Heute Nacht haben Google und Samsung gemeinsam Android 4.0 vorgestellt. Der interne Name lautet Ice Cream Sandwich oder kurz ICS. Die neue Version kann sowohl auf Tablets als auch Smartphones betrieben werden. Bisher hatte Google zwei Android-Varianten gepflegt: Die Version 3.x war für Tablets ausgelegt, die Version 2.x für Smartphones.
Gestern zeigten Google und Samsung ICS allerdings nur auf einem Handy, dem Galaxy Nexus, das unter der Marke Google verkauft, aber von Samsung produziert wird. Während das API für Entwickler in der Handy- und der Tablet-Variante identisch ist, zeigt die Version 4.0 ein anderes Benutzerinterface, je nachdem ob sie auf einem Handy oder einem Tablet läuft. Das ist grundsätzlich anders als in iOS, welches auf iPads und iPhones im Wesentlichen ein identisches Benutzerinterface zeigt.
Google hat Android 4.0 optisch mächtig aufpoliert. Dabei hat es sich nicht gescheut, kräftig bei der Konkurrenz abzuschauen. Die Kontakt-App erinnert stark an den People-Hub von Windows Phone. Apps auf dem Homescreen lassen sich jetzt auch in Foldern anlegen und so sinnvoll gruppieren. Dieses Feature ist nahezu eins zu eins von Apple übernommen.
Google erhebt mit Ice Cream Sandwich den Anspruch, die "Leistungsfähigkeit von Android an die Oberfläche zu bringen". Dazu reicht es nicht, die Optik etwas zu verbessern, auch an der Bedienung muss sich einiges ändern.
Erfreulicherweise zeigt sich an zahlreichen Kleinigkeiten, dass Google dazu gelernt hat, was die Benutzerfreundlichkeit angeht. Der ehemalige App Drawer, der jetzt „All Apps Launcher“ heißt, ist wesentlich verbessert geworden.
Aus dem All Apps Launcher lassen sich Informationen über eine App anzeigen. Man kann eine App auch aus dem Launcher heraus deinstallieren. Bisher war das nur umständlich über "Einstellungen – Anwendungen" möglich. Neu ist die Möglichkeit, von Google oder dem Hardwarehersteller vorinstallierte Apps zu verstecken, wenn man sie nicht braucht.
Im gesperrten Zustand lassen sich jetzt einige Aktionen ausführen. Wie bei iOS 5 ist es möglich, Fotos zu machen. Das soll schnellere Schnappschüsse ermöglichen. Sofern Musik abgespielt wird, können Benutzer das Musikstück wechseln, die Wiedergabe anhalten und die Album Art anschauen. Etwas problematisch ist es allerdings, dass man im gesperrten Zustand auch die Benachrichtigungsleiste herunter ziehen kann. So kann ein Dieb beispielsweise SMS lesen, ohne das Telefon entsperren zu müssen. Hier geht der Mitbewerb allerdings noch einen Schritt weiter. So zeigt iOS 5 etwa mindestens die Betreff-Zeile aller eingehenden E-Mails an.
Falls das Handy eine Front-Kamera besitzt, braucht man theoretisch weder eine PIN noch ein Entsperrmuster. Per Gesichtserkennung kann es seinen rechtmäßigen Besitzer von Dieben unterscheiden. In der gestrigen Demo in Hong Kong funktionierte das allerdings nicht. Das Handy wollte seinen Eigentümer partout nicht wiedererkennen.
Continous Open Microphone Experience
Auch beim Voice Input geht Google neue Wege. Die „Continous Open Microphone Experience“ soll dafür sorgen, das der Benutzer jede Eingabe auch per Sprache machen kann. Google verfolgt aber einen ganz anderen Ansatz als Apple mit dem persönlichen Assistenten "Siri".
