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Begehrte deutsche High-Tech-Gründungen

Es ist noch gar nicht so lange her, da fanden hauptsächlich abgewirtschaftete deutsche Technologieunternehmen bei ausländischen Investoren Interesse. Beispielsweise ging schon 2003 das Autoradiogeschäft von Grundig an den US-Autozulieferer Delphi, 2004 schließlich der Rest des Unternehmens an eine britische-türkische Interessengemeinschaft, Maxdata fand nach der Insolvenz einen Käufer aus Taiwan, die Siemens-DECT-Telefonsparte einen Investor aus den USA und heißt heute wie früher ihre Produkte Gigaset.

Von anderen blieb noch weniger übrig, oft nur der Name. Beispiele dafür sind AEG, mit dessen guten Namen ganz unterschiedliche Firmen in mehreren Branchen um die Kundschaft werben, und Agfa, das die Namensrechte für digitale Bilderrahmen, Fotodrucker, digitale Foto- und Videokameras, Druckertinte und Fotopapier abgegeben hat. Es folgt damit dem Beispiel von Telefunken, dass laut Wikipedia noch lange nachdem das Unternehmen selbst erloschen ist von 50 Firmen in über 120 Ländern als Marke benutzt wird.

Kritiker warnten deshalb schon vor Jahren, Deutschland verschlafe die wahren Innovationen. Dem Land drohe dadurch zumindest in der Informationstechnologie (aber nicht nur dort) der Verlust der Wettbewerbsfähigkeit. Als Grund ermittelten sie, dass sich Politik und Wirtschaft zwar darum bemühten, die Innovationskraft in Deutschland zu stärken, weshalb man im weltweiten Vergleich in der Grundlagenforschung auch ganz gut dastehe. Man versage aber dann, wenn es darum gehe, diese in vermarktungsfähige Produkte umzusetzen – oder benötige dafür zumindest viel zu lange.

Das war vor vier, fünf oder sechs Jahren. Vielleicht war die Kritik damals aber auch etwas ungerecht und einfach dadurch geprägt, dass die Menschen durch das Tempo der Jahre davor, insbesondere der Dotcom-Blase, verwöhnt waren: Nach der übertriebenen Euphorie folgte ein Tal der Depression mit allzu strenger Selbstkritik: Nach Zahlen des ZEW (Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung) wurden die Deutschen in der zweiten Hälfte der Neunziger jährlich im Durchschnitt mit 18.500 Firmengründungen im High-Tech-Bereich verwöhnt.

Spannnende Zeit für Gründer

Derzeit sind es knapp über 14.000. Der Software-Sektor hebt sich mit einem Plus von 2 Prozent deutlich ab. „Dies liegt vor allem an den Potenzialen, die neue Technologien und Services dem Software-Sektor bieten“, sagte Ralph Haupter, Vorsitzender der Geschäftsführung von Microsoft Deutschland, bei der Vorstellung der Zahlen im Oktober. „Für potenzielle IT-Gründer leben wir in einer spannenden Zeit: Cloud-Computing, mobile Kommunikation oder App-Entwicklung – der IT-Sektor besitzt eine enorme Wachstumsdynamik, die sich erst in den kommenden Jahren vollständig entfalten wird.“ Der Manager zitiert zudem Zahlen des Londoner Centre for Economic and Business Research (CEBR), wonach in Deutschland bis 2015 rund 820.000 neue IT-Arbeitsplätze entstehen sollen.

Und diese Arbeitsplätze entstehen nicht nur in großen, internationalen Konzernen, die Standorte in Deutschland unterhalten, wie Microsoft oder Google. Sie werden auch zunehmend von Start-ups geschaffen, die sich inzwischen durchaus mit ihren Pendants in anderen Ländern messen können. Ein Indikator dafür ist, dass in jüngerer Vergangenheit einige junge, aufstrebende deutsche Firmen Investoren aus dem Ausland angezogen haben (siehe Tabelle weiter unten). Ein anderer, dass sich Berlin inzwischen als heißer Tipp für junge Web-Firmen etabliert hat und von Investoren und Kapitalgebern genauer beobachtet wird.

Auf den neuerworbenen Lorbeeren sollte man sich aber nicht ausruhen. Unterstützung durch Politik und Wirtschaft, wie im Rahmen des High-Tech-Gründerfonds, die aktuell laufende Gründerwoche oder internationale Kooperationen, sind nach wie vor vonnöten. Schließlich reicht es nicht, einmal den Ball zu berühren, man will ja am Ball dranbleiben. Eine Maßnahme dafür ist das Modellprojekt German Silicon Valley Accelerator (GSVA). Hier können sich deutsche IT-Start-ups, die aus der EXIST-Förderung des BMWi hervorgegangen sind, für einen dreimonatigen Aufenthalt im deutschen Länderpavillon im Silicon Valley bewerben.

In den kommenden drei Jahren werden jeweils bis zu vier Firmen pro Quartal ins ‚Plug & Play Techcenter‘ in Sunnyvale entsandt. Start-ups mit einer „viel versprechenden Wachstums- und Internationalisierungsstrategie“ können ihren Aufenthalt um weitere drei Monate verlängern. Hinter dem GSVA steht die Idee, die deutschen Gründer näher an Konzerne, Venture-Capital-Geber und Finanzinvestoren zu bringen. „Das Silicon Valley ist immer noch der wichtigste Standort für Start-ups“, sagt Dietmar Harhoff, einer der Initiatoren des GSVA. „Mit dem GSVA werden wir deutschen Start-ups die Möglichkeit geben, ihr USA-Geschäft unter optimalen Bedingungen aufzubauen.“ Oder vielleicht einfach auch die Nähe zu Investoren zu suchen – so wie es den ausgewählten Firmen in der folgenden Tabelle in den vergangenen Jahren gelungen ist.

Unternehmen
Gegründet
Ort
Geschäft
Gekauft
Käufer
Aloqa 2007 München Mobile Apps 2010 Motorola
Astaro 2000 Karlsruhe IT-Sicherheit 2011 Sophos
Bigpoint 2002 Hamburg Browser-Games 2011 Finanzinvestoren TA Associates und Summit Partners
Brands4Friends 2007 Berlin Online-Shopping-Club 2010 Ebay
CityDeal 2009 Berlin Schnäppchenportal 2010 Groupon
DailyDeal 2009 Berlin Schnäppchenportal 2011 Google
Blue Wonder Communications 1988 Dresden LTE 2010 Intel
Navigon 1991 Hamburg Navigation 2011 Garmin
Netviewer 2001 Karlsruhe Collaboration 2011 Citrix Online
Scoreloop 2008 München Infrastruktur für mobile Spiele 2011 RIM
Ubitexx 2002 München Management mobiler Geräte 2011 RIM
Utimaco 1983 Oberursel IT-Sicherheit 2009 Sophos
VidSoft 1999 Dresden Technologie für Videokonferenzen 2010 Citrix
Visionapp 2006 Eschborn SaaS, Cloud 2011 Allen Systems Group
ZDNet.de Redaktion

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