Hewlett-Packard hat schwere Zeiten hinter sich: Léo Apotheker sorgte erst durch sein monatelanges Schweigen für Unruhe. Dann sorgte er mit dem, was er sagte, für betretenes Schweigen. Es kam wie es kommen musste: Der unaufhaltsam abstürzende Aktienkurs des größten IT-Unternehmens der Welt machte auch Apotheker als Chef unhaltbar. Zum Glück, mögen sich viele gedacht haben. Wie man hört, war er zumindest bei den HP-Mitarbeitern in Palo Alto ziemlich unbeliebt.
Bei anderen machte er sich durch panische Schwimmbewegungen am Ende seiner Amtszeit unbeliebt: Die Aussagen zur Tablet-Strategie, zu den Plänen mit WebOS, die Software-Roadmap und die wankelmütige Einstellung zur PC-Sparte waren wahrscheinlich alles Versuche eines Ertrinkenden, nach einem Strohhalm zu greifen – nur ging der Griff jedes Mal ins Leere.
Glücklicherweise für HP konnte der Konzern mit Meg Whitman schnell eine unbelastete Nachfolgerin finden. Allerdings fragten sich viele, ob die als Managerin bei consumerorientierten Firmen wie Procter&Gamble, Hasbro, Walt Disney und Ebay bekannt gewordene Whitman die richtige ist, um HP, im Grunde doch einem Enterprise-Anbieter, neuen Schwung zu geben.
Die Frage wollte Whitman jetzt, nach rund neun Wochen bei Hewlett-Packard, europäischen Kunden erstmals direkt beantworten. Und die interessierten die Antworten offenbar: Denn zur Kundenveranstaltung Discover 2011 kamen nicht wie zunächst geplant rund 5000, sondern gut 7000 von ihnen nach Wien.
Stolz auf Drucker und PCs
Whitman machte einige klare Ansagen: Die PC-Sparte wird bleiben, die Druckersparte ebenso: Beide gehörten zum Kerngeschäft, um das herum sich bei HP alles andere gruppiere. Die HP-Mitarbeiter sollten stolz auf diese beiden sein, verlangte die Managerin. Einen anderen Kritikpunkt schaffte Whitman ebenfalls aus der Welt: Das stetig abnehmende Budget für Forschung und Entwicklung. Das sei schon wieder angehoben worden und werde sowohl 2012 als auch 2013 nochmal erhöht.
Eine weitere Baustelle benannte sie beim Service: Da müsse HP für Kunden transparenter werden, es müsse genügend Personal für jeden Firmenkunden da sei und es sei an HP, die richtigen Ansprechpartner zur Verfügung zu stellen, nicht am Kunden, sie zu finden. Und natürlich bringt Whitman auch ein paar Kompetenzen aus ihrer früheren Tätigkeit bei Ebay ein: Die HP-Website soll deutlich verbessert und der Onlinestore auf Vordermann gebracht werden.
Soweit die konkreten Maßnahmen. Die Lenzpumpen sind angelaufen, das weitere Sinken des Bootes vorerst verhindert. Allerdings liegt es immer noch tief im Wasser: Der Aktienkurs hat sich noch nicht einmal ansatzweise erholt. Die Gartner-Zahlen zum Serverabsatz im vergangenen Quartal, bei denen HP in einem wachsenden Markt der einzige Verlierer war, sind ebenfalls ein Indiz für verlorenes Vertrauen bei den Kunden.
Um das Schiff wieder auf Kurs zu bringen, liegt auch schon eine Strategie vor – zumindest in groben Umrissen. Infrastruktur, also Server, Storage, PCs und Drucker, bleiben das HP-Kerngeschäft. Erweitert wird es durch Software, die dazu dienen soll, die Infrastruktur optimieren und zu verwalten. Services schaffen Mehrwert für die Infrastrukturprodukte und Lösungen sollen dafür sorgen, dass das Ganze kundenspezifisch angepasst wird.
Für diese Lösungen hat Whitman fünf Bereiche definiert. Diese nennt sie:
All das steht unter dem noch vom früheren Vertriebschef Thomas Hogan vor einem Jahr eingeführten Oberbegriff „Instant-On-Enterprise“. Den bemühte sich aber sowohl HPs Europachef Yves de Talhouët als auch Hogans Nachfolger Jan Zadak in Wien vergeblich griffig zu erklären: Er sprach von höherer Geschwindigkeit, mit denen Firmen heute konfrontiert würden und erhöhter Flexibilität. Das traf aber auch schon für den vorletzten HP-Claim „Adaptive Infrastructure“ zu. Letzendlich ist der Begriff aber auch egal, dient er doch nur dazu, für die HP-Angebote einen marketingtechnischen Überbau zu schaffen. In zwei oder drei Jahren wird er ohnehin durch einen neuen abgelöst.
