Markus Fein ist Koordinator IT und Medizintechnik in der Privatklinik Schindlbeck Herrsching am Ostufer des Ammersees. Eines seiner letzten Projekte war die Digitalisierung der EKG-Befunde. Bis dahin wurden die Ergebnisse des EKGs ausgedruckt, der Arzt unterschrieb den Befund; anschließend scannte ein Mitarbeiter das Dokument ein und legte es im Dokumentenarchiv der Klinik ab. „Mit dem digitalen EKG läuft die Auswertung direkt im Programm und nicht mehr mühsam über Papier. Zudem beschleunigt sich der gesamte Ablauf“, erklärt Fein. „Wichtig dabei sind funktionierende Schnittstellen zwischen IT und Medizintechnik sowie zwischen Anwendungen wie dem EKG und dem KIS“, so Fein weiter. Zudem besteht eine Schnittstelle zwischen dem Krankenhaus-Informationssystem (KIS) und dem Abrechnungssystem.
Laut Fein spielt die Integration und Vernetzung verschiedener medizinischer Geräte in Krankenhäusern eine immer größere Rolle. Denn insbesondere Medizinprodukte für bildgebende Verfahren (OP-Kameras, Computertomographen, Röntgengeräte etc.) sind für den Austausch von elektronischen Informationen mit anderen Geräten ausgelegt. Bild- und Videodaten werden beispielsweise auf einen zentralen Server übertragen, die Befunde dann von dort in den OP-Bericht oder Arztbrief übernommen.
Medizintechnik und IT wachsen zusammen
Mittlerweile steckt in fast jedem medizinischen Gerät intelligente Elektronik, die programmiert werden muss. So steuert beispielsweise Embedded-Software künstliche Gelenke in Prothesen und Orthesen an Armen und Beinen. Die aufwändige Verarbeitung von Daten bildgebender Systeme wie Computer- oder Magnetresonanztomografie ist ohne leistungsfähige Software undenkbar. Auch die Berechnung, Datenverwaltung und Konstruktion der Geräte funktioniert heutzutage nur mit IT.
Markus Fein ist von seiner Ausbildung her Bioingenieur. Er gehörte zu den ersten Absolventen des Studiengangs Bioingenieurwesen an der FH München und setzte seinen Schwerpunkt auf Medizintechnik. „Nach dem Studium habe ich dann zwei Jahre im Data Warehouse eines großen Mobilfunkproviders gearbeitet. Dort konnte ich mein IT-Know-how erweitern. Die Stelle hier an der Privatklinik Schindlbeck als Koordinator IT und Medizintechnik war daher sehr interessant für mich“, so Markus Fein.
Rosige Aussichten für (Medizin)Informatiker
Neben der Programmierung, Wartung oder Vernetzung sämtlicher medizinischer Geräte zur Diagnostik und Therapie gibt es in Krankenhäusern eine Menge Aufgaben für spezialisierte IT-Fachkräfte. Sie entwickeln und betreuen das zentrale Krankenhaus-Informationssystem mit Modulen etwa zur Aufnahme der Patienten, medizinischen Dokumentation, Abrechnung, Pflegeplanung, Dienstplan, Arztbrief etc. Zudem kümmern sie sich unter anderem um bildgebende Verfahren und die Archivierung der Röntgenbilder (PACS), computerunterstützte Operationstechniken oder das klinikeigene ERP-System.
„Natürlich gibt es im Krankenhaus auch klassische IT-Tätigkeiten wie die Administration der IT-Infrastruktur, sprich Netzwerk, Storage, Clients etc. inklusive Support“, sagt Professor Björn Bergh, Direktor des Zentrums für Informations- und Medizintechnik am Universitätsklinikum Heidelberg. Zum Team von Björn Bergh im Bereich IT und Medizintechnik gehören etwa 165 Mitarbeiter, im Bereich der klinischen Anwendungen bilden Medizininformatiker das Gros. „Wir haben hier an der Universität Heidelberg in diesem Bereich keinerlei Nachwuchsmangel, da wir den bundesweit einzigen volluniversitären Studiengang für Medizininformatik mit Promotionsmöglichkeiten anbieten.“ Bergh holt sich fähige Studenten bereits zur Bachelor- oder Masterarbeit ins Team und übernimmt sie dann in den Klinikbetrieb.
„Medizininformatiker haben unverändert sehr gute Zukunftschancen. Wichtig wäre allerdings aus meiner Sicht eine stärkere Integration von Medizintechnik und IT auf der Ausbildungsseite. Die Bereiche wachsen immer stärker zusammen, sowohl Krankenhäuser als auch die Hersteller von technischen Medizinprodukten brauchen Spezialisten, die als Schnittstellen-Qualifikation Know-how aus beiden Welten besitzen“, betont Bergh.
