Reaktionsfreude auf Mausklicks und Absturzmeldungen einiger Komponenten wie Compiz oder Zeitgeist kommen immer wieder vor, sowohl in der 2D- als auch in der 3D-Version.
Unity sorgt für Streit im Technical Board
Dass aber Unity insgesamt ein Problem für Ubuntu ist, haben inzwischen auch einige Entwickler eingesehen. Letzen Monat überraschte Scott Remnant mit dem Vorschlag monatliche statt halbjährliche Releases herauszubringen. Das solle verhindern, dass unfertige Software ausgeliefert werde und nannte dabei Unity als Beispiel.
Remnant sitzt im Technical Board von Ubuntu und hat unter anderen Upstart entwickelt. Sein Vorschlag mit monatlichen Releases dürfte kaum umsetzbar sein, aber seine Kritik an Unity hat große Beachtung gefunden.
In der April-Version 11.04 konnten Nutzer alternativ die klassische Gnome2-Oberfläche von Ubuntu wählen, um Unity auszuweichen, bis es mehr Funktionen bietet und stabiler läuft. Das geht mit der heute erschienen Version 11.10 zunächst nicht mehr.
Allerdings kann man mit sudo apt-get install gnome-shell die Gnome3-Shell einspielen, die einen Gnome-Klassikmodus besitzt. Nach der Installation steht im Log-in-Screen neben Unity und Unity2D auch Gnome und Gnome Classic zur Verfügung.
Auch wenn Gnome Classic auf den ersten Blick aussieht wie Gnome2, vermisst man viele Dinge. Gnome Classic ist mitnichten Gnome2, sondern eine Nachahmung der Gnome2-Shell unter GTK3. So kann man nicht einfach einen Starter auf ein Panel platzieren, sondern der Aufruf von Programmen läuft nur über das Menü. Immerhin lassen sich Menü-Einträge so modifizieren wie man es von Gnome2 gewohnt ist, das heißt, man kann Kommandozeilenparameter eingeben oder das Symbol austauschen.
Ferner lassen sich Panels nicht so konfigurieren, dass sie bei Bedarf vom Bildschirm verschwinden. Da in Gnome Classic je ein Panel oben und unten am Screen angebracht ist, verliert man eine Menge Nutzfläche. Insbesondere bei 16:9-Bildschirmen ist das ärgerlich.
Als dritte Alternative bleibt die Gnome3-Shell. Sie muss sich aber dieselbe Kritik gefallen lassen wie Unity, nämlich dass sie nicht fertig ist. Zwar hat man nicht mit Abstürzen und eingefrorenen Bildschirmen zu kämpfen, aber Anwendungssymbole lassen sich mit ihr auch nicht konfigurieren.
Man kann aber zu einem kleinem, wenngleich umständlichen, Trick greifen: Wer eine Anwendung mit Parametern ausstatten muss, kann sich ausloggen, die Änderungen in der Gnome-Classic-Shell vornehmen und sich wieder mit einer Gnome3-Sitzung anmelden. Unter "Aktivitäten – Anwendungen" findet man die Symbole zum Starten der Anwendungen, inklusive der in der Classic-Shell gemachten Änderungen.
Neue Systemeinstellungen erinnern an Mac OS X
Ubuntu tendiert dazu, sich beim Userinterface an Apple zu orientieren, was sicherlich nicht falsch ist. Auf jeden Fall ist es besser, nach Cupertino als nach Redmond zu blicken. In Ubuntu 11.10 fallen die neuen Systemeinstellungen auf.
Wie unter Mac OS X kann man nach dem Klick auf ein Symbol wieder ins Hauptmenü zurückkehren, wenn man auf "Alle Einstellungen" klickt. Außerdem gibt es keine OK- und Apply-Buttons mehr. Allerdings ist diese Mac-OS-X-Nachahmung noch nicht bei allen Einstellungen implementiert.
Wer sich seinen Rechner gerne etwas individuell anpasst, wird feststellen, dass das Symbol "Erscheinungsbild" verschwunden ist. Damit konnte man das Gnome-Theme individuell anpassen, etwa Schriftgröße oder die Nautilus-Symbole. Wem das nicht reichte, konnte auch ganz neue Desktop-Themes herunterladen.
Jetzt findet man nur noch das Symbol "Darstellung", das den Benutzer zwischen den vorgegebenen Desktop-Themes "Ambiance" und "Radiance" wählen lässt. Zudem gibt es noch die Themes "HighContrast" und "HighContrastInverse" für Anwender mit Sehschwäche.
Individuelle Anpassungen sind nicht mehr möglich. Lediglich das Hintergrundbild ist austauschbar. Das liegt aber nicht in der Verantwortung von Canonical, sondern ist eine Beschränkung des ebenfalls unfertigen Gnome3. Es gibt derzeit noch keinen Editor für GTK3-Desktop-Themes. Wer personalisieren möchte, kann bestenfalls gconf-edit verwenden.
