Sozialministerium will Amazons Personalpolitik in NRW untersuchen


Amazon-Mitarbeiterinnen im Logistikzentrum Leipzig (Bild: Amazon).

Der nordrhein-westfälische Sozialminister Guntram Schneider (SPD) hegt „berechtigte Zweifel“ daran, ob der Umgang von Amazon mit seinen Beschäftigten in dem Bundesland legal ist. Eine definitive Aussage wollte der Minister nicht treffen: Seine Behörde prüfe derzeit zusammen mit der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit die Sachlage. Das berichten lokale Medien wie die Rheinische Post.

Im Mittelpunkt der Überprüfung stehen Vorwürfe, wonach der Versandhändler neue Mitarbeiter zwei Wochen als unbezahlte Praktikanten arbeiten lässt, bevor über deren Weiterbeschäftigung entschieden wird. Für die Agentur für Arbeit ärgerlich ist, dass die zumeist vorher arbeitslos Gemeldeten in diesem Zeitraum von ihr bezahlt werden.

Wie „Der Westen“ berichtet, hat das für den Amazon-Standort Werne zuständige Jobcenter in Unna jetzt diese Zuschüsse ausgesetzt. Sprecherin Antonia Mega erklärte gegenüber dem Regionalportal, dass Amazon für das Weihnachtsgeschäft 2000 zusätzliche Hilfsarbeiter für sein Lager gesucht habe. Dabei handle es sich ausschließlich um Saisonkräfte für das Weihnachtsgeschäft, die nicht subventioniert würden. Wann das Jobcenter wieder in die Unterstützung einsteigt, ließ Mega gegenüber dem „Westen“ offen. Nach dem Weihnachtsgeschäft beginne schließlich fast nahtlos das Ostergeschäft, in dem Amazon wieder hauptsächlich Saisonarbeiter benötige.

In der durch einen Bericht in der ARD-Sendung Report Mainz über die Arbeitsbedingungen bei Amazon in Deutschland ausgelösten Diskussion hatte Thomas Neuhaus, der stellvertretende Leiter des Jobcenters im Kreis Unna, vergangene Woche von Amazon mit 3000 zusätzlichen Arbeitskräften in Spitzenzeiten als einem „arbeitsmarktpolitischen Lotto-Gewinn“ gesprochen. Peter Glück, als Leiter der Arbeitsagentur im Kreis Wesel für das Amazon-Lager in Rheinberg zuständig, hatte vergangene Woche dem WAZ-Portal gegenüber noch erklärt, dass der Onlinehändler einer Festanstellung Praktika vorschalte, sei nicht ungewöhnlich.

Die Kritik an Amazon als Arbeitgeber ist grundsätzlich nicht neu. Bereits im März hatte die Gewerkschaft Verdi auf die ungünstigen Arbeitsbedingungen im Amazon-Logistikzentrum in Bad Hersfeld hingewiesen. Auf seiner Website Amazon-Verdi.de kritisiert der Landesbezirk Hessen Amazon als „Lohndrücker der Branche“. Er belegt das durch einen Vergleich der Einstiegsgehälter mit denen bei Neckermann und Otto: Während diese beiden nach Tarif für den Großteil der Lagerarbeiten im Versandhandel ein Einstiegsgehalt zwischen 11,47 und 11,94 Euro bezahlten, seien es bei Amazon lediglich zwischen 9,65 und 11,12 Euro.

Seit 2006 habe es für die Beschäftigten in Bad Hersfeld zudem keine Lohnerhöhung gegeben. Für problematisch hält die Gewerkschaft auch, dass 2100 der knapp 3700 Menschen bei Amazon in Bad Hersfeld lediglich befristete Verträge haben. Die für wiederholt verlängerte Arbeitsverhältnisse geltenden Regeln halte das Unternehmen oft nicht ein.

Im Mai dieses Jahres hatte Verdi-Sekretär Thomas Schneider gegenüber Buchreport erklärt, vor allem im Amazon-Standort Leipzig seien „die Zustände skandalös“. Die Mitarbeiter leisteten nicht nur „harte Arbeit unter hohem Druck“, ihnen seien sogar persönliche Gespräche untereinander unter Androhung von Abmahnungen untersagt, und Vorgesetzte übten in „Kritikgesprächen“ wegen angeblich schwacher Leistungen Druck auf sie aus.

„Die Flexibilität und Schnelligkeit bei der Kundenbelieferung wird vor allem auf Kosten der Beschäftigten hergestellt“, so der Gewerkschafter zu dem Branchenblatt. In Zeiten mit geringem Arbeitsaufkommen würden ohne Rücksicht auf Arbeitnehmer, die bis zu 60 Kilometer Anfahrtsweg zur Arbeit haben, Schichten abgebrochen. In Stoßzeiten, etwa vor Weihnachten und Ostern, werde dagegen häufig Sonntagsarbeit angeordnet – und all das bei besonders niedrigem Lohnniveau: Mitarbeiter im ersten Jahr erhalten laut Schneider im Logistikzentrum Leipzig lediglich 7,76 Euro pro Stunde, anschließend 8,65 Euro.

ZDNet.de Redaktion

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