Open-Xchange erfindet die Inbox neu

Die angesichts des Vordringens Sozialer Netzwerke immer wieder laut werdenden Todesprophezeihungen für die E-Mail hält Rafael Laguna, CEO von Open-Xchange, zumindest für verfrüht: Technologie werde immer wieder totgesagt, lebe dann aber erstaunlich lange weiter, auch wenn sie den Charme des Neuen und Aufregenden verloren habe. Das könnte man als Berufsoptimismus abtun, schließlich verdient Open-Xchange sein Geld damit, dass die Menschen E-Mail nutzen – und dass immer häufiger mit Lösungen des deutschen Herstellers. Aber so einfach ist es nicht.

Die Zahl der Anwender nahm in diesem Jahr um 75 Prozent auf über 42 Millionen zu, wie das Unternehmen vergangene Woche auf einer Partner- und Kundenveranstaltung in Köln bekannt gegeben hat. Open-Xchanges Webmail- und Synchronisierungssoftware sei für zunehmend mehr Serviceprovider der Ausgangpunkt, um in den Markt für gehostete Applikationen einzusteigen.

„Da gleichzeitig Endanwender und Kleinunternehmen zunehmend all ihre Kommunikations- und IT-Dienste aus einer Hand beziehen möchten, liefern jetzt auch immer mehr Telekommunikationsunternehmen, Cable Provider und Mobile Network Operator ihren Kunden Open-Xchange als Software-as-a-Service“, so Laguna. Dazu zählen neben 1&1, Strato, Host Europe auch Network Solutions und Dotster in den USA, Acens in Spanien, Home.pl in Polen, Surftown in Skandinavien und Hostpoint in der Schweiz.

Zusätzlich zu den Nutzer- und Kundenzahlen nennt Laguna aber auch ganz praktische Gründe für die Persistenz von E-Mail: So sei die oft gescholtene Asynchronität in einer sich globalisierenden Wirtschaft durchaus von Vorteil, schließlich sei direkte Kommunikation in Echtzeit über sehr unterschiedliche Zeitzonen hinweg nicht immer sinnvoll und machbar.

Bei der Archivierung habe E-Mail ebenfals deutliche Vorteile. Auch dafür führt Laguna ein Beispiel an: Der als Cloud-Musterkind gepriesene US-Anbieter Rackspace erwirtschafte die Hälfte seines Umsatzes mit der oft als langweilig erachteten Mail-Archivierung – kein hippes, aber offensichtlich ein lukratives und erfolgreiches Angebot.


So wird die überarbeitete Inbox der kommenden Open-Xchange-Lösung aussehen: Mit ihr will der Anbieter den Schritt ins Web vollziehen und alte Zöpfe abschneiden (Bild: Open-Xchange).

Und selbst bei der Zusammenarbeit in Teams sei die Mail nicht wegzudenken. Zwar nutzen immer mehr Firmen Sharepoint und ähnliche Dienste, aber bei einer Umfrage gaben 83 Prozent der Befragten an, dass sie ein erstelltes Dokument, das von anderen geprüft werden muss, in vier Fünftel der Fälle per Mail versenden. 12 Prozent laden es in der Regel auf ein Laufwerk hoch, wo andere darauf zugreifen können.

Weniger als 5 Prozent nutzen andere Möglichkeiten – also zum Beispiel Sharepoint – am häufigsten. Ob das alles ewig Gestrige sind, die sich moderner Technologie verweigern oder ob es sich im Alltag – trotz theoretischer Vorteile anderer Verfahren – einfach als praktikabelste Lösung herausgestellt hat, sei dahingestellt.


Auch die Portallösung wirkt aufgeräumter: Navigation erfolgt durch Links, Schaltflächen findet man gar nicht mehr (Bild: Open-Xchange).

Unter Strich bleibt festzuhalten: E-Mail wird – zusammen mit anderen Kommunikationsformen – den Geschäftsalltag noch eine Weile lang bestimmen. Allerdings gehen gerade an der elektronischen Post andere Trends nicht spurlos vorüber: So ist das Abrufen und Beantworten von E-Mails eine der häufigsten Tätigkeiten, die Mitarbeiter mit ihren mobilen Geräte ausüben – seien dies nun Laptops, Smartphones oder Tablets.