Alle fünf „Solutions“ sind ganz klar Enterprise-Themen, interessant vielleicht noch für den gehobenen Mittelstand. Darunter wird es schwer werden, die Produkte und Angebote zu positionieren. Muss man aber auch nicht – schließlich hat HP eine große Anzahl an Partnern, die auch noch einen Beitrag leisten wollen. Wahrscheinlich wird HP aber versuchen, irgendwelche, eventuell auch über Partner zu vermarktende, Angebote zu stricken. Es bleibt abzuwarten, wie erfolgreich die im Markt sein werden.
Wie unterscheidet sich Whitmans Strategie aber nun von der ihres Vorgängers? Apotheker hatte seine im März im Detail dargelegt. Und wenn man sie noch einmal Revue passieren lässt, erinnert vieles in Whitmans Vortrag an Apothekers Ausführungen. Aber die Details machen den Unterschied.
Apotheker hatte unter Verweis auf die Vertica-Übernahme erklärt, HP werde sich zum Anbieter von Business Intelligence mit Fokus auf riesigen Datenmengen entwickeln und sowohl strukturierte als auch unstrukturierten Daten sowie jedwede Mischung davon bearbeiten können.
Das Versprechen hat HP jetzt unter der Führung von Whitman mit den Appliances von Autonomy und der zugrundeliegenden Plattform IDOL 10 erfüllt. Allerdings fallen die Appliances wesentlich kleiner aus, als sich Apotheker das gedacht hatte: Er sprach gleich von ganzen Racks – wohl um ein Zeichen in Richtung Oracle zu setzen. Fazit dennoch: keine Revolution, sondern Kontinuität.
Apotheker hatte im März Analysten gegenüber gesagt, PCs und Drucker würden nicht verschwinden. „Menschen benutzen HP-PCs“. Whitman hat das anders ausgedrückt, kommt aber zum selben Ergebnis – vielleicht mit etwas mehr Betonung auf dem Wert der Sparten für den Konzern, indem Whitman sie zum Kerngeschäft zählt, um das herum sich alles positionieren muss. Fazit auch hier: keine Revolution, sondern Rückkehr zum Status in der frühen Apotheker-Ära.
Darauf, dass HPs gut für die Zukunft aufgestellt sei, hatte bereits Apotheker verwiesen. Whitman griff ebenfalls darauf zurück, dass man der weltgrößte Technologieanbieter sei. Fazit bereits das dritte Mal: keine Revolution, sondern Kontinuität. Aber wahrscheinlich bleibt einem neuen CEO gar nichst anderes übrig, als solche ermutigenden Aussagen zu machen.
Apotheker hatte für HP einen neuen Technologiestack definiert. Dieser umfasste vernetzte Geräte, einen Open-Cloud-Marktplatz, Cloud-Services, Plattform-Services und hybride Infrastruktur. Whitman hat vernetzte Geräte und den Open-Cloud-Marktplatz über Bord geworfen, Cloud-Services, Plattform-Services und hybride Infrastruktur behalten. Über Public-Cloud-Angtebote hat sie nicht ausdrücklich gesprochen, HP wird aber nicht drum herum kommen, setzen doch die Wettbewerber – von IBM bis Dell – darauf.
Fazit diesmal: Nach dem Ruin von WebOS hat sich das Thema „vernetzte Geräte“ für HP weitgehend erledigt. Sicher wird man Windows-Tablets bringen – aber die Zeiten, in denen sich HP als Anti-Apple definieren zu können glaubte, sind vorbei. Das ist auch gut so: Ein so breit aufgestellter Enterprise-Technologieanbieter wie HP kann es eigentlich nicht schaffen, gegen eine Consumer-Firma, die sich über zwei Produkte und einen Service definiert, im Wettbewerb zu bestehen. Büro-PCs, Thin Clients und Workstations sind vielleicht weniger aufregend als schicke Tablets, aber für Firmen eben immer noch Alltag. Einem Unternehmen wie HP steht es besser an, iPads vernünftig in Firmennetze zu integrieren, als damit zu konkurrieren. Whitman agiert hier deutlich bodenständiger als Apotheker.
Security sollte bei Apotheker als integraler Bestandteil aller zuvor genannten Angebote diese erst ermöglichen. Whitman hat dies anders formuliert, meint aber letztendlich dasselbe: Mit der Positionierung von Enterprise Security als einem der fünf „Solution“-Bereiche streicht sie dessen Bedeutung heraus, gibt ihm aber etwas mehr Raum zum atmen, da er nicht nur Enabler für alle anderen sein soll, sondern auch als eigenständiges Angebot verfügbar ist.
Der Service-Bereich sollte unter Apotheker dazu dienen, HP als vertrauenswürdigen Partner zu etablieren. Daran hat sich auch bei Whitman nichts geändert – außer dass sie einräumt, dass noch einiges zu tun ist, um dieses Ziel zu erreichen.
