Last- und Performancetests: Systemen auf den Zahn gefühlt

Der Geduldsfaden der Online-Nutzer reißt schnell: Forrester Consulting fand bereits 2009 heraus, dass über 40 Prozent der Nutzer einen Onlineshop verlassen, wenn die Ladezeit der Seite nur drei Sekunden überschreitet. Für 57 Prozent der Befragten spielt zudem ein zügiger Bezahlvorgang eine wichtige Rolle. Im Rahmen ihrer Studie „E-Commerce Web Site Performance Today“ befragten die Marktforscher rund 1000 Internetnutzer in den USA.

Diese Erkenntnisse lassen sich aufgrund des ähnlichen Nutzerverhaltens durchaus auf Europa und Deutschland übertragen. Es ist sogar davon auszugehen, dass die Kompromissbereitschaft der Nutzer in puncto Ladezeit seither noch gesunken ist. Obendrein haben Schnelligkeit und eine gute Shop-Performance Auswirkungen auf die Kundenbindung: Jeder zweite Befragte gab an, dass sich die Aufbaugeschwindigkeit der Webseiten auf seine Loyalität zum Onlineshop auswirke.


Ingrid Britz-Averkamp, die Autorin dieses Gastbeitrags für ZDNet, ist nach Stationen bei großen deutschen und internationalen IT-Firmen jetzt Unternehmens- und Managementberaterin.

Ein Grund mehr, warum viele Unternehmen und Behörden den Aufwand für Last- und Performance-Tests bewusst in Kauf nehmen. Und das, obwohl diese auf den ersten Blick das Projektvolumen erhöhen und die Einführung neuer Systeme und Lösungen verzögern können. André Flöper, Service Group Manager Test Services, Load & Performance beim Dienstleister Atos, nennt die Beweggründe seiner Kunden, strukturierte Tests durchzuführen: „Hardware und vor allem Software-Lizenzen können sehr viel gezielter, sicherer und kosteneffizienter eingesetzt werden, wenn die Kapazitäten im Vorfeld klar sind. Eine gute Planung ist daher viel wert. So bilden Last- und Performancetests auch eine solide Grundlage für Investitionsentscheidungen.“

Nicht testen kann noch teurer sein

Wenn Systeme nicht richtig arbeiten, steht viel Geld auf dem Spiel. Im Falle von Onlineshops kann dies zu signifikanten Umsatzausfällen führen, etwa wenn potenzielle Kunden eine Zeit lang nicht einkaufen können oder beim Bestellvorgang die Geduld verlieren. Denn das Beharrungsvermögen der Onlinekunden ist, wie die eingangs erwähnte Studie belegt, nicht groß. Meist brechen sie schon nach wenigen Klicks ab und wechseln zum Wettbewerber. Gerade in saisonalen Hochphasen wie dem Weihnachtsgeschäft kann das einen herben Verlust bedeuten.

Hohe Kosten entstehen ebenso, wenn wichtige Systeme im Unternehmen ausfallen und dadurch die Produktivität der Anwender im Unternehmen eingeschränkt ist. Und nicht zu vernachlässigen ist die Gefahr, die Reputation aufs Spiel zu setzen. Wird nicht ausreichend oder richtig getestet, kann es zu folgenschweren Image-Verlusten kommen, wie kürzlich bei einem großen Smartphone-Anbieter zu beobachten war: Aufgrund eines technischen Ausfalls in der eigenen Infrastruktur war das interne Netzwerk des Herstellers vom Internet abgekoppelt. E-Mails und SMS hingen tagelang im Dschungel des Netzes fest. Die Folge war ein Datenstau, der nur sukzessive abgebaut werden konnte und die Geduld vieler Nutzer rund um den Globus auf die Probe stellte.

Testen in jedem Fall?

