Mit dem Smartphone immer schlau am Stau vorbei

Wer auf der Autobahn unterwegs ist und im Verkehrsfunk fünf Kilometer Stau vor sich hört, muss sich stets fragen: Ist die Meldung noch aktuell? Ist der Stau vielleicht noch länger geworden, so dass es sich lohnt, die Autobahn zu verlassen? Oder fließt der Verkehr mittlerweile wieder normal und die Fahrt über die Landstraße wäre reine Zeitverschwendung? Die richtige Entscheidung scheint mitunter reine Glückssache: Vielfahrer erleben oft genug, dass die Verkehrsfunkangaben nicht stimmen – mal zu ihren Gunsten, mal zu ihren Ungunsten.

Das gleiche gilt für die digitale Version, den Traffic Message Channel (TMC). Diese vor knapp 15 Jahren in Deutschland eingeführten digitalen Verkehrsinformationen gelangen zwar kontinuierlich in die Navis und Autoradios, aktuell sind sie damit aber noch lange nicht. Den deutlich verbesserten Nachfolger TMC Pro, der zusätzlich viele Tausend Detektoren an Autobahnbrücken und Fahrbahnschleifen auswertet, gibt es in dieser Form nicht mehr. Er heißt jetzt Garmin Navteq Traffic und greift auf deutlich mehr Daten zurück, darunter anonymisierte Bewegungsdaten von Handys und Navigationsgeräten.

Live-Dienste mit Echtzeitinformationen im Internet

Das sind genau die Informationen, die zusammen mit Daten von kommerziellen Flottenmanagement-Systemen und qualifizierten Staumeldungen vom ADAC und anderen Stellen ein recht genaues Bild von der Verkehrslage ergeben – und zwar lokal genau sowie in Echtzeit. Neben Garmin Navteq Traffic stellen weitere Anbieter ihre Verkehrsinfos ins Netz, so dass man sich sowohl am PC als auch mit dem Smartphone ein aktuelles Bild über das Verkehrsgeschehen machen kann.


Garmin Navteq beschränkt sich auf die Verkehrslage, Zusatzfunktionen wie ein Routenplaner fehlen (Screenshot: Peter Stelzel-Morawietz/ZDNet).

Tomtom zeigt Staus und Verzögerungen nicht nur grafisch auf einer Karte an, sondern listet daneben auch Staulängen und aktuelle Wartezeiten auf.
Google stellt die Verkehrslage in Echtzeit derzeit in 13 europäischen Ländern dar, unter anderem in Deutschland. Hierzu muss man rechts oben in der auf Google Maps dargestellten Karte die Ebene „Verkehr“ aktivieren. Bei Google besticht selbst auf kleinen innerstädtischen Straßen die klare Darstellung und die Information, in welcher Fahrtrichtung der Verkehr stockt: gelb heißt zähfließend, rot stockend.

Die aktuelle Verkehrslage auf dem Smartphone


Navigon Traffic4all gibt es für iOS und Windows Phone (Screenshot: inrix/iTunes).

Schon beim Vergleich dieser drei Verkehrsdienste fallen deutliche Unterschiede auf: Während Google schon kleinste Rückstaus andeutet, beschränken sich Garmin und Tomtom auf größere Verkehrsprobleme. Google zeigt nämlich auch dort vermeintliche Verkehrsprobleme an, wo tatsächlich gar keine existieren. Tomtom und Google bieten darüber hinaus einen Online-Routenplaner, der die aktuelle Verkehrslage berücksichtigt. Beide Unternehmen bieten auf ihren Webseiten ferner die Option, die voraussichtliche Verkehrssituation zu einer bestimmten Uhrzeit darzustellen. Das ist interessant, um sich vorab über die zu erwartende Lage im Berufsverkehr zu informieren.

Die aktuelle Straßenlage auf dem PC-Monitor ist schön und gut, wichtiger aber ist die Darstellung unterwegs. Google Maps steht als App für alle wichtigen Handy-Betriebssysteme zur Verfügung. Somit lassen sich die Verkehrsinformationen auch auf den meisten Smartphones darstellen.


Google Maps blendet die Verkehrsebene nach dem Aktivieren ein, die Funktion ist rechts oben rot markiert (Screenshot: Peter Stelzel-Morawietz/ZDNet).

Die App ist im Prinzip kostenlos, im Ausland fallen aber unter Umständen hohe Roaming-Gebühren an. Ein weiteres Manko des Google-Tools ist, dass die App die zusätzliche Zeit im Stau zwar bei der Ankunftszeit berücksichtigt, nicht dagegen bei der Routenberechnung selbst. Man muss sich also selbst helfen und Stau oder Streckensperrungen ohne automatischen Lotsen umfahren.

Wer viel in Osteuropa unterwegs ist, kann dort das Yandex Traffic Widget nutzen: Es zeigt für über 60 Städte und Ballungsräume in Russland, der Ukraine, Kasachstan und Weißrussland Verkehrsinformstionen an.

Ebenfalls gratis ist das Staumeldeproramm Navigon Traffic4all von Navigon, das nur auf Apple-Smartphones sowie auf Handys mit Windows Phone 7 läuft. Derzeit noch auf die iOS-Fassung beschränkt sind die kostenpflichtigen Tomtom-Navigationslösungen, allerdings sollen Android-Versionen folgen. Besitzer von Windows Phone 7 werden bei Tomtom also auch in Zukunft leer ausgehen. Besitzer eines TomTom-Geräts können dieses vom heimischen Desktop aus mit dem kostenlosen TomTom Home aufpolieren.


