Microsofts Versuche, im Tablet-Segment aus der Nischenrolle herauszukommen, sind bislang gescheitert. Bill Gates lang mit seinen Vorhersagen aus dem Jahr 2002, wonach Tablets innerhalb weniger Jahre zum meistverkauften Formfaktor werden, gründlich daneben.
Dem Durchbruch für Tablets brachte erst Apples iPad. Technisch gesehen ist es kein kleiner PC, sondern ein großes Handy. Die flüssige Bedienung, eine fingerfreundliche Oberfläche und lange Akkulaufzeiten begeisteren die Nutzer. Mittlerweile wurden mehrere 10 Millionen Stück verkauft.
Was im Consumer-Segment populär ist, trifft allerdings oft auch im Businesbereich auf Interesse. Schließlich ist man auch im Unternehmensumfeld Anwender. Das gilt anscheinend besonders für Tablets: Man findet kaum Veranstaltungen, auf denen die flachen Rechner nicht ein wichtiges Thema sind.
Aus Sicht der Unternehmens-IT sind die derzeit vorherrschenden Tablet-Plattformen allerdings ein Problem. Sie verfügen weder über weitergehende Sicherheitsfeatures wie Smartcard-Authentifizierung noch lassen sie sich in ein Active Directory einbinden – alleine das ist schon ein K.O-Kriterium für Admins. Dazu kommt, dass oftmals die notwendigen Business-Anwendungen nicht für iOS oder Android verfügbar sind.
Mit dem Viewpad 10pro hat Viewsonic ein Tablet mit Windows 7 im Angebot. Das OS ist in der Professional-Variante vorinstalliert, das heißt sie kann in Domänen-Netze eingebunden werden. Für die IT ist das Gerät ein ganz normaler Client.
Neben Windows 7 kann man auf dem Viewpad 10pro auch das im Tablet-Bereich etablierte Android nutzen. Anders als vermutet ist dies allerdings nicht per Dual-Boot gelöst. Stattdessen kommt eine Software namens Bluestacks App Player zum Einsatz. Dabei handelt es sich um eine Runtime, welche die Ausführung des Android-Betriebssystems oder von Android-Anwendungen unter Windows ermöglicht.
Die Unterschiede zu bisherigen Tablet-PCs
Ähnlich wie Fujitsu mit dem von ZDNet getesteten Stylistic Q550 führt Viewsonic das Tablet-PC-Konzept fort, das Microsoft schon seit Jahren propagiert. Angefangen von XP über Vista bis hin zu 7 wurde Windows um Features wie ein Panel für die Stifteingabe erweitert, um die Bedienung ohne Maus und Tastatur zu ermöglichen. Windows 7 beherrscht sogar Multitouch.
Alle Änderungen können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Windows für die Nutzung mit Maus und Tastatur entwickelt wurde. Das Fenster-Konzept mit den vielen kleinen Eingabeelementen kann per Touch nur relativ schwer bedient werden. Mit der höheren Genauigkeit eines Stifts klappt es schon besser. Allerdings wird beim Viewpad 10pro kein Stift mitgeliefert. Kauft man ihn als Zubehör, kann man ihn nicht im Gehäuse unterbringen. Letztlich setzt Viewsonic also voll auf die Fingerbedienung.
Neben dem Q550 ist das Viewpad 10pro eines der wenigen Tablets auf Basis von Intels Oak-Trail-Plattform. Der Einsatz von Windows macht nämlich x86-Chips notwendig. ARM-Prozessoren, die heute im Smartphone- und Tablet-Bereich Standard sind, werden erst von Windows 8 unterstützt.
Oak Trail liegt ein mit 1,5 GHz getakteter Single-Core-Prozessor vom Typ Atom Z760 zu Grunde. Der Chip hat Hyperthreading, eine integrierte Grafik und läuft mit 1,5 GHz. Gegenüber einer Core-i-CPU ist zwar die Leistungsaufnahme deutlich geringer, was der Akkulaufzeit hilft, dafür muss man deutliche Abstriche bei der Performance machen.