Sicher verlangt nicht jedes IT-Projekt Last- und Performancetests, doch in vielen Fällen schützen sie vor den oben genannten Folgen. Wann also sind Tests ratsam? Eine Testphase empfehlen die Experten von Atos insbesondere vor der Einführung neuer Softwareprodukte oder bei Softwareanderungen, die Auswirkungen auf nichtfunktionale Eigenschaften, Performance, Effizienz, Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit oder Robustheit haben.

Doch auch ein verändertes Mengengerüst sollte im Vorfeld getestet werden, etwa wenn große Marketingkampagnen geplant oder Spitzenlasten wie das Weihnachtsgeschäft absehbar sind. Gleiches gilt für geänderte Geschäftsprozesse, die sich maßgeblich auf das Datenaufkommen auswirken, beispielsweise die Umstellung auf Onlinerechnungen. Für Plattformmigrationen, neue Releases, Upgrades auf der Applikationsebene, Systemeinführungen oder Infrastrukturänderungen empfehlen sich ebenfalls Testdurchläufe.

Die Systemtests müssen jedoch nicht immer im Vorfeld erfolgen, wie Flöper aus der Praxis zu berichten weiß: „Manchmal geht es auch darum, mit Hilfe von Last- und Performancetests nachträglich festzustellen, ob ein Dienstleister die vertraglich vereinbarte Leistung erfüllt oder welcher Teil des Systems nicht die gewünschte Leistung bringt.“

Professionelle Hilfe für zuverlässige Ergebnisse

Vor einem Test stellt sich die Frage, welche Werkzeuge dazu herangezogen werden sollen. Sie zu klären, ist nicht ganz einfach, gibt es doch auf dem Markt ein breites Angebot. Eine grundsätzliche Entscheidung ist schon einmal die, ob Open-Source- oder kommerzielle Tools verwendet werden sollen? Die Open-Source-Variante ist preisgünstiger, allerdings erfordert sie auch deutlich mehr Arbeitsaufwand.

Hier können erfahrene Berater gute Dienste leisten. Das gilt auch für Lasttests in der Produktivumgebung, die sehr viel Expertise verlangen. In diesem Fall müssen besondere Absicherungen und Maßnahmen getroffen werden, um das Risiko einer Störung des laufenden Betriebs gering zu halten.

Atos arbeitet dafür in drei Phasen: Analyse, Konzept und Durchführung. Je genauer dabei die Anforderungen formuliert sind, desto besser und effizienter verläuft der Test. Im ersten Schritt werden wichtige Parameter abgefragt. Wie sieht die bestehende Infrastruktur aus? Gibt es eine Testumgebung? Sind Testwerkzeuge vorhanden? Liegen ausreichend Lizenzen vor? Dabei kommt es darauf an, nicht nur die IT-Erfahrung einzubringen, sondern auch die geschäftlichen Anforderungen zu verstehen.

Auf dieser Grundlage erstellen die Experten ein Lastmodell und entwerfen ein passendes Konzept, in dem das Testvorgehen anhand von Simulationsszenarien definiert wird. Es umfasst zudem ein Modell des zu erwartenden Mengengerüsts, den Testplan, Messverfahren, Anforderungen an die Testumgebung, Testdaten sowie die einzusetzenden Werkzeuge. Steht das Konzept, wird der Test durchgeführt. Am Ende erhält der Kunde eine Handlungsempfehlung für das richtige Dimensionieren der IT-Infrastruktur. An einem besonders spektakulären Beispiel für solche Last- und Performancetest arbeiten die Atos-Spezialisten gerade in London, wo die Vorbereitungen für Olympia 2012 auf Hochtouren laufen. Atos, Technikpartner des Internationalen Olympischen Komitees, verwendet dort insgesamt über 200.000 Mannstunden allein auf solche Tests.

AUTOR

Ingrid Britz-Averkamp...

... ist nach Stationen in großen deutschen und internationalen Firmen der IT-Branche jetzt Unternehmens- und Mangementberaterin in München.

ZDNet.de Redaktion

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