Mit der rasch anwachsenden Weltbevölkerung und der alternden Gesellschaft werde der Bedarf an medizintechnischen Produkten und Leistungen weiter zunehmen. Laut dem Bundesverband Gesundheits-IT (bvitg), dem Vertreter der in Deutschland führenden IT-Anbieter im Gesundheitswesen, betrug der Umsatz im Markt für Health-IT im Jahr 2010 in Deutschland 1,4 Milliarden Euro, Tendenz steigend. Die Zahlen für 2011 waren bei Fertigstellung dieses Artikels noch nicht bekannt.
Entwicklungen wie die elektronische Gesundheitskarte, die zunehmende Vernetzung der medizinischen Einrichtungen oder Telemedizin sorgen für weiter steigenden Bedarf an IT-Spezialisten in der Healthcare-Branche. Das können auch reine Diplom-Informatiker oder Mediziner mit einer entsprechenden Zusatzqualifikation sein. Wirtschaftsinformatiker gehören nicht zum Team von Björn Bergh: „Für sie ist das Gehaltsniveau in der Industrie und freien Wirtschaft wohl attraktiver. Uns sind hier finanziell die Hände gebunden, da wir nach dem Tarif für den öffentlichen Dienst bezahlen.“
Große Vielzahl potenzieller Arbeitgeber
Neben dem grundständigen Studium der Medizininformatik (etwa an den Fachhochschulen Darmstadt, Flensburg, Stralsund und künftig Konstanz) als eigenständigem Fach oder in Verbindung mit Biomedizintechnik gibt es Medizininformatik auch als Schwerpunkt innerhalb von Informatik-Studiengängen. Zudem ist es möglich, berufsbegleitend Aufbaustudiengänge zu absolvieren, etwa am Institut für IT im Gesundheitswesen von Professor Dr. Christian Johner in Konstanz. Hier können die Teilnehmer den Master of Science „IT im Gesundheitswesen“ erlangen, Ärzte können die Zusatzbezeichnung „Medizinische Informatik“ erwerben. „Letztere sind dann in der Lage, etwa Prozesse im Krankenhaus zu gestalten, diese mit Hilfe der IT abzubilden und als Schnittstellen zwischen den medizinischen Berufen und der Informatik zu fungieren“, erklärt Christian Johner.
Etwa 50 Prozent der Studenten am Institut für IT im Gesundheitswesen haben bereits ein einschlägiges medizinisches oder informationstechnisches Studium abgeschlossen. Aber auch Pflegekräfte oder Medizincontroller im Krankenhaus gehören zur Klientel. „Das Masterstudium ist sehr praxisnah und qualifiziert die Absolventen unter anderen, IT-Infrastrukturen im Gesundheitswesen effektiver anzuwenden und zu betreiben. Oder sie können Medizinprodukte, die Software enthalten, schneller und gesetzeskonform entwickeln“, so Johner. Zudem können sie nach dem Aufbaustudium die Brücke zwischen IT und Gesundheitswesen schlagen und beispielsweise klinische Prozesse besser unterstützen.
Die Absolventen sind nicht nur bei den so genannten Leistungserbringern tätig, sprich bei Arztpraxen, medizinischen Versorgungszentren oder Krankenhäusern, sondern es gibt für sie ganz unterschiedliche Einsatzgebiete: Bei Herstellern von medizinischen IT-Systemen (Hardware, Software), Krankenversicherungen, Behörden, Unternehmensberatungen, in Lehre und Forschung oder in Firmen, die sich mit dem Aufbau von Systemen wie der elektronischen Gesundheitskarte oder Einrichtungen für Telemedizin befassen.
„Die Berufsprofile in der Gesundheits-IT sind sehr stark von den jeweiligen Arbeitgebern geprägt. Daraus erwachsen unterschiedliche Anforderungen an den Mitarbeiter“, erläutert Dr. Pablo Mentzinis, Leiter Public Sector beim Branchenverband Bitkom. Ein freiberuflicher Berater, der Arztpraxen bei der Installation von Verwaltungssoftware unterstützt, sei beispielsweise anders gefordert als der IT-Mitarbeiter einer Krankenkasse, der die IT-gestützte Abrechnung mit Ärzten, Kliniken oder Apotheken verantwortet oder im System die elektronische Gesundheitskarte implementiert.
Auch Pablo Mentzinis sieht sehr gute Zukunftsaussichten für IT-Spezialisten im Gesundheitswesen: „Die Technisierung der Medizin geht weiter, der Informationsaustausch und die Vernetzung zwischen Kliniken, Arztpraxen, Versorgungszentren etc. nehmen zu, auch Telemedizin gewinnt an Bedeutung.“ Hier seien insbesondere Medizininformatiker gefragt, die Know-how an der Schnittstelle zwischen IT und Medizintechnik besitzen.
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