Noch offene Fragen
Insgesamt scheinen die HP-Mitarbeiter gut gelaunt: die neue Chefin verbreitet offenbar Aufbruchstimmung. Selbst Hinweise auf den im Vergleich zu vor einem Jahr immer noch kläglichen Aktienwert, die trüben Zukunftsaussichten von Itanium und Anzeichen von erheblichem Vertrauensverlust bei einigen Kunden können die gute Laune nicht trüben. Dazu trägt vielleicht bei, dass HP mit der Autonomy-Technologie wieder einmal etwas hat, womit es sich erheblich vom Wettbewerb abhebt – auch wenn der Preis dafür vielleicht zu hoch war – und dass mit dem Projekt Moonshot, einem Rechenzentrumsentwurf auf Basis von ARM-Prozessoren, HP bald in einem weiteren Feld ein erhebliches Differenzierungsmerkmal vorweisen kann. Nachdenklich stimmen sollte, dass beide HP-Trümpfe aus Entwicklungslabors fremder Firmen in Großbritannien stammen – nicht aus den vielgerühmten HP Labs in Kalifornien.
Da sich das Thema WebOS erledigt hat, muss sich HP die Frage stellen, ob man auf das Consumergeschäft künftig überhaupt noch Wert legen soll: Digitalkameras hat man schon längst abgegeben, mit der Zerstörung von Palm hat sich auch der Bereich PDAs und deren Nachfolger erledigt und für die überschaubare Produktpalette bei Notebooks im Einsteigersegment nimmt man lieber den Markennamen Compaq als den eigenen.
Lediglich bei Druckern spielen Geräte für Privatverbraucher noch eine wichtige Rolle bei HP. So lange das Geschäft profitabel ist, kann man es sicher weiterhin betreiben. Allerdings ist die Frage, ob man dafür ein Consumer-Brand sein muss, oder ob es nicht einfach reicht, die großen Retailer zu beliefern und den Abverkauf durch die Präsenz in deren Regalen und Werbemaßnahmen sicherzustellen. Damit geht aber auch dei Überlegung einher, ob man langfristig eine Firma sein will, die der breiten Masse bekannt ist, oder ob man sich als spezialiserter IT-Anbieter für Firmen sieht.
Gegner und Partner
Unklar ist auch noch, wie sich HP im Verhältnis zu den anderen Großen der Branche aufstellt. Die früher ganz guten Beziehungen zu Oracle sind vergiftet und auch mit Cisco ist die offene Feindschaft ausgebrochen. IBM ist ohnehin der Erzrivale und EMC der erklärte Gegner im Storagemarkt. Als Sponsoren für seine Kundenveranstaltung nennt der Konzern Microsoft, SAP, Intel und Brocade.
Mit Intel verbindet HP alleine schon wegen Itanium eine Art Nibelungentreue. Auch das Verhältnis zu SAP will man um keinen Preis trüben: Massimo Pellegrino, Europachef für HPs Enterprise Information Portfolio, betonte auf der Discover 2011 im Gespräch mit ZDNet, dass man die vorgestellte Vertica-Appliance keinesfalls als Konkurrenzprodukt zur HANA-Appliance von SAP sehe: Es sei vielmehr ein komplementäres Produkt.
Mit Microsoft arbeitet HP in der als Frontline Partnership bezeichneten Allianz schon lange Jahre eng zusammen. Das geht auch im Mittelstand gut, allerdings fehlen Microsoft doch noch einige Technologien, um mit HP bei den ganz großen Kunden zu punkten – zum Beispiel eine geeignete Datenbank. Bei Servervirtualsierung macht Microsoft Fortschritte, die HP sicher mit Interesse beobachtet: Schließlich kann es nicht in HPs Interesse sein, die EMC-Tochter VMware durch Lizenzverkauf mehr als unbedingt notwendig zu mästen. Unklar ist auch noch, wie HP und Microsoft bei denen Anfang des Jahres angekündigten Business-Intelligence-Appliances weitermachen und wie diese im Verhältnis zum Autonomy-Vertica-Portfolio aufgestellt sind.
Gartner: Anteile am weltweiten Servermarkt im dritten Quartal (in Milliarden Dollar) | |||||
Anbieter | Umsatz 3. Quartal 2010 | Marktanteil | Umsatz 3. Quartal 2011 | Marktanteil | Umsatzveränderung zum Vorjahr |
---|---|---|---|---|---|
IBM | 3,717 | 30,2 % | 3,847 | 29,7 % | 3,5 % |
Hewlett-Packard | 3,943 | 32,0 % | 3,802 | 29,3 % | -3,6 % |
Dell | 1,790 | 14,5 % | 1,903 | 14,7 % | 6,3 % |
Oracle | 0,764 | 6,2 % | 0,764 | 5,9 % | 0,0 % |
Fujitsu | 0,582 | 4,7 % | 0,603 | 4,7 % | 3,6 % |
Andere | 1,534 | 12,4 % | 2,049 | 15,8 % | 33,6 % |
Gesamt | 12,329 | 100,0 % | 12,968 | 100,0 % | 5,2 % |
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