So kann man jeden Text, etwa SMS und E-Mail, einsprechen statt eintippen. Die neue Rechtschreibprüfung zeigt anschließend Worte an, die ihr unbekannt sind, und bietet Korrekturvorschläge an. Es ist möglich, Wörterbücher hinzuzufügen, die etwa einen speziellen technischen Wortschatz enthalten.
Ob das in der Praxis alles so einfach wie funktioniert, wie es sich anhört, muss sich noch zeigen. Immerhin bessert Google auch da nach, wo die Spracheingabe schon immer gut funktionierte, nämlich bei Navigationszielen. Google-Nutzer wissen zu schätzen, dass sie einfach "Mc Donald's", "Media Markt", "Edeka" oder den Namen ihres Hausarztes einsprechen müssen, um ans gewünschte Ziel zu kommen. Allerdings brach die Spracheingabe nach wenigen Sekunden ab. Jetzt kann man auch längere Spracheingaben wie "München, Georg-Brauchle-Ring 157" machen, ohne extrem schnell sprechen zu müssen.
E-Mail, Kalender und "Visual Voicemail"
Ganz neu gestaltet ist die Kalender-App. Es ist jetzt problemlos möglich, mehrere Kalender auf einmal in einem "Unified Calendar" anzuzeigen. Man kann durch Monate oder Tage swipen und dann einzelne Tage oder Stunden per Geste aufzoomen.
Beim E-Mail-Programm fehlt allerdings eine "Unified Inbox", wie sie beispielsweise iOS bietet. Außerdem liefert Google nach wie vor einen Standard-E-Mail-Client und einen speziell auf Google Mail ausgelegten Client aus. Hier hat sich leider wenig in Richtung Benutzerfreundlichkeit getan.
Das offene API "Visual Voicemail", das von Providern, etwa einem Handynetzbetreiber, mit Leben gefüllt werden muss, bietet Zugang zu Sprachnachrichten. Über die Voicemail-App kann der Nutzer dann seine Mailboxnachrichten und andere Mitteilungen abhören. Dabei können nicht nur Audio-, sondern auch Video-Inhalte verarbeitet werden.
Visual Voicemail hat durchaus Potenzial. So könnte etwa eine App alle Handy-Mailbox-Nachrichten automatisch als MP3-Datei in die Inbox des Nutzers legen. Damit hätte er seine Sprachnachrichten auch in der Inbox des Desktop-PCs. Das ist ein wichtiger Schritt in Richtung Unified Messaging.
Management des Datenvolumens
Für manche Leute ist es wichtig, über Facebook und Twitter zu erfahren, was jeder einzelne soziale Kontakt zu Abend gegessen hat. Befindet man sich jedoch im Ausland und muss beim Roaming pro Datenpaket à 10 KByte Geld zahlen, dann vermindert sich das Interesse an der detaillierten Lebensführung des sozialen Umfelds rapide.
Android 4.0 bietet zahlreiche Möglichkeiten, den Datenverkehr einzugrenzen. Neben generellen Limits und Warnungen, kann man nachschauen, wie viel Traffic eine einzelne App erzeugt, und gegebenenfalls die Sync-Einstellungen der App ändern.
Da das aber mit viel Aufwand und Finetuning verbunden sein kann, wird man in der Praxis eher die Option "Restrict Background Data" verwenden. Ist sie aktiv, dürfen Programme nicht synchronisieren, wenn sie nicht im Vordergrund sind. Das heißt, solange man Facebook oder Twitter nicht explizit aufruft, werden keine neuen Nachrichten aus dem Netz geholt. Diese Beschränkung wird aufgehoben, sobald man sich in einem WLAN-Netz befindet.
Hier muss sich Google allerdings die Kritik gefallen lassen, dass es vielleicht zu viele Tuning-Möglichkeiten gibt. Nutzer mit wenig Erfahrung werden sich möglicherweise in falscher Sicherheit wiegen. Es ist immer sinnvoll beim Roaming eine absolute Obergrenze zu setzen.