Inrix Traffic – hier in der Variante für das iPhone (Screenshot: inrix/iTunes).

Für verschiedene Regionen und für iOS, Android, Windows Mobile und Windows Phone 7 steht die kostenpflichtige Navigations-App Navigon Mobile Navigator zur Verfügung. Ebenfalls mit einer breiten Geräteunterstützung (iOS, Android, Windows Phone und Blackberry) wartet Inrix Traffic auf. Der Hersteller wirbt mit einer Abdeckung von mehr als einer Million Straßenkilometern in Europa und Nordamerika.

Wer ein Nokia-Gerät mit Symbian-Betriebssystem hat, kann sich die Nokia Maps (früher „Ovi Maps“) herunterladen. Allerdings fehlen in der normalen Fassung noch die Live-Verkehrsinformationen. Diese finden sich für Deutschland, Frankreich und Großbritannien derzeit nur in der aktuellen Beta-Version. Alle Handy-Apps gibt es entweder direkt auf den Mobiltelefonen oder über die zugehörige Software wie iTunes oder Zune.

Live- und HD-Dienste auf dem Navigationsgerät

Während in Smartphones naturgemäß eine SIM-Karte steckt, über die sie per Internet die aktuellen Verkehrsinformationen beziehen, fehlt diese Funktion zunächst bei traditionellen Navis im Auto. Doch die Echtzeitdaten müssen irgendwie ins Gerät, wenn sie nicht nur wie bei TMC über die Radiofrequenzen alle 15 Minuten aktualisiert werden sollen. In dieser Zeit legt man schließlich selbst bei mäßigem Autobahntempo schon 40 Kilometer zurück – falls man nicht schon im Stau steckt.

Deutlich kürzere Update-Zyklen versprechen die häufig als Live-Dienste bezeichneten Verkehrsinformationen in Echtzeit. Vorreiter ist hier Tomtom mit HD Traffic: In den Live-Navigationsgeräten ist eine Telefonkarte fest eingebaut. Über sie bezieht der Routenplaner alle zwei Minuten die aktuellen Verkehrsdaten und wertet sie aus. Im ersten Jahr ist HD Traffic mit dem Gerätekauf abgegolten, für jedes weitere Jahr berechnet Tomtom derzeit 50 Euro. Die Verkehrsdaten stehen für Großbritannien, Frankreich, Belgien, Deutschland, die Schweiz, Portugal, die Niederlande, Italien, Spanien, Österreich, Luxemburg, Schweden, Finnland, Dänemark und Norwegen zur Verfügung.

Gegenüber den Smartphone-Apps bieten solche Services auf dem Navi sehr viel mehr Komfort: Ziel eingeben und los geht’s. Von alledem, was dahinter steckt, merkt der Autofahrer zunächst nichts. Erst unterwegs macht sich das Live-System bei Verkehrsproblemen bemerkbar. ZDNet hat HD Traffic über mehr als 2000 Kilometer getestet.


Tomtom bietet neben der grafischen Anzeige links eine Liste mit den zeitlichen Verzögerungen (Screenshot: Peter Stelzel-Morawietz/ZDNet).

Das Fazit fällt insgesamt sehr positiv aus: Störungen im Verkehrsfluss werden in aller Regel zuverlässig erkannt, die Stauenden auf der Autobahn erscheinen auf 300 Meter genau im Display. Selbst auf Landstraßen und in Städten funktioniert die Echtzeitanzeige ganz ohne feste Infrastruktur, wenn sich die Autofahrer mit ihren eingeschalteten Handys nicht bewegen und so einen Stau signalisieren.

Fazit: Nützlich, aber keineswegs perfekt


Garmin hat Navigationsgeräte mit Echtzeitverkehrsinformationen erst seit kurzer Zeit im Programm (Bild: Garmin).

Dabei zeigen sich aber auch die Systemschwächen: Ist beispielsweise die Grünphase einer Abbiegespur extrem kurz, so dass nur ganz wenige Fahrzeuge auf einmal fahren können, muss man mitunter trotzdem fünf Minuten warten, ohne dass HD Traffic eine Verzögerung anzeigt – dazu ist die kritische Datenmasse einfach zu klein.

Ähnliche Navigationsgeräte mit integrierten Echzeitverkehrsdaten hat seit kurzem Garmin mit „3D Traffic“ im Programm. Auch 3D Traffic berücksichtigt wie das Tomtom-Pendant „historische“ Verkehrsdaten: Wo sich Freitagnachmittag regelmäßig Autos stauen, ist dies auch an den folgenden Wochenenden zu erwarten. Also umfährt man solche Stellen besser, wo es möglich ist.


Weiter aber schneller: Der Online-Routenplaner von Tomtom berücksichtigt die aktuelle Verkehrslage (Screenshot: Peter Stelzel-Morawietz/ZDNet).

In Zukunft werden auch mehr Fahrzeughersteller Live-Daten in ihre festeingebauten Navigationsgeräte integrieren: Audi beispielsweise nutzt die Daten des bereits genannten Dienstes Inrix, BMW verfügt in seinen Modellen mit „Connected Drive“ über Echzeitinfos, und Mercedes will zukünftig mit Garmin kooperieren.

Man muss allerdings nicht weit in die Zukunft blicken: Auch ohne spezielles Navi und selbst auf bekannten Strecken kann ein schneller Blick auf die aktuelle Verkehrslage am PC oder Smartphone nützlich sein. Wenn der Verkehr auf einer Strecke gerade stockt, fährt man vom Büro besser über eine andere Route nach Hause, zum Kunden oder zum Termin.

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ZDNet.de Redaktion

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