Kein fliegender Gerichtsstand bei P2P-Urheberrechtsverletzungen

Die Klägerin hatte den Beklagten auf Zahlung in Form eines Freistellungsanspruchs von Rechtsanwaltskosten vor dem Amtsgericht Frankfurt am Main in Anspruch genommen. Hintergrund war ein von dem Beklagten im Internet begangener Rechtsverstoß. Der Sitz des Klägers befand sich indessen in Köln. Ein deutlicher Bezug einer von dem Beklagten im Internet begangenen Rechtsverletzung zum Bezirk des Amtsgerichts Frankfurt am Main bestand nicht.

Das Amtsgericht Frankfurt am Main erklärte sich für örtlich unzuständig (Aktenzeichen 31 C 2528/11 (17)). Der sogenannte fliegende Gerichtsstand bei im Internet begangenen Rechtsverstößen begründe keine willkürliche Gerichtsstandswahl. Vielmehr könne ein örtlicher Gerichtsstand des Begehungsortes der unerlaubten Handlung nur dort gegeben sein, wo sich der behauptete Rechtsverstoß in dem konkreten Verhältnis der Prozessparteien tatsächlich ausgewirkt habe.

Dies könne entweder am Wohnort des Beklagten der Fall gewesen sein, weil davon auszugehen sei, dass hier das rechtswidrige Angebot ins Internet gestellt worden sei. Oder es könne am Wohnort beziehungsweise Geschäftssitz des Klägers sein, da dieser dort das Angebot bestimmungsgemäß aus dem Internet abgerufen habe. Allein die technisch mögliche Abrufbarkeit der Internetseite, die eine Rechtsverletzung enthalte, reiche zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit nicht aus.

Der fliegende Gerichtsstand sei für den hier geltend gemachten Zahlungsanspruch im Übrigen nicht anwendbar, da dessen Grundsätze allenfalls für die Verfolgung von Rechtsverstößen selbst, nicht jedoch für die Geltendmachung von Folgeansprüchen wie den Zahlungsanspruch gelten.

Der fliegende Gerichtsstand

Um Willkür einzuschränken, ist im deutschen Zivilprozessrecht der sogenannte Gerichtsstand vorgesehen. Allgemeiner Gerichtsstand einer natürlichen Person oder eines Unternehmens ist in der Regel das dem Wohnsitz nächstgelegene zuständige Gericht. Eine Ausnahme ist der sogenannte „fliegende Gerichtsstand“: Dabei ist das Gericht zuständig, in dessen Gerichtsbezirk eine unerlaubte Handlung begangen wurde.

Problematisch ist diese Sichtweise in Bezug auf das Internet. Da die „unerlaubte Handlung“ überall ausgeführt werden kann, wo sich eine Website „bestimmungsgemäß abrufen“ lässt – meistens also zumindest in ganz Deutschland – kann man sich lange darüber streiten, welches Gericht zuständig ist und wann der „fliegende Gerichtsstand“ zur Anwendung kommen kann.

Denn kommt es zu einem Rechtsstreit, ist oft nicht ganz unerheblich, wo dieser ausgefochten wird. Schließlich gibt es – vor allem in neuen und noch umstrittenen Bereichen der Rechtsprechung, zu denen viele aus dem IT- und Internetrecht gehören – gewisse Auslegungsmöglichkeiten. Versierte Kläger suchen sich daher gerne das Gericht aus, bei dem sie sich aufgrund von Urteilen aus der Vergangenheit die besten Chancen ausrechnen. Andererseits erhöht sich etwa bei Abmahnungen oder vergleichsweise kleinen Forderungen für den Gegner der Aufwand, wenn der Verhandlungsort weit weg von dessen Wohnsitz oder Geschäftstätigkeit liegt – was wiederum seine Bereitschaft zu einem außergerichtlichen Einlenken beeinflussen könnte.

Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg

Hinsichtlich einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts hat sich im vergangenen Jahr das Amtsgericht Charlottenburg damit auseinandergesetzt (Aktenzeichen 226 C 130/10). In dem Fall hatte eine in Deutschland prominente Person gegen das Onlineportal geklagt, weil dort ein persönlichkeitsrechtsverletzender Artikel erschienen war.

Das Portal hatte den Artikel von einer Tageszeitung übernommen. Es gab zwar eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, erstattet die Abmahnkosten jedoch nicht. Daraufhin klagte der Prominente am Amtsgericht Charlottenburg. Er war der Auffassung, dass die Grundsätze des fliegenden Gerichtsstandes gelten würden und daher auch das Berliner Gericht zuständig sei. Er selbst lebte über 600 Kilometer entfernt, 1&1 hat seinen Firmensitz im rheinland-pfälzischen Montabaur.

Die Charlottenburger Richter wiesen die Klage als unzulässig ab und erklärten sich für unzuständig. Eine Zuständigkeit könne auch nach den Grundsätzen des sogenannten „fliegenden Gerichtsstandes“ nicht angenommen werden. Vielmehr sei das Gericht zuständig, in dem der Kläger seinen Wohnsitz habe. Bei Internetdelikten reicht ihrer Ansicht nach die bloße Abrufbarkeit der Webseite nicht aus, um eine Zuständigkeit des Gerichts zu begründen.

Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main

Nach Auffassung des Landgerichts Frankfurt am Main können dagegen bei Rechtsverletzungen, die durch Angebote über Ebay begangen wurden, die Grundsätze des „fliegenden Gerichtsstandes“ gelten (Aktenzeichen 2/3 S 7/09). Die Richter begründeten das damit, dass der Versand in ganz Deutschland angeboten wird.

In dem Verfahren ging es ursprünglich um die Verletzung urheberrechtlicher Nutzungsrechte. Der Kläger war Inhaber von Vertriebslizenzen der Modemarke „Ed Hardy“. Da der Beklagte über Ebay eine gefälschte „Ed Hardy“-Jacke verkauft hatte, mahnte der Kläger ihn ab. Mit der zuvor beim Amtsgericht eingereichten Klage begehrte er die Erstattung der Abmahnkosten. Das Amtsgericht erklärte sich für unzuständig, woraufhin der Kläger Rechtsmittel einlegte.

Das Landgericht gab der Berufung statt. In dem Fall seien die Grundsätze des „fliegenden Gerichtsstandes“ anzuwenden. Auch wenn dieser im gewerblichen Rechtsschutz dahingehend eingeschränkt werde, dass bei im Internet begangenen Verstößen über die bestimmungsgemäße Abrufbarkeit hinausgehend auch ein gewisser Ortsbezug verlangt werde. Davon sei im zugrunde liegenden Fall auszugehen. Entscheidend sei, dass der Beklagte bei seinem Angebot einen Versand nach ganz Deutschland vorgesehen habe. Durch dieses Inverkehrbringen habe eine Rechtsverletzung in ganz Deutschland gedroht und das Angebot war von vornherein darauf ausgerichtet, Käufer im gesamten Bundesgebiet anzusprechen.

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ZDNet.de Redaktion

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