NFC-basiertes Beamen
Über NFC können zwei Android-4.0-Handys Kontakte, Musik, Fotos, Videos und Apps austauschen. Dabei handelt es sich um ein offenes API, so dass App-Hersteller weitere Features hinzufügen können, etwa das Starten eines Multiplayer-Games.
Natürlich kennt man das alles schon von Bluetooth. Allerdings hat Bluetooth eine größere Reichweite, so dass man seine Geräte erst mit einer PIN "paaren" muss. Ansonsten besteht die Gefahr des Datendiebstahls.
NFC erfordert, dass zwei Smartphones direkt aufeinander gelegt werden. Daher entfällt das aufwändige Pairing. Ferner muss keine App gestartet werden. Wenn sich zwei kompatible Android-4.0-NFC-Handys finden, reicht es aus kurz anzutappen, was man dem Partner übertragen möchte.
Ähnliche Neuerungen gibt es im Bereich WLAN. Zwei Smartphones können mit "Wi-Fi Direct" gekoppelt werden, wenn sie aktuell nicht an einem WLAN-Access-Point hängen. Das ist im Prinzip auch mit älteren Android-Versionen möglich, aber Wi-Fi Direct erlaubt das ganz ohne Konfigurationsaufwand.
Im Bluetooth-Bereich ist das Profil „Bluetooth Health Device Profile“ hinzugekommen. Damit kann man sich an medizinische Sensoren, etwa Langzeit-Pulsmessgeräte, koppeln.
Verbesserungen beim Browser
Für Android 4.0 verspricht Google deutlich mehr Geschwindigkeit. Die Rendering-Performance soll durch eine neue Webkit-Engine dramatisch angestiegen sein. Auch die V8-Javascript-Engine sei deutlich schneller. Auf einem Google Nexus S sei die Geschwindigkeit beim V8-Benchmark um 220 Prozent gestiegen, beim SunSpider-9.1-Benchmark seien es 35 Prozent.
Sollten diese Werte stimmen, dann haben moderne Android-Devices mit Dual-Core-CPUs durchaus das Potenzial die Leistung des iPhone 4S zu übertreffen. Das wird sich aber erst zeigen, wenn die ersten Geräte verfügbar sind. Derzeit steht ZDNet nur der Emulator aus dem SDK zur Verfügung, der für Benchmarks ungeeignet ist.
Ferner können jetzt Google-Chrome-Bookmarks, die in einem Google-Konto gespeichert sind, direkt auf dem mobilen Browser genutzt werden. Darüber hinaus kann man für jede Website vortäuschen, ein Desktop-Browser zu sein. Das ist sinnvoll, wenn die Website automatisch eine abgespeckte Mobilversion zeigt, sofern sie einen mobilen Browser zu erkennen glaubt. Will man lieber die Vollversion, lässt sich das unter Android 4.0 mit einem Tap erledigen.
Fazit
Mit Android 4.0 macht Google einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung: Es kümmert sich hauptsächlich um die Benutzerfreundlichkeit. Dabei wird bei Apple und Microsoft durchaus kräftig abgekupfert, etwa was die People-App (vormals Kontakte) oder Folder auf den Homescreens angeht.
Google hat Android nicht nur kräftig aufgehübscht, sondern zahlreiche Verbesserungen bei der Bedienung gemacht. Dabei war man bereit, aus Fehlern zu lernen und bestimmte Paradigmen aufzugeben, etwa dass man Apps bisher nur sehr umständlich deinstallieren konnte.
Trotz der Fokussierung auf Optik und Bedienung hat Google die Technik nicht außen vor gelassen. Das neue Datenvolumen-Management und die Leistungssteigerung beim Browser belegen dies. Mit Android 4.0 zeigt Google, dass es seine Marktführerschaft bei mobilen Betriebssystemen nicht nur halten, sondern sogar noch ausbauen kann.
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