Insgesamt muss man festhalten, dass durch den Umstieg auf GTK3, Gnome3 und Unity einige Probleme mit der Benutzeroberfläche resultieren. Die Shells Gnome3, Gnome Classic und Unity bieten derzeit nicht die gesamte Funktionalität von Gnome2 und GTK2, die aber in Ubuntu 11.10 nicht mehr verfügbar sind. Zudem hat Unity Stabilitätsprobleme. Einzige Alternative ist, auf KDE umzusteigen.
Neues Software Center 5.0
Sehr gut gelungen ist hingegen das neue Software Center 5.0. Es ist eine Mischung aus Paketverwaltung und App Store. Es lassen sich einerseits Anwendungen von Ubuntu inklusive Uni- und Multiverse-Repository installieren, andererseits aber auch kostenpflichtige Programme von Drittherstellern kaufen.
Die Payment-Abwicklung übernimmt RBS WorldPay. Man loggt sich direkt aus dem Software Center mit seinen Ubuntu-One- oder Launchpad-Zugangsdaten ein und gibt beim ersten Kauf eine Kreditkarte an.
Verbesserungen für 64-Bit-User
Unter der Haube hat sich in Ubuntu 11.10 allerdings einiges getan: Verbesserungen gibt es vor allem für Nutzer der 64-Bit-Version. Ausgewählte 32-Bit-Pakete können jetzt einfach in der 64-Bit-Version installiert werden. Wichtig ist das vor allem bei Closed-Source-Software, die nur in 32-Bit vorliegt, etwa Skype, Flash oder der Cisco-VPN-Client.
Da Flash ab der Version 11 auch 64-Bit-Unterstützung bietet und der Cisco-VPN-Client durch seinen Open-Source-Clone vpnc ersetzt werden kann, wird es die Anwender der 64-Bit-Version vor allem freuen, dass sie Skype 2.2 jetzt einfach als Paket installieren können. Dazu muss allerdings die Paketquelle "Canonical Partner" aktiviert sein.
Obwohl es kaum noch Probleme mit der 64-Bit-Version gibt, empfiehlt Canonical Desktop-Usern weiterhin die 32-Bit-Version zu installieren. Anders als Windows kann die 32-Bit-Version von Ubuntu mehr als 4 GByte Hauptspeicher nutzen durch den Einsatz eines PAE-Kernels (Physical Address Extensions). Pro Prozess ist der Adressraum aber auf 4 GByte beschränkt, was in der Praxis nahezu keine Auswirkungen hat.
Booten vom USB-Stick
Ferner trägt Ubuntu dem Umstand Rechnung, dass immer weniger User von einer CD oder DVD installieren möchten. Der USB-Stick gewinnt als Boot-Medium an Bedeutung. Die ISO-Images von Ubuntu 11.10 sind sogenannte Hybrid-Images, die man einfach per dd auf einen USB-Stick oder eine externe Festplatte dumpen kann.
Wer aber ein 700 MByte großes Image per dd auf einen 16 GByte Stick kopiert, verschenkt viel Speicherkapazität. Nutzt man hingegen eine traditionelle Methode, um einen bootbaren Stick herzustellen, etwa unter Windows den Universal USB Installer von Pendrivelinux, kann man die freie Kapazität weiterhin nutzen, ohne die Bootfähigkeit des Sticks aufzugeben.
Fazit
Ubuntu 11.10 ist kein Release, das durch herausragende Veränderungen auffällt. Betriebssystem und Anwendungen wurden auf den neuesten Stand gebracht. Die Oberfläche Unity ist stabiler geworden, dennoch gibt es ab und zu Abstürze oder Reaktionsträgheiten auf Maus-Befehle.
Obwohl Unity an der ein oder anderen Stelle optisch etwas aufgehübscht wurde, sind kaum neue Features zu sehen. Man kann die Symbole im Launcher nach wie vor nicht an individuelle Bedürfnisse anpassen.
Als Alternativen zu Unity stehen die Shells Gnome3 und Gnome Classic zur Verfügung. Beide arbeiten stabil, aber man vermisst bei beiden lieb gewonnene Features aus der Gnome2-Shell.
Positiv fällt das neue Software Center 5.0 auf. Es handelt sich um eine gelungene Mischung aus Anwendungspaket-Manager und App Store. Canonical hat keine Berührungsängste mit kommerziellen Anbietern, die ihre Software verkaufen.
Auch unter der Haube hat sich einiges getan: Die 64-Bit-Version kann jetzt ausgewählte 32-Bit-Pakete, etwa Skype, direkt installieren. Um von einem USB-Stick zu booten, können ISO-Images jetzt direkt auch auf einen USB-Stick gedumpt werden.
Ubuntu 11.10 ist ein Pflicht-Update für alle Nutzer. Es enthält zahlreiche kleine Verbesserungen, die die Arbeit einfacher machen. Es bleibt zu hoffen, dass in der nächsten Version 12.04 Funktionalität und Stabilität von Unity ein Level erreichen, so dass 12.04 dem Anspruch eines LTS-Releases (Long Term Support) gerecht wird.
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