Chassis, Schnittstellen, Display
Das Viepad hat ein 1,5 Zentimeter dickes Kunststoffgehäuse. Edlere Materialien wie Alu kommen nicht zum Einsatz. Der Rahmen und das 10,1-Zoll-Display sind schwarz, die Rückseite anthrazitfarben. Erfreulich: Das Chassis ist sehr stabil, selbst bei starkem Druck gibt es nicht nach.
Der kapazitive Touchscreen hat eine Diagonale von 10,1 Zoll und löst 1280 mal 600 Pixel auf. Fujitsus Q550 schafft bei gleicher Größe 1280 mal 800 Pixel. Offenbar hat Viewsonic kein IPS-Panel verbaut, denn das Tablet zeigt eine sehr geringe Blickwinkelstabilität. Fatal: Schon wenn das Gerät vor einem auf dem Tisch liegt, kommt es zu Farbverfälschungen. Die Oberfläche des Screen ist wie bei den meisten Tablets glänzend, was deutlich sichtbare Spiegelungen zur Folge hat.
Der 5000-mAh-Akku ist fest ins Gehäuse integriert und lässt sich tauschen. Hält man das Tablet quer, findet man rechts auf dem Rahmen des Displays die von Android-Smartphones bekannten Steuertasten (Home, Menü, …), die kapazitiv ausgeführt sind.
Ansonsten finden sich auf der rechten Seite keine Bedienelemente oder Schnittstellen. Oben sitzen der Einschaltknopf, ein Knopf zum Ausschalten des Bildschirms und ein Lautstärkeregler. Links findet man USB, HDMI, Kopfhörer- und Stromanschluss. Zudem ist dort der Slot für eine MicroSD-Karte (bis 32 GByte) untergebracht. Auf der Unterseite hat Viewsonic eine Schnittstelle für den Docking-Port platziert.
Letztlich bringt das Viewpad von Haus aus Möglichkeiten zur Anbindung eines externen Monitors oder zum Anschluss von USB-Sticks oder USB-Peripherie mit. Ein HD-Display im Test kann aber nur mit 1280 mal 1024 Pixeln angesteuert werden. Da das Tablet mit Windows läuft, ist eine Vielzahl von zusätzlichen Geräten nutzbar. Es ist aber nur ein USB-Port vorhanden, man benötigt zum Anschluss von Tastatur und Maus also einen Hub. Das Viewpad hat auf der Vorderseite eine Kamera mit 1,3 Megapixeln Auflösung für Videokonferenzen, auf der Rückseite keine.
Ausstattung
Das Viewpad basiert auf Intels Oak-Trail-Plattform mit Atom Z760 und dem SM35-Controller. Sie soll gegenüber dem von Netbooks bekannten Atom N450 (Pine Trail) weniger Energie benötigen. Der Z760 hat einen Rechenkern, aus dem Hyperthreading zwei virtuelle macht. Mit an Bord sind eine Grafikeinheit vom Typ GMA 600, die auf der PowerVR-Technologie basiert, sowie ein DDR2-Speichercontroller.
Anders als das Q550 von Fujitsu kommt das Viewpad aber nicht ohne Lüfter aus. Er läuft die ganze Zeit und ist teilweise deutlich hörbar. Drahtlose Verbindungen nimmt das Tablet per WLAN nach 802.11b/g/n auf. Peripherie lässt sich per Bluetooth 2.1 anbinden. Vom 10pro soll es auch eine 3G-Version geben. Mit an Bord sind 2 GByte DDR2-RAM sowie eine 32-GByte-SSD von Sandisk.
Windows geht bekanntermaßen nicht unbedingt sparsam mit Festplattenspeicher um, was bei einem so kleinen Laufwerk stark ins Gewicht fällt: Von den 32 GByte sind nur 16 GByte frei.
Software
Als Betriebssystem ist Windows 7 Professional in der 32-Bit-Version vorinstalliert. Man sollte sich eigentlich ersparen, das OS mit dem Finger zu bedienen, da dies für jede Menge Frust sorgt. Die Änderung der Ordneransicht durch das Zusammenziehen der Finger braucht beispielsweise meist mehrere Anläufe. Auch die Änderung der Fenstergröße klappt selten auf Anbieb. Windows ist für Eingabegeräte wie Maus und Stift mit hoher Genauigkeit ausgelegt. Mit dem Finger tut man sich schwer.