Herkömmliche Lösungen ignorieren diese Tatsache laut Laguna allerdings weitgehend: Bisher hätten die Anbieter – einschließlich Open-Xchange – lediglich versucht, die vom Desktop bekannten Benutzeroberflächen ins Web zu transportieren, um mobilen Zugriff zu ermöglichen. Die Folge: hohe Komplexität, geringe Übersichtlichkeit und erhebliche Schwierigkeiten der Softwareanbieter, mit dem erhöhten Innovationstempo der Hardwarelieferanten mitzuhalten.

„Für ‚alte‘ Software ist es ja schon eine Herausforderung, wenn der Nutzer sein Tablet dreht“, so Laguna. Der Nutzer erwarte aber heute, dass das möglich sei. Früher sei die Schule, durch die Mailnutzer gegangen sind, die Software am Fat Client gewesen – bei Mail in der Regel Outlook. Heute gingen die meisten Nutzer dagegen durch die „Web-Schule“: Die Navigation im Web sei für sie so intuitiv und selbstverständlich, dass sie weder Erklärungen noch Schulungen dafür bräuchten.


Ein Blick auf die kommenden Kalenderfunktion (Bild: Open-Xchange).

Open-Xchange bricht daher in der kommenden Generation seiner Software, die für die zweite Jahreshälfte 2012 erwartet wird, gründlich mit bisherigen Prinzipien. Ziel ist es, die Inbox völlig neu zu erfinden. Dafür, so Open-Xchange Produktmanager Matthias Biggeleben, sei es auch notwendig, auf gewohnte Features zu verzichten: „Einfach dadurch, dass man neue Features hinzufügt, erhält man noch lange kein gutes Produkt.“

Im Backend nutzt Open-Xchange künftig Apache Solr für die Indexierung und baut Dienste, um Groupware-Daten in seine Lösung einzubauen. Für die Benutzeroberfläche profitiert man viel von der konsequenten Nutzung von HTML5. Dazu gehören nicht nur die Möglichkeit, Dateien per Drag and Drop hochzuladen, sondern auch die, nach einem erneuten Log-on da weiterzuarbeiten, wo man zuletzt aufgehört hat. Die deutlich verbesserte Performance bei unzuverlässigen Internetverbindungen bis hin zu einem Offline-Modus zählt ebenfalls dazu.


Im Adressbuch wird die „Halo“ genannte Funktion am deutlichsten sichtbar: Zusatzinformationen zu seinen Kontakten auch aus Sozialen Netzen erschließen sich dem Nutzer nahtlos über Links (Bild: Open-Xchange).

Außerdem lässt sich mit der „Webifizierung“ der Software das Problem der Anzeige auf ganz unterschiedlichen Endgeräten und Displaygrößen elegant lösen: Sie passt sich weitgehend automatisch an. Damit geht Open-Xchange in dieselbe Richtung wie Google bei seinem Mail-Angebot.

Auch Google Mail passt sich seit kurzem automatisch an unterschiedliche Bildschirm- beziehungsweise Fenstergrößen an. Je nachdem, ob der Client auf einem Tablet, einem Notebook oder einem PC mit großem Monitor ausgeführt wird, ändert sich beispielsweise der Weißraum zwischen den einzelnen Elementen. Über das neue Einstellungsmenü können Google-Nutzer zudem manuell zwischen den drei Kompaktheitsgraden „Normal“, „Kompakt“ und „Schmal“ wechseln.

Auch bei der am oberen Fensterrand verankerten Symbolleiste gehen Google und Open-Xchange ähnliche Wege: Sie bleibt bei beiden immer sichtbar. Bei Google enthält sie nur noch die Schaltflächen, die in der jeweiligen Situation sinnvoll sind, bei Open-Xchange immer dieselben, aber lediglich die zur Navigation erforderlichen.

Beide Konzepte weisen also in dieselbe Richtung. Während Google seine Änderungen in gewohnter Art häppchenweise darreichen wird, bringt Open-Xchange seine Neuerung in einem Schwung. Anvisiert ist dafür die zweite Jahreshälfte 2012. Man wolle schließlich ein Produkt vorlegen, dass man auch stolz seiner Freundin zeigen könne – sofern man denn eine habe, wie Produktmanager Francisco Lagunga in Köln scherzhaft erklärte. Das ist löblich, dennoch sollte man sich beeilen, damit die vielen guten Ideen dann, wenn sie endlich in ein marktreifes Produkt gegossen sind, nicht mehr nur wie eine Kopie der Google-Vorlage wirken.

ZDNet.de Redaktion

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