Diese Lücke soll offenbar Android füllen, das von Haus aus auf die Fingerbedienung optimiert ist. Nach dem Doppelklick auf des Desktop-Symbol namens Bluestacks Alpha dauert es keine zwei Sekunden, bis Android erscheint. Es handelt sich übrigens um die völlig veraltete Version 2.2, die eigentlich gar nicht für Tablets konzipiert ist. Von dem für diesen Zweck entwickelten Honeycomb ist nichts zu sehen. Bluestacks selbst steckt derzeit im Alpha-Stadium. Es handelt sich also um eine sehr frühe Version.
Das auf dem Viewsonic installierte Android hat keinen Zugriff auf den Android Market. Stattdessen Greift man auf weniger gut bestückte Alternativen wie den Amazon Appstore for Android oder Freewarelovers zu.
Dank eines integrierten Lagesensors, der allerdings über ein Windows-Applet erst einmal aktiviert werden muss, erfolgt ein automatischer Wechsel der Display-Orientierung.
Performance und Bedienung
Im Anwendungsbenchmark PC Mark Vantage, der die Systemperformance abbildet, erreicht das Viewpad 1079 Punkte. Das liegt etwa auf dem Niveau von Netbooks mit Single-Core-Atom. Zum Vergleich: Klassische Notebooks mit Standard-CPU bringen mindestens 4000 Punkte.
Dementsprechend fühlt sich die Bedienung des Viewpad relativ zäh an: Das in Windows animierte Öffnen und Schließen der Fenster ist nicht komplett ruckelfrei. Auch beim Surfen oder der Nutzung mehrerer Anwendungen merkt man sofort, dass man ein wirklich langsames System vor sich hat. Dank eines im GMA 600 integrierten Decoders laufen HD-Videos flüssig.
Der Atom Z670 ist mit Windows 7 schlicht und einfach überfordert. Das merkt man insbesondere, wenn man Windows mit dem Finger bedienen will. Die Verzögerungen sind einfach zu groß, als dass es noch irgendwie Spass macht. Auch Android läuft bei weitem nicht so flüssig, wie man es von den bekannten ARM-Tablets mit Tegra 2 kennt. Teilweise ist die Bedienung quälend langsam. Teilweise dauert es mehrere Sekunden, bis bei der Auswahl eines Texteingabefelds die On-Screen-Tastatur erscheint. Auch die Eingabe wird nur verzögert angenommen und beim Scrollen ruckelt es. Der Lüfter läuft dabei mit voller Drehzahl.
Emissionen und Akkulaufzeit
Mit dem fest verbauten 5000-mAh-Akku kann man etwa sechs Stunden surfen. Der Lüfter des Tablets läuft ständig und ist bei geringer Auslastung leicht, bei voller Auslasung deutlich hörbar.
Fazit
Das Viewsonic Viewpad 10pro macht keinen Spass: Windows 7 reagiert zu langsam, hat keine geeignete Oberfläche zur Fingereingabe und benötigt zu viele Ressourcen, um auf einer schwachen, stromsparenden CPU wie dem Atom Z670 flüssig zu laufen. Daran krankt letztlich das ganze Gerät. Aber auch die Umsetzung von Android überzeugt nicht, da die Performance sehr zu wünschen übrig lässt und eine veraltete Version zum Einsatz kommt.
Zudem hat die Hardware erhebliche Schwächen: Dazu zählen der ständig laufende Lüfter sowie das niedrig auflösende, extrem blickwinkelabhängige Display. Es neigt bereits zu Farbverfälschungen, wenn das Gerät auf dem Tisch liegt und man in einem relativ kleinen Winkel darauf blickt.
Wenn es schon ein Windows-Tablet sein muss, was aus heutiger Sicht nicht zu empfehlen ist, sollte man sich eher noch für das Fujitsu Stylistic Q550 entscheiden. Es hat Business-Features wie einen Fingerabdruckscanner, kommt ohne Lüfter aus und verfügt über einen erheblich besseren Screen.
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